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Iris Spranger (SPD), Senatorin für inneres und Sport in Berlin.

© IMAGO/Metodi Popow

„Mit gesundem Menschenverstand nicht zu erklären“: Scharfe Kritik an Sparplänen der Berliner Innensenatorin

Der Berliner Senat muss sparen. Jetzt legte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) erste Ideen für ihr Ressort vor. Bei Gewerkschaften und Opposition ist das Entsetzen groß.

Gewerkschaften und Opposition haben mit scharfer Kritik auf die Sparpläne von Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) reagiert, selbst in der Koalition gibt es Irritationen. Spranger muss 62 Millionen Euro bei Investitionen und Sachkosten streichen, weil das Abgeordnetenhaus im Dezember einen völlig überzeichneten Haushalt verabschiedet hat. Bei der Polizei sollen in diesem Jahr 20 Millionen Euro wegfallen, bei der Feuerwehr 10 Millionen Euro.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht keinen Raum für Einsparungen. Sprangers Pläne „wären der Gnadenstoß für die innere Sicherheit unserer Hauptstadt“, es handle sich um eine „wahnsinnige Einsparforderung“, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro.

Konkret kritisierte er Überlegungen, Bodycams und neue Einsatzwagen später zu kaufen oder beim Kriminaltechnischen Institut (KTI) zu sparen. „Wir brauchen die flächendeckende Bodycam zum Schutz unserer Kollegen und zur Kriminalitätsbekämpfung“, sagte der GdP-Sprecher. „Der Fuhrpark hat mitunter mehr Jahre auf dem Buckel als die Kollegen, die am Steuer sitzen, wenn man denn überhaupt noch etwas findet, mit dem man herausfahren kann.“ Und: „Wenn wir nicht in die Geräte beim KTI investieren, können wir den Laden dichtmachen.“

Der Fuhrpark hat mitunter mehr Jahre auf dem Buckel als die Kollegen, die am Steuer sitzen.

Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin

Die Deutsche Polizei-Gewerkschaft (DPolG) resümierte die Lage: „Die Einsatzzahlen schnellen in die Höhe, die Kriminalitätsrate steigt, offene Terrordrohungen im Zusammenhang mit der Fußball–Europameisterschaft.“ DPolG-Landeschef Bodo Pfalzgraf sagte: „Während sich die Polizei angesichts dieser prekären Sicherheitslage für das kommende Großereignis rüstet, faselt der Senat über Einsparungen.“ Das sei grob fahrlässig, inakzeptabel und „ein Schlag ins Gesicht“ der Polizisten. Die aktuellen Ausgaben seien nur ein Mindestmaß, um den Status quo zu halten.

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Jörn Badendick vom Berufsverband „Unabhängige“ kritisierte, dass Einnahmepotenziale nicht genutzt werden. „Die eingesparten 30 Millionen bei Polizei und Feuerwehr hätten problemlos von der personell unterbesetzten Bußgeldstelle erwirtschaftet werden können“, sagte er. Gleichzeitig leiste sich Berlin bei einem Sanierungsstau von 1,8 Milliarden Euro bei der Polizei unnötige Wahlgeschenke wie das 29-Euro-Ticket. „Der Senat hat seine Hausaufgaben nicht gemacht.“

Massive Kritik am 29-Euro-Ticket

Auch die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft (DFeuG) kritisierte, dass sich Berlin trotz Deutschlandticket für bis zu 350 Millionen Euro pro Jahr ein 29-Euro-Ticket leistet. „Das unsägliche Herzensprojekt der Sozialdemokraten verschlingt fast genauso viel Geld wie die komplette Berliner Feuerwehr im Jahr kostet“, sagte DFeuG-Sprecher Manuel Barth.

„Daran festzuhalten und gleichzeitig die Leistungsfähigkeit der Feuerwehr zu gefährden und einzuschränken, ist mit gesundem Menschenverstand nicht mehr zu erklären.“ Die DFeuG habe den Doppelhaushalt 2024/25 mit Skepsis betrachtet. „Ob Titel für Kraftstoffe, Neuanschaffungen oder Schutzkleidung – der spitze Stift war erkennbar“, sagte Barth.

Grünen-Innenexperte Vasili Franco zeigte sich erschüttert. „Der eigentliche Skandal ist doch, dass die Senatorin als Abgeordnete selbst einen Haushalt mitbeschlossen hat, der der Realität nicht standhält“, sagte Franco. „Die selbstgeschaffenen Sparzwänge sind keine Überraschung. Sehenden Auges hat sie sich in diese Lage manövriert. Auch ihre jetzigen Vorschläge lassen Haushaltswahrheit und -klarheit vermissen.“ Generell hält Franco das Vorgehen der Koalition für falsch. „Seit Jahresbeginn lässt Schwarz-Rot wegen ungedeckter Schecks im Haushalt die Stadt in einem Schwebezustand der Ungewissheit. Für die Sicherheit Berlins ist das kein gutes Zeichen.“

Linke-Innenexperte Niklas Schrader sagte: „Nachdem die Innensenatorin noch getönt hatte, in ihrem Ressort könne nichts eingespart werden, soll es jetzt offenbar doch gehen. Damit wird erneut klar: Die Koalition hat Versprechen gegeben, die sie nicht halten kann.“ Nötig sei eine parlamentarische Debatte. Sprangers „intransparentes Hickhack“ sei unerträglich. Viele Fragen seien noch offen, etwa zu den Investitionen in die Gebäude.

Die CDU hielt sich bedeckt. Dem Vernehmen nach gab es aber Irritationen, weil Spranger Teile ihre Sparvorschläge publik gemacht hat, bevor die Koalition bei einem Auftaktgespräch darüber berät.

SPD-Innenexperte Martin Matz erinnerte an die Schwerpunkte der Koalition. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) habe gesagt, dass Bildung und Inneres besonders wichtig seien. „Das ist bei den Sparvorgaben ins komplette Gegenteil gekehrt worden“, sagte Matz. „Ausgerechnet aus den Ressorts Bildung und Inneres wurden schon vorab 50 Millionen Euro abgezogen für Stellen, die noch nicht besetzt sind.“ Obendrauf müssten nun beide großen Ressorts wie andere auch zwei Prozent einsparen.

Wenn, wie bislang geplant, im Jahr 2025 erneut eine Sparrunde mit bis zu acht Prozent pro Ressort komme, „muss man politisch Prioritäten suchen“, sagte Matz. „Klar sein muss, dass auch dann keine Stellen im Vollzug und bei den Spezialisten gekürzt werden.“

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