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Ein Afghane kauft eine Taliban-Flagge in Kabul.

© AFP/Wakil Kohsar

Der schwierige Umgang mit den Taliban: Die Politik der Isolation ist gescheitert

Am 15. August jährt sich die Machtübernahme der Taliban zum zweiten Mal. Es ist Zeit für eine neue Strategie im Umgang mit dem Regime in Kabul – mit Formen des Dialogs, die den Taliban keine Bühne bieten.

Ein Kommentar von Anja Wehler-Schöck

Die Taliban haben Fakten geschaffen. Trotz ihres weltweiten Paria-Status regieren sie Afghanistan. Kein Land hat sie bislang als die legitime afghanische Regierung anerkannt. Afghanistans Sitz bei den Vereinten Nationen ist leer. Auch zwei Jahre nach der Machtübernahme hat die internationale Gemeinschaft noch keinen Weg gefunden, mit den Taliban umzugehen.

Das Regime in Kabul bleibt isoliert, und das Land steckt in einer schweren Krise. Um zu überleben, benötigt mehr als die Hälfte der Bevölkerung humanitäre Hilfe. Politische Verfolgung ist an der Tagesordnung. Von Freiheitsrechten keine Spur.

Frauen und Mädchen sind vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Der Zugang zu Bildung und Arbeit bleibt ihnen weitgehend verwehrt. Ein System der Geschlechterapartheid.

Große Versprechen hatten Deutschland und seine Partner 2021 gemacht, als der zwanzigjährige Afghanistan-Einsatz endgültig gescheitert war. „Wir werden unsere Verbündeten nicht zurücklassen“, versicherte die Ampel im Koalitionsvertrag.

Insbesondere die sollten geschützt werden, „die der Bundesrepublik Deutschland im Ausland als Partner zur Seite standen und sich für Demokratie und gesellschaftliche Weiterentwicklung eingesetzt haben“.

Schon wird ein Aufnahmestopp für Afghanen gefordert

Und es ist durchaus etwas geschehen. Mehr als 30.000 Menschen, darunter viele Ortskräfte und ihre Angehörigen, sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums in den vergangenen zwei Jahren nach Deutschland gekommen. Trotzdem ist das deutlich weniger als das, was in Aussicht gestellt wurde.

Noch immer warten viele Ortskräfte und Unterstützer der westlichen Allianz in Afghanistan auf Hilfe und Ausreise. Und noch während in Berlin eine Enquetekommission die Lehren aus dem Afghanistaneinsatz prüft, mehren sich aus den Reihen der Union schon die Stimmen, die einen Aufnahmestopp für Afghanen fordern.

Nach der Machtübernahme der Taliban 2021 wollte die internationale Gemeinschaft ein starkes Signal senden: die Putschisten ächten und isolieren. Verständlich, dass man mit den Taliban und ihrer menschenverachtenden Ideologie am besten gar nichts zu tun haben möchte.

Doch eigentlich wusste man es besser. Denn bereits nach der Intervention 2001 hatte sich die westliche Allianz wichtige Wege verbaut, indem sie die Taliban ausgrenzte. Und dennoch wollte man es zwanzig Jahre später erneut versuchen.

Aber spätestens jetzt ist der Moment gekommen, sich einzugestehen, dass die internationale Gemeinschaft mit dieser Strategie gescheitert ist. Weder ist es gelungen, die Frauenrechte in Afghanistan zu stärken, noch eine inklusivere Zusammensetzung der Regierung zu erwirken. Das Taliban-Regime sitzt fest im Sattel und gibt keinen Zentimeter nach.

Daran ändern auch die weitere Isolierung oder eine Verschärfung des Drucks nichts. Es wird kein plötzliches Einlenken geben, keine Einsicht. Im Gegenteil: Die Taliban werden in einer Trotzreaktion nur umso verbissener an ihren Überzeugungen festhalten.

Wiederaufnahme eines regelmäßigen Austauschs

Die vollständige Isolierung der Taliban muss daher beendet werden. Nun gilt es, informelle Formate zu finden, um zu konkreten Themen miteinander zu sprechen. Die Schwierigkeit: Und zwar ohne den Taliban dabei eine Bühne zu bieten. Ohne durch Mitgliedschaften ihre Anerkennung zu suggerieren. Und ohne eine schleichende Normalisierung ihrer menschenverachtenden Politik zuzulassen.

Vorrangig ist der Kampf gegen die humanitäre Katastrophe. Denn die afghanische Bevölkerung leidet enorm. Ein weiterer wichtiger Aspekt: Afghanistan hat in der Region eine Schlüsselposition. Ob es um die Abstimmung von Wassernutzung mit Iran oder die Bekämpfung von Terrorismus mit Pakistan geht: Wenn das Taliban-Regime in diesen Fragen weiterhin nur sehr eingeschränkt handlungsfähig bleibt, kann das schwerwiegende Folgen haben.

Deshalb sollte sich die Bundesregierung für die Wiederaufnahme eines regelmäßigen Austauschs mit Afghanistan und den umliegenden Staaten einsetzen.

Damit eine werteorientierte Außenpolitik nicht wertlos wird, muss sie realistisch und pragmatisch sein. In diesem Sinne ist es ein guter Vorstoß, dass im Oktober ehemalige afghanische und deutsche Diplomaten in Berlin zu einem informellen Dialog zusammentreffen wollen, an dem auch Vertreter der Taliban teilnehmen sollen. Das kann für Deutschland ein erster richtungweisender Schritt sein.

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