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David Adjaye bei der Ausstellung „Making Memory“ im Design Museum.

© picture alliance / Photoshot

#MeToo ist überall: Missbrauchsvorwürfe gegen Architekt David Adjaye

Drei Mitarbeiterinnen haben Vorwürfe gegen den international renommierten Architekten herhoben, die von sexuellen Übergriffen bis hin zu Belästigungen reichen.

Wie eine Bombe schlug ein ausführlicher Artikel in der „Financial Times“ ein, der in der vergangenen Woche die Anschuldigungen dreier, anonym bleibender Frauen bekannt machte, die den Architekten David Adjaye sexueller Übergriffe bezichtigen. Zwar wies Adjaye die sehr detailliert dargelegten Anschuldigungen im Einzelnen als „unwahr“ zurück, doch räumte er ein, mit den betreffenden Frauen „einvernehmliche Beziehungen“ eingegangen zu sein, die „die Grenzen zwischen meinem beruflichen und Privatleben verwischt“ hätten. Dies tue ihm „zutiefst leid“. Er wolle „professionelle Hilfe“ in Anspruch nehmen, damit dies nicht wieder geschehe. Die Vorwürfe widersprächen „allem, für das ich stehe“.

Dem Artikel der „FT“ gingen nach eigenen Angaben Recherchen von über einem Jahr voraus, in deren Verlauf vertrauliche Gespräche unter anderem mit 13 weiteren früheren Beschäftigten im Büro von Adjaye geführt wurden.

Der 1966 als Kind einer ghanaischen Diplomatenfamilie in Tansania geborene und in London lebende Architekt David Adjaye gehört mittlerweile zu den Großen seiner Profession. Weithin bekannt wurde er mit dem von ihm entworfenen Gebäude des National Museum of African American History and Culture (NMAAHC) in der US-amerikanischen Hauptstadt Washington. Das für 540 Millionen Dollar errichtete Museum im Verbund der Smithsonian Institution zählt seit seiner Eröffnung im Herbst 2016 zu den Zuschauermagneten an der von weiteren Museen gesäumten National Mall.

Das National Museum of African American History and Culture in Washington DC.
Das National Museum of African American History and Culture in Washington DC.

© IMAGO/Zoonar/Valerio Rosati

Teil des englischen Adelsstands

Adjaye, der seinen Abschluss am Londoner Royal College of Art gemacht hat, eröffnete 1994 ein eigenes Büro, zunächst mit Partner, seit 2000 dann alleine. Seither hat er eine beeindruckende Vielzahl von Bauwerken in aller Welt entworfen, darunter Stadtteilbibliotheken in London, eine spektakulär gestaltete Managementschule in Moskau, ein 66-stöckiges Wohnhochhaus in New York und das noch im Anfangsstadium befindliche Museum westafrikanischer Kunst im nigerianischen Benin City. Bereits 2017 wurde Adjaye in die Royal Academy hinzugewählt sowie in den englischen Adelsstand erhoben, 2022 erfolgte die Aufnahme in den Order of Merit.

In dem Artikel der „Financial Times“ berichten drei Frauen, die alle zeitweise in Adjayes inzwischen mehr als 200 Mitarbeiter umfassender Praxis beschäftigt waren, in sehr detaillierter Form von sexuellen Übergriffen in den Jahren 2018 und 2019. Zudem beschuldigen sie den Architekten rassistischer Äußerungen, mit denen er ihre Fähigkeiten als Architektinnen aufgrund ihrer Hautfarbe herabgewürdigt habe. In seinem Büro habe eine „toxische“ Arbeitsatmosphäre geherrscht.

Ich schäme mich zu sagen, dass ich Beziehungen eingegangen bin, die zwar völlig einvernehmlich waren, aber die Grenzen zwischen meinem beruflichen und meinem privaten Leben verwischt haben. Das tut mir zutiefst leid.

David Adjaye, Architekt.

Die drei Frauen werden in dem Artikel beschrieben als „schwarze Frauen in ihren Vierzigern zu der Zeit, als der angebliche Missbrauch stattfand, und (…) alleinerziehende Mütter, die beruflich gut vernetzt sind und aus einflussreichen Familien stammen“. Sie geben an, schreibt die Zeitung, „dass der Umgang mit Adjaye ihre Karrieren gestört, sie in eine prekäre finanzielle Lage gebracht und ihnen schwere psychische Probleme bereitet“ habe.

Bedenken hinsichtlich des Verhaltens

Unter anderem ist von Problemen mit Gehaltszahlungen die Rede, zu der Zeit, als die Frauen beim Aufbau einer Zweigstelle der Architekturfirma in der ghanaischen Hauptstadt Accra tätig waren. Zwei der Frauen wurde jeweils einige Monate nach den fraglichen Zwischenfällen gekündigt. Inzwischen erklärte ein Anwalt Adjayes gegenüber der „FT“, dass sie „aufgrund von Bedenken hinsichtlich ihres Verhaltens und ihrer Fähigkeiten, die von anderen Mitarbeitern geäußert wurden“, entlassen wurden.

Adjaye hat unmittelbar nach der Veröffentlichung der „Financial Times“ von seiner Funktion als Berater des Londoner Bürgermeisters Sadiq Khan wie als Architekt des geplanten Londoner Holocaust-Museums Abstand genommen. Unterdessen haben mehrere amerikanische Auftraggeber die Zusammenarbeit mit ihm aufgekündigt, darunter das Studio Museum im New Yorker Stadtteil Harlem und der Investor eines großangelegten Vorhabens im Stadtzentrum von Chicago. Allein die Universität von Princeton nennt weiter Adjaye als Architekten des neuen Universitätsmuseums, da dessen Realisierung bereits weit vorangeschritten sei.

In Deutschland wurde David Adjaye vor allem durch eine umfangreiche Ausstellung bekannt, die Okwui Enwezor an dem von ihm geleiteten Münchner Haus der Kunst Anfang 2015 für ihn ausrichtete (Tsp. v. 02.02.2015). Bei der gegenwärtigen 18. Architekturbiennale von Venedig ist Adjaye der einzige Architekt, dem die Generalkommissarin Lesley Lokko einen eigenen Saal zur Verfügung gestellt hat, in dem zahlreiche Modelle seiner Bauten gezeigt werden.

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