zum Hauptinhalt
Andras Schäfer (rechts) mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban.

© Instagram/@orbanviktor

Besuch von Ungarns Regierungschef Viktor Orban: Die Haltung des 1. FC Union ist naiv und inkonsequent

Am Dienstag besuchte Viktor Orban Unions ungarischen Nationalspieler Andras Schäfer im Stadion. Ein „privates“ Treffen, sagt der Verein, doch das öffentliche Bild ist ein anderes.

Ein Kommentar von Julian Graeber

Die Aufregung wäre vermutlich deutlich kleiner oder nicht existent gewesen, wenn Norwegens Regierungschef Jonas Gahr Støre am Dienstagmittag, begleitet von einer Polizeieskorte, am Stadion des 1. FC Union vorgefahren wäre, um seine Landsmänner Julian Ryerson und Morten Thorsby bei ihrem Arbeitgeber zu besuchen. Doch es war kein norwegischer Sozialdemokrat, der den Glanz des Fußballs für seine eigenen Zwecke zu nutzen versuchte, sondern Viktor Orban.

Der ungarische Autokrat schränkt in seiner Heimat seit Jahren systematisch Menschenrechte und Pressefreiheit ein, diskriminiert Minderheiten und ist mit rechtsnational nur unzutreffend kategorisiert. Vor einem Monat sprach das EU-Parlament Ungarn sogar den Demokratie-Status ab. Eben jener Orban setzte sich in einer Loge des Stadions An der Alten Försterei mit Unions ungarischem Nationalspieler Andras Schäfer zusammen. 

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Der Tabellenführer der Fußball-Bundesliga sprach von einem „privaten“ Treffen, schließlich hat der 1. FC Union oft genug betont, dass Politik schon laut Satzung bei ihm im Stadion nichts zu suchen hat. Doch einmal abgesehen von der Frage, ob es nicht selbstverständlich sein sollte, einen Autokraten wie Orban abzulehnen, der sehr viele Werte unserer Gesellschaft mit Füßen tritt, und diesem keine Bühne zu geben, ist Unions Haltung in diesem Fall inkonsequent und die Argumentation naiv.

Dass die handelnden Personen bei Union mit ziemlicher Sicherheit keine sonderlichen Sympathien für Orbans Politik haben, dürfte angesichts der vielen Aktionen von Verein sowie Stiftung für ein soziales und vielfältiges Miteinander außer Frage stehen. Dass es sich nicht um einen offiziellen Empfang für Orban handelte, ist ebenfalls richtig.

Doch „privat“ war das Treffen definitiv nicht. Mit Schäfer und Orban im Raum saßen auch der Technische Direktor der Profiabteilung, Michael Parensen, und Christian Arbeit. Unions Geschäftsführer Kommunikation begründete dies am Mittwoch damit, dass man Orban und den Spieler nur in die Loge begleitet habe. Dass das Treffen im Stadion stattfand, sei eine Bitte der ungarischen Botschaft gewesen, da es organisatorisch nicht anders möglich gewesen wäre.

Union habe der Anfrage „auch aus Respekt vor dem Amt des Ministerpräsidenten“ entsprochen. In vielen anderen Institutionen sei Orban bei seiner aktuellen Berlin-Reise offiziell empfangen worden, „bei uns nicht“, betonte Arbeit.

Der Eindruck, den der Besuch hinterlässt, ist jedoch ein ganz anderer. Auf Orbans Kanälen in den Sozialen Medien ist nicht nur der Ministerpräsident mit dem Nationalspieler zu erkennen, sondern auch das Stadion, das Vereinslogo. Privat sah das alles nicht aus. Das kritisierten auch viele Union-Anhänger auf Twitter, in Fanforen und im Blog „Textilvergehen“.

Am Ende des kurzen Treffens unterschrieb Schäfer, natürlich im Video perfekt inszeniert, ein Union-Trikot für Orban. Das ist nicht verboten und der 23 Jahre junge Mittelfeldspieler befand sich ohnehin in einer schwierigen Situation. „Wenn ich mir anschaue, wie viel negatives Feedback Peter Gulacsi bekommen hat, nur weil er sich für etwas eingesetzt hat, ist es schon schwierig“, sagte Schäfer dem Tagesspiegel Anfang September in einem Interview auf die Frage, ob es als ungarischer Fußballer schwierig sei, über Politik zu sprechen. Leipzigs Torwart Gulacsi, der auch die Nummer eins in der Nationalmannschaft ist, hatte im vergangenen Jahr die homofeindliche Kritik in seiner Heimat kritisiert. Der Druck ist groß auf Profisportler in Ungarn. 

Von Union hätte man allerdings mehr Mut erwarten dürfen. Denn wenn Politik im Stadion nichts zu suchen hat, dann gilt das auch für Promobesuche von Politikern. Das wäre übrigens im Fall von Norwegens Jonas Gahr Støre nicht anders gewesen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false