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Das Grab von Max Friedlaender auf dem Stahnsdorfer Friedhof.

© Jens Kalaene/dpa

Nach Neonazi-Bestattung: Kirche will Grabstein von jüdischem Wissenschaftler versetzen

Ein Neonazi, der im Grab Max Friedlaenders bestattet wurde, darf nicht umgebettet werden. Nun richtet die Kirche für den Wissenschaftler einen Gedenkort ein.

Es war eine der peinlichsten Situationen in der jüngeren Geschichte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO): Ein Neonazi wurde im Grab des jüdischstämmigen Musikwissenschaftlers Max Friedlaender auf dem Waldfriedhof von Stahnsdorf bei Berlin bestattet.

Doch eine Umbettung des Rechtsextremisten wäre eine Störung der Totenruhe gewesen. Lange überlegte die Kirche, wie es mit der verfahrenen Situation umgehen sollte: Am Freitag nun gab Bischof Christian Stäblein eine Entscheidung bekannt.

Im Gespräch mit Nachfahren von Friedlaender habe man sich entschieden, den Grabstein des Musikwissenschaftlers – seine sterblichen Überreste befinden sich ohnehin nicht mehr in dem Grab – an einem anderen Ort des Friedhofs neu aufzustellen. Zudem habe man das Potsdamer „Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien“ (MMZ) mit der Aufarbeitung des Lebens Friedlaenders beauftragt.

„Mit der Neuaufstellung des Grabsteins an zentraler Stelle auf dem Kirchhof wollen wir ein ehrendes Gedenken für Max Friedlaender bewahren“, sagte Stäblein. „In Zukunft soll ein Gedenkort mit Stele sein Leben und Werk würdigen.“ Er sei für das klare Votum der Erben des Musikwissenschaftlers, der aus einer jüdischen Familie stammte, aber dann in die evangelische Kirche eintrat, sehr dankbar. „Mit ihnen haben wir entschieden, dass wir von einer Urnenumbettung absehen.“

Friedlaender forschte etwa zu Franz Schubert

Der Grabstein werde zurzeit für seinen neuen zentralen Standort aufgearbeitet. Wie es in einem von den Nachfahren Friedlaenders veröffentlichten Statement heißt, soll mit dem neuen Gedenkort vor allem Friedlaenders bedeutende Leistung als Musikwissenschaftler gewürdigt werden. Er habe etwa das Leben von Franz Schubert erforscht.

[Lesen Sie mehr bei Tagesspiegel Plus: "Aus der Geschichte getilgt": Neonazi im Grab eines jüdischen Wissenschaftlers beerdigt.]

Laut der Enzyklopädie „Musik in Geschichte und Gegenwart“ gab Max Friedlaender aber auch ein „Kriegsliederbuch für das deutsche Heer" heraus, hielt im Ersten Weltkrieg Vorträge für deutsche Soldaten an der Front und publizierte 1918 ein Liederbuch für deutsche Kriegsgefangene.

Es solle auch für seine 1943 in Auschwitz ermordete Nichte Käte Friedlaender, die ebenfalls evangelisch-lutherischen Glaubens war, ein Stolperstein verlegt werden, teilten die Angehörigen Friedlaenders mit. Dies geschehe „zum Gedächtnis und zur Mahnung gegen das Wegsehen, gegen Ignoranz, Ausgrenzung, Menschenverachtung, Hass und Gewalt.“

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