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Debora Antmann

© Privat

Kolumne Schlamasseltov: Ein Feuilletonist, ein Lehrer, kein Jude

Auch unsere Kolumnistin wurde auf Twitter von dem Berliner Journalisten angegriffen, der sich kürzlich selbst als Nicht-Jude enttarnte. Was das über seine Strategie verrät, schreibt sie hier.

Eine Kolumne von Debora Antmann

Ein Berliner Lehrer gibt sich jahrelang als Jude aus. Schreibt für etablierte Medien und wütet in den sozialen Medien – alles unter dem Vorwand, ein Jude zu sein. Greift die Arbeit anderer Jüd*innen an, macht sich über sie lustig, so zwischen Jüd*innen und „Jude“, versteht sich. Lässt sich dafür von Nicht-Jüd*innen beklatschen.

Tweets des Berliner Lehrers über mich sind spannend zu lesen: Er könne sich mit Teilen meiner Biografie identifizieren, aber meine Positionen seien problematisch, oder so ähnlich. Leute wie ich würden darauf bestehen, dass Jüd*innen nicht weiß seien, aber dann Schwarzen Jüd*innen und Jüd*innen of Color die Stimme absprechen.

Ich habe in jeder meiner Bios schon immer „weiße Jüdin“ stehen, schon immer öffentlich vertreten, dass das Weißsein weißer Jüd*innen zwar fragiler ist als das christlich sozialisierter Menschen, aber dass es wichtig ist, nicht die Erfahrungen von Jüd*innen of Color und Schwarzen Jüd*innen unsichtbar zu machen, indem wir behaupten, alle Jüd*innen wären of Color.

Was der Berliner Lehrer, der sich gerne zur jüdischen intellektuellen Elite gezählt hätte, wie es scheint (ein antisemitischer feuchter Traum), hier offenbart, ist, dass es ihm eben nicht um Jüd*innen oder gar deren Arbeit geht (außer natürlich der von Maxim Biller – das passt in seine Fantasie des jüdischen Intellektuellen).

Es ist die reine Instrumentalisierung, wenn es darum ging, das Narrativ seines eigenen Jüdisch-Seins zu untermauern, um sich selbst über die vermeintliche Identifikation mit einer jüdischen Biografie noch ein bisschen jüdischer erscheinen zu lassen, um dann im nächsten Atemzug aber die jüdisch-moralische Überlegenheit über die Person zu betonen, zu der diese Biografie gehört.

Jude spielen, Jüd*innen benutzen und Jüd*innen abwerten, was für eine Trias der Herabwürdigung. Der Berliner Lehrer, der als Jude für die Feuilletons schrieb, wurde nicht zum Juden, weil er sie so toll findet, sondern weil er offensichtlich so wenig Respekt für uns hat, dass er es okay findet, sich unsere Geschichte(n) anzueignen.

Und für all die Stimmen, die aktuell mit Floskeln wie „Ariernachweis“, „Nürnberger Gesetze“ und „Reinheitsfetisch“ um sich werfen, weil Jüd*innen geschockt und wütend Fabian Wolffs Mitleidsmasche nicht mitmachen wollen: Ich weiß, es ist schwer es zu erkennen, weil man es in diesem Land noch nie gesehen hat – aber so hätte Entnazifizierung ausgesehen. Ein Blick darauf, dass sich nicht Hinz und Kunz mit einer neuen Identität aus der Verantwortung ziehen können. Der Grund, dass wir das intergenerational in unseren eigenen Reihen praktizieren müssen, ist, dass ihr es nie getan habt.

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