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David Adjaye

© picture alliance / Photoshot

Der Fall Adjaye: Den Kompass verloren

Gegen den britischen Stararchitekten David Adjaye richten sich #metoo-Vorwürfe. Toxische Beziehungen gibt es aber mutmaßlich auch in anderen Büros.

Dieser Tage lässt sich in Echtzeit miterleben, wie eine Weltkarriere zerfällt. Von David Adjaye, eben noch als meisterhafter Architekt bewundert und mit Ehrungen überhäuft, ziehen sich Auftraggeber erschreckt zurück.

Ein Artikel in der „Financial Times“ zitiert drei frühere Mitarbeiterinnen, die im Schutz der Anonymität schwere #metoo-Vorwürfe gegen den Star erheben. Da ist offenkundig mit jener Sorgfalt recherchiert worden, die das Ethos des angelsächsischen Journalismus ausmacht.

Mit dem Ethos des Architekten scheint es nicht so weit her, auch wenn er einräumt, Privates und Berufliches vermischt zu haben, was er bedaure. Was Adjaye an Übergriffen sexueller Art zur Last gelegt wird, geschah inmitten der Berufswelt von Architekten. Nach Lehrjahren in großen Büros machen sich viele von ihnen selbständig und haben ihre kreativsten Jahre in dieser Zeit des Wachstums, heimsen Preise ein und realisieren erste Vorhaben. 

David Adjaye ist einer der kreativsten Köpfe unter den heutigen Baumeistern, keine Frage. Und einer, dessen Weg immer nur eine Richtung kannte: nach oben. Man sah ihn als König Midas der Architektur, der, was immer er anfing, zu einem in aller Fachwelt bewunderten Erfolg führte.

Über diesem Erfolg hat Adjaye offenbar seinen inneren Kompass verloren. In seinem Betrieb soll eine „toxische Atmosphäre“ geherrscht haben, die bekannte Mischung aus Leistungsdruck und quasi-feudaler Abhängigkeit.

Über die persönlichen Verfehlungen werden alsbald Anwälte und womöglich Gerichte befinden. Was aber bedeutet das für die Architektur, die Adjaye entworfen hat? Ist sein gepriesenes Museum der afroamerikanischen Geschichte in Washington mit einem Mal kontaminiert? Werden die Menschen seine Bibliotheksbauten boykottieren? Wird es ein Makel sein, in seinen Wohnhäusern zu leben? Und müssen die Mitarbeiter seines Büros in drei Kontinenten mit dem Ruf leben, sich den Allüren eines Riesen-Egos nicht widersetzt zu haben?

Bei Affären dieser Art gibt es niemals Sieger. Die Opfer sind traumatisiert, die Täter beschädigt. Bleibt nur zu hoffen, dass in anderen Großbüros gründlich nachgeschaut wird, welche Missverhältnisse es gibt. Ehe die nächste Karriere zerbricht.

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