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Sensibles Gefährt. Der ISIS-Messwagen wird bei Tunnelbauarbeiten eingesetzt, um Störzonen aufzuspüren.

© Andreas Klaer

WISSENSCHAFTSNACHT IN POTSDAM: Schwerpunkte in Golm und auf dem Telegrafenberg Echos am Berg

Neben dem Telegrafenberg wird in diesem Jahr auch der Uni-Campus Golm zur Langen Nacht bespielt

Mit einem Rockkonzert startet die Universität Potsdam am 13. Juni auf dem Campus Golm (Karl-Liebknecht-Str. 24-25) erstmals in die Lange Nacht der Wissenschaften: auf der Großen und Kleinen Bühne ab 18 Uhr sowie in zehn „Themenhäusern“ ab 17 Uhr. Ausgewählte Höhepunkte:

DDR-Rockmusik zwischen Anpassung und Aufbegehren – Suse Jank und Band, Große Bühne 18, 20 Uhr.

Computerspielforschung an der Universität Potsdam,Haus der Medien, Raum 0.05 .

Literaturbühne ''90

Studierende der Universität Potsdam und Mitglieder der Literaturbühne ''90 lesen, Haus der Muse, Raum 1.01.

Comics als Kulturphänomen, Haus der Kognitionswissenschaften (1), bis 20 Uhr, Raum 0.24.

Militär und Gewalt in der Geschichte, Haus der Geisteswissenschaften (2), Foyer.

Spektakuläre chemische Experimente zum Mitmachen für die ganze Familie , Haus der Geo- und Lebenswissenschaften, 19, 20 Uhr, Raum F 1.01.

Bereits zum neunten Mal ist der Telegrafenberg Potsdam mit dabei. Ausgewählte Höhepunkte:

Der Klimawandel: Steigt der Meeresspiegel schneller? 20 Uhr Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) Michelson-Haus A31.

Himmelsbeobachtung im Großen Refraktor, nach Einbruch der Dunkelheit, Astrophysikalisches Institut Potsdam,

A 27, Kuppelraum.

Polarforschung in Potsdam, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Telegrafenberg A 45.

Tunnelbau und seismische Erkundung im Untergrund (siehe Text), GeoForschungsZentrum (GFZ) , vor Gebäude A 14.

Dr. Pohls Geotheater: "Die Zeitreise" für kleine Zuschauer unter 10 Jahren, 17.15, 18.15 Uhr, GFZ , Haus H.

Das Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean, 18, 20, 22 Uhr, GFZ, Haus H.

Im Internet: LangeNachtDerWissenschaften.de

Wer kennt das nicht, dieses beklommene Gefühl beim Durchfahren eines kilometerlangen Tunnels. Nicht nur der Gegenverkehr erzeugt ein flaues Gefühl in der Magengegend. Auch die Vorstellung, irgendwo in der Mitte des Tunnels könnten Millionen Kubikmeter Berggeröll plötzlich durch die Tunneldecke drücken. In einem fertigen Tunnel ist das zum Glück recht unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher ist eine solche Gefahr allerdings für die Geologen und Bautrupps, die sich mit riesigen Bohrmaschinen beim Bau eines Straßentunnels durch den Berg wühlen.

Damit die Arbeiter unter Tage nicht doch einmal eine unbekannte Wasserader anbohren, haben die Forscher des GeoForschungsZentrums Potsdam (GFZ) eine Art Mondauto entwickelt, das mit hochsensiblen seismischen Geräten sozusagen den Berg unter Tage vorerkundet. Bis zu 100 Meter weit kann das ISIS (Integrierte Seismische Imaging System) in den Berg schauen, dazu sendet es Schallsignale aus, die durch das Gestein laufen. Aus der Verteilung und Geschwindigkeitsänderung dieser Wellen lassen sich die geologischen Strukturen im Untergrund abbilden. Wie ein Sonar kann das Gefährt so Störzonen aufspüren, ungünstige geologische Formationen, die zu gefährlichen Wasser- oder Gerölleinbrüchen führen könnten.

GFZ-Chef Reinhard F.J. Hüttl ist sichtlich stolz auf das ISIS. Zur Langen Nacht der Wissenschaft am kommenden Samstag wird das Gefährt auf dem Potsdamer Telegrafenberg zu erleben sein. Zur Feier des Tages wird ISIS über Tage arbeiten und dabei den Boden des Telegrafenberges mit Beethovens 9. Sinfonie durchleuchten. Natürlich nur ein Show-Effekt für die Besucher, beim echten Einsatz liefert ein quietschender Piepton die besten Ergebnisse. Die Entwicklung ist wichtig für die großen Tunnelprojekte der Welt, denn dort fressen sich 400 Meter große und bis zu 100 Millionen Euro teure Bohrmaschinen durch das Gestein. Durch die Hilfe des ISIS können die Kolosse permanent weiter Bohren, ohne die Arbeiten wegen möglicher Gefahrenquellen unterbrechen zu müssen – auch ein hoher Kostenfaktor.

Prof. Hüttl nennt als Beispiel den Gotthard Basistunnel, das größte Tunnelprojekt, das die Menschheit je in Angriff genommen hat. „Unsere Entwicklung ist hier sehr wichtig, sie kann nicht nur im Vorfeld schon Leben retten, sondern auch einen zügigen Arbeitsprozess garantieren.“ Besonders gefährlich sei der Zucker-Dolomit, als „zuckerartig“ bezeichnetes Dolomitgestein, das stark wasserhaltig ist und im Bereich des Basisstollens einen Wasserdruck von 130 bar besitzt – 1300 Tonnen je Quadratmeter. „Wenn man ohne Wissen eine 2000 Meter hohe Säule davon anbohrt, kommt es zur Katastrophe“, so Hüttl. Dem kann man nun aber mit Hilfe von Beethovens 9. vorbeugen.

Das GFZ mit den anderen Instituten auf dem Telegrafenberg ist bereits das neunte Mal bei der Langen Nacht der Wissenschaft mit dabei. Zum ersten Mal wird sich in diesem Jahr die Universität Potsdam bei der „klügsten Nacht des Jahres“ präsentieren. Die Uni geht die Sache erst einmal recht unakademisch an. Mit einem Rockkonzert auf dem Campus Golm startet man in die lange Nacht. Was aber nur auf den ersten Blick nichts mit Forschung zu tun hat. Denn Suse Jank und Band werden mit „DDR-Rockmusik zwischen Anpassung und Aufklärung“ ein Konzert zum gleichnamigen Forschungsprojekt des Instituts für Musik und Musikpädagogik geben. In die Welt der Forschung können sich die Besucher dann in zehn „Themenhäusern“ begeben, in denen Vorträge und Experimente, Filme und Ausstellungen Einblick in den akademischen Alltag geben. Ein ganz besonderen Blick wagen dabei die Historiker und klassischen Philologen im „Haus der Muse“ (ab 20 Uhr). Sie versuchen mit Wein, Gelage und schönen Künsten ein römisches Symposium nachzustellen.

Auf dem Telegrafenberg, den via Hauptbahnhof mit Golm ein Shuttle verbindet, wird dann weiter in die Nacht geforscht, unter anderem mit handgemachten Erdbeben und Eruptionen, Klimaforschung am Baum, Himmelsbeobachtungen und einer Simulation des Erdinneren. Wer dann noch Kapazitäten hat, kann mit der S-Bahn nach Berlin weiterfahren, wo schnell einer der nächsten 13 Shuttle-Busse erreicht ist, der mit den restlichen der insgesamt 67 beteiligten Forschungseinrichtungen verbindet. Über 2000 Veranstaltungen, rund 10 000 Mitarbeiter, 45 Busse und bis zu 40 000 erwartete Gäste lauten die Superlative dieser langen, sehr sehr langen Nacht der Forscher.

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