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Am Mittwoch überflogen deutsche und israelische Kampfjets Jerusalem.

© Israeli Air Force

Parade zu 75 Jahre Unabhängigkeit: Deutsche und israelische Jets gemeinsam über Tel Aviv und Jerusalem

Erstmals überfliegen deutsche Eurofighter am israelischen Unabhängigkeitstag Jerusalem – ein Zeichen der Verbundenheit. Wird die militärische Kooperation bald noch enger?

Es ist ein außergewöhnlicher Moment für beide Länder. Mittwochmittag, exakt um 13.11 Uhr, donnern am strahlend blauen Himmel israelische und deutsche Kampfjets in 300 Metern Höhe gemeinsam über Jerusalem und die Knesset hinweg.

Deutschlands Luftwaffe ist einer Einladung des jüdischen Staats gefolgt und nimmt erstmals anlässlich des israelischen Unabhängigkeitstages an einer großen Parade teil.

Einer der beiden Eurofighter macht besonders auf sich aufmerksam: Eagle 2.0, geflogen von Hauptmann Markus H., ist an den Flügeln und am Rumpf mit der israelischen und der deutschen Flagge dekoriert. Ein Zeichen der engen Verbundenheit beider Luftwaffen.

Insgesamt 15 Kampfflugzeuge verschiedener Nationen fliegen am markanten quadratischen Parlamentsgebäude vorbei. Doch viele Israelis sehen gerade die demokratischen Prinzipien ihres Staates bedroht – durch die eigene Regierung.

Die rechtsextreme Koalition unter Premier Benjamin Netanjahu will eine Justizreform durchsetzen, die nach Meinung der zahlreichen Kritiker die Gewaltenteilung faktisch beenden würde. Deshalb glauben Hunderttausende Bürgerinnen und Bürger, dass es am Unabhängigkeitstag nichts zu feiern gibt – selbst, wenn ihr Staat jetzt den 75. Jahrestag seines Bestehens begeht.

Protest gegen die Regierung Netanjahu auch am Unabhängigkeitstag in Tel Aviv.

© Reuters/Corinna Kern

Der Flug der deutschen Eurofighter über Israel hat ebenfalls eine heikle politische Komponente. Die beiden deutschen Piloten sind nicht die ganze Zeit den israelischen Kollegen an der Spitze der Formation gefolgt.

Denn die Israelis überflogen am Vormittag auch die besetzten Palästinensergebiete – ohne Beteiligung der Luftwaffen-Eurofighter. Schließlich verstößt Israel mit der Besatzung nach Ansicht der UN und der EU gegen das Völkerrecht. Deutschland möchte sich nicht vorwerfen lassen, diesen Verstoß mit einem Überflug zu legitimieren. Aus diesem Grund nahmen die deutschen Piloten zeitweise einen anderen Weg.

Deutsche und israelische Kampfjets Seite an Seite über der Knesset, dem Symbol der israelischen Demokratie – ich hatte dabei Gänsehaut.

Generalleutnant Ingo Gerhartz, Inspekteur der deutschen Luftwaffe

Dennoch ist dieser Tag für die deutschen Streitkräfte ein besonderer. Luftwaffeninspekteur Generalleutnant Ingo Gerhartz war selbst in Jerusalem dabei. „Ein bewegender Moment für mich: deutsche und israelische Kampfjets Seite an Seite über der Knesset, dem Symbol der israelischen Demokratie – ich hatte dabei Gänsehaut und bin sehr berührt und dankbar, dass wir dabei sein durften.“

Israels Luftwaffe gilt als engste Verbündete außerhalb der Nato

Ohnehin wird die Zusammenarbeit beider Luftwaffen von Jahr zu Jahr enger. Einen richtigen Schub bekam die Allianz 2010. Die damalige Bundesregierung entschied, für den Afghanistaneinsatz Aufklärungsdrohnen in Israel zu leasen.

Seitdem lernen deutsche Piloten von ihren Kollegen im jüdischen Staat, die ferngesteuerten Flugobjekte zu handhaben. Inzwischen gibt es einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch auf vielen Ebenen, vom Hubschrauberfliegen bis zu einem Ausbildungsprogramm für Soldaten. Heute gilt Israels Luftwaffe als engste Verbündete außerhalb der Nato.

Auf dem Weg nach Israel müssen die Eurofighter mehrfach in der Luft betankt werden.

© Luftwaffe/Christian Schmidt

Offenbar wächst auch die Wertschätzung auf israelischer Seite. Vor knapp sechs Jahren nahmen mehrere Eurofighter erstmals am Manöver „Blue Flag“ in der Wüste Negev teil. Deutsche Kampfjets übten Flügel an Flügel mit israelischen – das war gut sieben Jahrzehnte nach dem Holocaust für alle Beteiligten etwas Besonderes. Von „Diplomatie in der Luft“ war damals die Rede.

Dann, 2020, ein weiteres Zeichen am Himmel: Erstmals trainierte die Air Force des jüdischen Staats in der Bundesrepublik und überflog mit deutschen Kampfjets das ehemalige KZ Dachau, um der Opfer des Holocaust zu gedenken. Gut ein Jahr später folgte eine weitere Großübung, zu der ein Flug beider Streitkräfte über der Knesset gehörte. Nun gibt es als vorläufigen Höhepunkt die gemeinsame Luftparade zum israelischen Unabhängigkeitstag.

Deutschland will sich Israels Raketenabwehrsystem Arrow 3 sichern

Ein weiteres Zeichen der engen Zusammenarbeit könnte bald folgen. Deutschland interessiert sich seit Russlands Überfall auf die Ukraine und den ständigen Drohungen aus Moskau sehr für Israels hochmodernes Raketenabwehrsystem Arrow 3. Nach Einschätzung von Beobachtern könnten die Verhandlungen über das Milliardenprojekt, das eng mit europäischen Partnern abgestimmt ist, bald erfolgreich abgeschlossen sein.

Dann verfügten die Bundesrepublik und ihre Verbündeten über einen effektiven Schutzschirm vor Angriffen mit Mittel- und Langstreckenraketen. Das israelische System kann Flugkörper in einer Höhe von mehr als 100 Kilometern zerstören, also auch außerhalb der Atmosphäre. Damit würde der jüdische Staat einen wesentlichen Beitrag zu Deutschlands Luftverteidigung leisten.

Das hätte sich 1957 niemand vorstellen können. Damals kämpfte der Staat praktisch jeden Tag ums Überleben – und ein junger Israeli namens Schimon Peres (der später den Friedensnobelpreis erhielt und Präsident wurde) bat als hochrangiger Vertreter seines Landes Verteidigungsminister Franz Josef Strauß in einem geheim gehaltenen Gespräch um deutsche Waffenhilfe. Der Rüstungsbeistand wurde gewährt, samt Finanzierung.

Diese Verteidigungskooperation ist längst über Parteigrenzen hinweg Staatsräson. Es gilt unausgesprochen der Satz von Ex-Kanzler Gerhard Schröder. Der hat es mal so formuliert: „Israel bekommt das, was es für die Aufrechterhaltung seiner Sicherheit braucht.“ Heute bekommt Deutschland das, was es zu seinem Schutz braucht – von Israel.

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