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90 Prozent der Anteile an der Modul University Vienna gehören nun Ungarn.

© picture alliance/dpa/Belga/Nicolas Maeterlinck

Kaderschmiede des Illiberalismus: Orbáns Denkfabrik wächst Richtung Europa

Die ungarische Denkfabrik MCC, vom Premier fürstlich ausgestattet, übernimmt jetzt auch eine Wiener Privatuni. Ziel, so meinen Kritiker: Die Herrschaft von Orbáns Partei und Politik auf Dauer zu sichern.

Von Matthias Meisner

Es ist der jüngste Coup von Viktor Orbáns Kaderschmiede: Das Mathias Corvinus Collegium Budapest (MCC) hat 90 Prozent der Anteile an der Modul University Vienna erworben, einer 15 Jahre alten Privatuniversität mit aktuell rund 1100 Studierenden und Standorten in Wien sowie im chinesischen Nanjing – und setzt so seine internationale Vernetzung fort.

Die Anteile an der Hochschule, die sich auf das Thema Tourismus spezialisiert hat, gehörten bisher einem britischen Unternehmen. Die Wirtschaftskammer Wien bleibt mit zehn Prozent Minderheitseigentümerin.

„Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart“, sagt auf Anfrage der Rektor der Modul University, Karl Wöber, der zugleich Vorsitzender der Konferenz der österreichischen Privatuniversitäten ist. Er schwärmt von dem Deal.

Kein böses Wort über Orbán

Er kenne das MCC „erst seit kurzer Zeit“, gibt er zu, in den Verhandlungen der vergangenen Wochen aber hätten verschiedene Personen auf ihn „stets einen sehr kompetenten und verlässlichen Eindruck“ gemacht. Der neue Mehrheitseigentümer trage „die Werte und Ziele unserer Privatuniversität mit“ und eröffne „uns neue Chancen für die Zukunft“.

Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart.

Karl Wöber, Rektor der Modul University

Auf ihrer Homepage schreibt die Wiener Privatuniversität, dass sich das MCC in den vergangenen 25 Jahren zu einem „angesehenen interdisziplinären Think Tank in der ungarischen und europäischen Wissenschaftslandschaft entwickelt“ habe. Über die europaskeptische und nationalistische Politik des Rechtspopulisten Orbán fällt kein böses Wort.

So oder ähnlich kein Einzelfall: Das finanziell bestens ausgestattete MCC zeigt sich großzügig. Und zum Dank äußern sich die begünstigten Partnerinstitutionen wohlwollend zu den politischen Verhältnissen in Ungarn. Auch die private Berliner Managementhochschule ESMT kooperiert seit kurzem mit der ungarischen Denkfabrik.

Man freue sich auf „jährlich zwanzig qualifizierte Bewerber aus Mittel- und Osteuropa“. Das MCC werde künftig im beratenden Beirat der Hochschule vertreten sein. Orbáns MCC wird auf der Website gerühmt als „führende Talentschmiede der Region“.

Balasz Orbán, der Vorsitzende der Trägerstiftung des MCC, nannte die „Übernahme der führenden Privatuniversität“ in Wien einen „neuen Meilenstein“ der internationalen Expansion. Der Fidesz-Parlamentarier ist nicht mit Viktor Orbán verwandt, aber dessen Politischer Direktor, in ähnlicher Funktion wie ein Stabschef. 

Bildungseinrichtung als Machtfaktor

Die Bildungseinrichtung ist seit 2020 ein Machtfaktor: Damals schusterte das ungarische Parlament der privaten MCC-Stiftung jeweils zehn Prozent der Anteile an der Ölgesellschaft MOL und dem Pharmakonzern Gedeon Richter zu. Dazu kamen wertvolle Gebäude in der Provinz sowie auch in den Nachbarländern mit ungarischen Minderheiten.

Das MCC erhebt den Anspruch, im gesamten Karpatenbecken aktiv zu sein, mithin jener Region vom östlichen Österreich bis in Teile Rumäniens und der Slowakei, die Ungarns Ministerpräsident Orbán als seinen Einflussbereich ansieht. Das Stiftungskapital liegt bei mehr als 1,5 Milliarden Euro – mehr als das Jahresbudget aller universitären Einrichtungen in Ungarn.

1,5
Milliarden Euro beträgt das Kapital der MCC-Stiftung

An der Nähe des MCC zu Orbáns Regierungspartei Fidesz, dem „Ungarischen Bürgerbund“, gibt es keine Zweifel. Der Budapester Journalist Zsolt Bogár sagt, Fidesz habe ein Netzwerk aus Denkfabriken und Forschungseinrichtungen aufgebaut, dessen selbsternannte „Experten“ helfen würden, die aktuellen politischen Narrative – beispielsweise in der Migrationspolitik - durchzusetzen.

Die Modul University in Wien hat sich auf Tourismus spezialisiert
Die Modul University in Wien hat sich auf Tourismus spezialisiert

© picture alliance/WirtschaftsBlatt/picturedesk.com/FOLTIN Jindrich

Das MCC solle in diesem Kontext mit einer elitären Fortbildung hochtalentierter Jugendlicher für Politik und Staatsdienst so viel Nachwuchs sichern, „dass Fidesz auch in 20 Jahren seine Macht behaupten kann“. Die stattliche Ausstattung des MCC kritisiert Bogár als „völlig ungerecht“, vor allem im Vergleich zur Finanzierung von Grund- und Mittelschulen und staatlichen Hochschulen wie der Eötvös-Loránd-Universität in Budapest.

Zusammenarbeit mit Deutschland hat besonderes Gewicht

Die Zusammenarbeit mit Deutschland hat für das MCC besonderes Gewicht. Der langjährige Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt, der auf einen konservativeren Kurs seiner CDU drängt, ist Ende 2022 zum Forschungsdirektor in der Brüsseler Dependance des MCC ernannt worden, nachdem er zuvor neun Monate lang MCC-Gastdozent in Budapest war.

Und schon vor zweieinhalb Jahren gründete das MCC das „Deutsch-Ungarische Institut für europäische Zusammenarbeit“. Dessen Direktor Bence Bauer, Träger des ungarischen Verdienstkreuzes in Gold, war zehn Jahre lang in leitender Stellung für die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) tätig.

Die selbsternannten „Experten“ helfen, die aktuellen politischen Narrative durchzusetzen.

Zsolt Bogár, Journalist in Budapest.

Das Auslandsbüro Ungarn der KAS, in Anspielung an den ultrakonservativen CDU/CSU-Zirkel von kritischen Beobachtern in Budapest auch „Auslandswerteunion“ genannt, bezeichnet sowohl das MCC als auch das Deutsch-Ungarische Institut als Partnerorganisationen.

Die KAS setzt ihre Kooperation fort, obwohl Fidesz im Frühjahr 2021 den Parteienverbund Europäische Volkspartei (EVP), zu dem auch CDU und CSU gehören, verlassen hat.

Ein „gegebenenfalls kritischer Dialog mit ausgewählten Akteuren der Regierungsparteien“ sei notwendig, sagt eine KAS-Sprecherin dem Tagesspiegel. Und besonders wichtig sei die Arbeit mit jungen Menschen – „wobei das MCC mit seinem über viele Jahre aufgebauten Netzwerk eine besonders große Reichweite in dieser Zielgruppe hat“.

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