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„Einigkeit und Recht und Freiheit“ schrieb sich das Reichsbanner auf die Fahnen.

© dpa

Das Reichsbanner Schwarz–Rot–Gold: Verteidiger der Republik

Wie das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold den Untergang der Weimarer Republik zu verhindern versuchte: Der Historiker Sebastian Elsbach erzählt in einem Buch die Geschichte einer ehrenvollen Organisation.

Symbolisch für die Machtübergabe an Adolf Hitler steht der Fackelzug der SA durch das Brandenburger Tor am Abend des 30. Januar 1933. Mag die Filmaufnahme auch nachgestellt worden sein, der dramatischen Ausleuchtung halber, so verdichtet sich in diesem Bewegtbild doch zweierlei: der Triumph der Nazis – und die Ohnmacht der Republik.

Als „Republik ohne Republikaner“ ist sie immer wieder geschmäht worden, übrigens schon zu ihrem Beginn. Und mit der Machtübergabe, jahrzehntelang als „Machtergreifung“ schöngeredet, schien sich das Wort denn auch endgültig bewahrheitet zu haben. Die Geschichtswissenschaft ist davon mittlerweile abgerückt, doch im breiten Bewusstsein hält sich die Vorstellung einer wehrlosen Republik. Doch das ist eine verzerrte Wahrnehmung.

Denn es gab sie, die Republikaner, sichtbar sogar und zudem als wehrhaft auftretend. Dass sie im entscheidenden Moment zum Widerstand nicht fähig waren – und nicht befähigt wurden –, gehört zur Tragik dieser von allzu vielen Feinden niedergerungenen Republik.

Weithin vergessen ist die Massenorganisation des „Reichsbanners Schwarz–Rot–Gold“, gegründet im Februar 1924 als „Bund der republikanischen Kriegsteilnehmer“ nach den Umsturzversuchen des Jahres 1923 sowohl der äußersten Rechten wie der kommunistischen Linken.

Das Reichsbanner entwickelt sich zu einer Kampf- und Kulturorganisation im Dienste der Republik, vorderhand als einer der mehr oder minder uniformierten bis paramilitärischen Wehrverbände der republikanischen Zeit, wie auf kommunistischer Seite der „Rote Frontkämpferbund“ und auf der politischen Rechten der „Stahlhelm“ sowie die „SA“, die „Sturmabteilung“ der NSDAP.

Das „Reichsbanner“ war allerdings nach Zahl seiner Mitglieder der weitaus größte Verband. Es war „mit mindestens 1,5 Millionen und demnach doppelt so vielen Mitgliedern wie Stahlhelm, SA und RFB zusammengerechnet, war eine der zentralen Stützen der demokratischen Zivilgesellschaft in der ersten deutschen Demokratie“, bilanziert der Historiker Sebastian Elsbach in seiner enorm materialreichen Untersuchung „Schwarz–Rot–Gold. Das Reichsbanner im Kampf um die Weimarer Republik“.

Der Berliner Historiker hat mit seiner Gesamtdarstellung des Reichsbanners zugleich eine Geschichte der Weimarer Republik in ihrer politischen Kultur, aber auch ihren gewaltsamen Auseinandersetzungen geschrieben. Beides ist untrennbar verbunden. Denn die Weimarer Republik musste ein Dutzend Aufstände und Putschversuche überstehen.

Schutz vor dem Feind

Das Reichsbanner verstand sich als Abwehrorganisation, „eben um die Republik vor der Gewalt ihrer Feinde zu schützen“, wie Elsbach schreibt: „Dieses Handeln fand vor dem Kontext eines vergleichsweise schwachen Gewaltmonopols des Staates statt. Dieser war zum Teil nicht in der Lage und nicht bereit, die demokratische Zivilgesellschaft vor Angriffen zu schützen.“

Das Ausmaß gewalttätiger Auseinandersetzungen insbesondere ab 1930 ist heute kaum mehr vorstellbar, aber auch der Einsatz für die Republik und die Verankerung ihrer Symbole, wie eben dem von Rechts geschmähten „Schwarz-Rot-Gold“, und die jährlichen Feiern der Weimarer Verfassung. „Als Höhepunkt dieser Aktivitäten“ – so Elsbach – „ist sicherlich die Bundesverfassungsfeier des Reichsbanners von 1929 in Berlin zu werten, wo schätzungsweise 100.000 uniformierte Mitglieder des Bundes für die Republik demonstrierten.“ Vor dem Brandenburger Tor wurde sogar ein temporäres Mahnmal für die „Opfer der Republik“ errichtet.

Gefahr von rechts

Der Kampf gegen die immer weiter zunehmende Gefahr von rechts bestimmte die Aktivitäten des Reichsbanners. So versammelte sich „das Berliner Reichsbanner“ im Oktober 1930 im Berliner Lustgarten ausdrücklich „gegen die faschistische Diktatur“, wie die „Illustrierte republikanische Zeitung“, das Organ des Reichsbanners, in einem Bildbericht meldete.

„Es geht um die Erhaltung der Demokratie, um die Sicherung der Verfassung“, wie einer der Redner es formulierte. Gegen die Demagogie von Rechts war das zu defensiv. Der inzwischen in Thüringen als Minister installierte Nazi Wilhelm Frick tönte bereits 1930, dass nach der Machtergreifung „der Marxismus“ – gemeint: die Sozialdemokratie – „mit Stumpf und Stil ausgerottet“ werde.

Quasi-Staatsstreich

Der sogenannte „Preußenschlag“ – der Quasi-Staatsstreich im Juli 1932 gegen die preußische Regierung – bot vielleicht die letzte Chance, die Machtübernahme der Nazis noch zu verhindern. Der strikte Legalismus der von der „Weimarer Koalition“ gestellten preußischen Regierung verhinderte das schon im Ansatz.

Allerdings weist Elsbach nach, dass das Reichsbanner für paramilitärische Aktionen gar nicht vorbereitet war und über allem die Furcht vor einem Militärputsch herrschte. „An Kampfeswillen dürfte es jedoch nicht gemangelt haben“, schließt Elsbach aus dem Befund zahlreicher Einzelaktionen, doch „zu koordiniertem gewaltsamen Widerstand waren 1933 aber weder das Reichsbanner noch die Arbeiterparteien in der Lage.“

Die Diskussion über die Ereignisse in der Endphase der Republik ist und bleibt unabgeschlossen, vielleicht unabschließbar. Elsbachs Buch liefert wertvolle Details; zudem bietet es mit seinen zahlreichen Abbildungen ein faszinierndes Panorama der politischen Kultur der Weimarer Republik. Sie ist uns heute weit fremder, als es die Mythenbildung rund um die „Weimar Culture“ wahrhaben will.

Die Republik war wehrhaft, aber zu schwach gegenüber Gegnern, die aus ihrem unbedingten Vernichtungswillen nie einen Hehl gemacht hatten. Gerade darum ist das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold ein Kapitel der Republik, das mit dieser erinnert zu werden verdient.

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