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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Anfang September bei einem Bürgerdialog in Essen.

© Foto: dpa/Oliver Berg

Update

„Hier wird noch lange Öl verarbeitet werden“: Scholz sieht Zukunft für Raffinerie im brandenburgischen Schwedt

Der Bund entzieht Rosneft die Kontrolle über die PCK-Raffinerie und verbreitet Zuversicht für das Unternehmen. Lob kommt von der Gewerkschaft, Kritik von der CDU.

| Update:

Bundeskanzler Olaf Scholz sieht für die PCK-Raffinerie in Schwedt gute Perspektiven. Das machte der SPD-Politiker am Freitagabend bei einer Belegschaftsversammlung in der brandenburgischen Stadt deutlich. Zuvor hatte die Bundesregierung angekündigt, die Mehrheitseigner der PCK-Raffinerie - zwei Töchter des russischen Staatskonzerns Rosneft - unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur und damit unter staatliche Kontrolle zu bringen. Das will Rosneft aber nicht hinnehmen.

Scholz, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatten das Maßnahmenpaket am Freitag in Berlin erläutert. Der Kanzler kündigte im Rahmen eines Zukunftspakets eine Milliarde Euro an Investitionen an. Der Standort und die Arbeitsplätze seien damit gesichert. Niemand in der PCK-Raffinerie müsse sich um seinen Arbeitsplatz Sorgen machen.

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Am Rande der Belegschaftsversammlung in Schwedt sagte Scholz, das Unternehmen habe eine lange Tradition, die mit vielen Geschichten verbunden sei. „Deshalb ist die Botschaft von heute: Es wird auch noch eine Zeit für die Zukunft geben. Hier wird noch lange Öl verarbeitet werden“, sagte Scholz. Aber auch mit Blick auf die Entwicklung hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft werde es hier Arbeit geben, „die dem entspricht, was es bisher gegeben hat. Das ist eine wichtige Botschaft“. Auch Woidke und Habecks Staatssekretär Michael Kellner waren am Freitagabend in Schwedt vor Ort.

CDU-Abgeordneter: „Politische Fehlentscheidung“

Schwedts Bürgermeisterin Annekathrin Hoppe (SPD) sagte am Rande der Versammlung, es sei nun eine lange Phase der Unsicherheit für die Beschäftigten und auch die Bevölkerung von Schwedt beendet. Die Entscheidung sei ein Weg in die richtige Richtung.

Kritik ist aus der CDU zu hören. „Für mich ist das eine politische Fehlentscheidung mit unkalkulierbaren Folgen“, schrieb der brandenburgische CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Koeppen, der seinen Wahlkreis dort in der Uckermark hat, bei Facebook. „Es ist absolut absurd, den Menschen vorzumachen, dass wir ohne russische Energieimporte in den kommenden fünf Jahren eine sichere und bezahlbare Energieversorgung in Deutschland haben werden.“

Brandenburgs Wirtschaftsminister: Voraussetzung für Erhalt

Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sieht die staatliche Kontrolle der Mehrheitseigner der PCK-Raffinerie als Grundlage für einen Erhalt, aber noch nicht als Garantie dafür. „Mit der Treuhandschaft wird die Voraussetzung geschaffen, die notwendigen Schritte zum Erhalt der PCK-Raffinerie gehen zu können“, sagte Steinbach der Deutschen Presse-Agentur. „Ohne sie wäre das nicht möglich gewesen, mit ihr schafft der Bund die notwendige Handlungsfreiheit.“ Er betonte aber auch: „Nun kommt es auf eine erfolgreiche Umsetzung an.“

Der Wirtschaftsminister hatte gemeinsam mit Finanzministerin Katrin Lange in mehreren Briefen an Habeck den Druck auf den Bund erhöht. Beide forderten eine schriftliche Beschäftigungsgarantie für die Raffinerie, eine Bestätigung zur Ertüchtigung der Pipeline und zur Bereitstellung benötigter alternativer Ölkapazitäten sowie genug Mittel für den klimafreundlichen Umbau der Region Schwedt. „Die gemeinsame Erklärung enthält die geforderten schriftlichen Zusagen“, sagte Steinbach. „Sie war ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung.“

Rosneft kündigt juristische Schritte an

PCK hat rund 1200 Mitarbeiter und ist eine wirtschaftliche Säule der Region um Schwedt. Die Raffinerie versorgt große Teile des Nordostens mit Treibstoff. Hintergrund der Treuhandverwaltung ist das Ölembargo gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs, das am 1. Januar greift. Deutschland hat sich auf EU-Ebene verpflichtet, auch auf russisches Pipeline-Öl zu verzichten. PCK wird bisher über die Druschba-Pipeline mit russischem Öl beliefert. Alternativ soll unter anderem Öl aus Rostock kommend in Schwedt verarbeitet werden.

Rosneft warf der Bundesregierung eine „Zwangsenteignung“ seiner deutschen Tochterfirmen vor. Das Unternehmen sprach in einer Mitteilung am Freitagabend in Moskau von einem „illegalen“ Zugriff auf sein Vermögen und kündigte an, zum Schutz seiner Aktiva vor Gericht gegen die Maßnahme der Bundesregierung vorzugehen. „Rosneft sieht darin eine Verletzung aller grundlegenden Prinzipien der Marktwirtschaft, der zivilisierten Grundlagen einer modernen Gesellschaft, die auf dem Prinzip der Unantastbarkeit von Privateigentum aufbaut“, hieß es in der Stellungnahme.

Der Konzern betonte, dass er zu jeder Zeit seine Verpflichtungen erfüllt habe. Es seien auch weitere Investitionen und Projekte geplant gewesen. Die bisherigen Investitionen in Deutschland bezifferte der Konzern auf 4,6 Milliarden Euro.

Zugleich machte Rosneft deutlich, durch die Entscheidung aus Berlin nun keine Möglichkeit mehr zu haben, „die industrielle und ökologische Sicherheit des Werkes zu gewährleisten“. Der Konzern sei aber auch bereit, einen möglichen neuen Vertrag auszuhandeln - unter der Bedingung, dass es eine Garantie gebe für die Bezahlung der Öllieferungen, für die Investitionen und die Rechte der Beschäftigten des Unternehmens.

Gewerkschaft lobt Job-Zusage, aber sieht Unwägbarkeiten

Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) reagierte zufrieden auf die Entscheidung zur Ölraffinerie PCK in Schwedt und die vom Bund angekündigten Hilfen. Es gebe die klare Zusage, dass kein Beschäftigter seinen Job verlieren und niemand weniger Geld verdienen werde, sagte der Bezirksleiter der IG BCE Berlin-Mark Brandenburg, Rolf Erler, am Samstag im Inforadio des RBB. Allerdings seien mit den Plänen für die Raffinerie auch Unwägbarkeiten verbunden. Damit bezog sich Erler auf die Ankündigung einer Klage von Rosneft

Der SPD-Politiker Carsten Schneider ist seit Dezember 2021 Ostbeauftragter der Bundesregierung.

© Foto: imago images/Christian Spicker

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, sagte, mit Rosneft habe es am Standort keine Fortschritte mehr gegeben. Geschäftspartner hätten sich zurückgezogen, Rosneft habe andererseits große, brach liegende Areale nicht für andere Investoren freigegeben, sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag). Mit der Entscheidung des Bundes sieht er nun eine Perspektive für Schwedt. „Ich wage sogar die Prognose, dass es in Schwedt in einigen Jahren deutlich mehr Arbeitsplätze als heute geben wird“, sagte er. Auf die Frage, ob er den Mitarbeitern guten Gewissens sagen könne, dass sie eine berufliche Zukunft haben, antwortete der Ostbeauftragte: „Definitiv ja!“.

Die Kontrolle des Bundes über eine Treuhandverwaltung ist zunächst auf sechs Monate befristet. Woidke ging im ZDF-„heute journal“ am Freitagabend davon aus, dass der Bund hier für „längere Zeit“ die Kontrolle übernimmt. Die Entscheidung sei richtig gewesen, sie eröffne dem Standort Perspektiven. Nun könne hier investiert werden. Brandenburgs Ministerpräsident warnte davor, die Rolle von Schwedt zu „verniedlichen“. Die PCK-Raffinerie sei systemrelevant für ganz Deutschland.

Die „Wirtschaftsweise“ Veronika Grimm findet die Übernahme der Kontrolle bei der deutschen Rosneft-Gruppe durch den Bund sinnvoll, um den Weiterbetrieb der Raffinerie zu sichern. Zugleich wies Grimm in der „Rheinischen Post“ aber auf Unsicherheiten für die künftige Ölversorgung bei der großen Raffinerie hin. Die Anbindung über Rostock könne die benötigen Mengen nicht kurzfristig erbringen. Es wären auch Lieferungen über polnische Häfen notwendig. Es sei unklar, ob die Treuhandverwaltung ausreiche, um Polen zu überzeugen, Öllieferungen über polnische Häfen zuzulassen. (dpa)

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