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Homepage: Die Welt neu vermessen

17 Institute und Hochschulen besiegelten gestern eine Forschungsplattform zum Klimawandel

Wenn Pflanzen durch den Klimawandel in Stress geraten, könnte das für die Umwelt gravierende Folgen habe. Abhilfe schaffen wollen nun die Pflanzengenetiker des Max-Planck-Instituts für molekulare Pflanzenphysiologie in Golm mit einem Forschungsprojekt. Ein anderes Vorhaben der Forscher beschäftigt sich mit der Speicherung von Kohlendioxid in Pflanzen. Nicht weit von dem Institut entfernt wird derzeit am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung ein Verfahren entwickelt, das aus Bioabfall hochwertige Kohle macht. Zugleich macht man sich am GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) Gedanken über Kohlendioxid-Lagerung unter der Erde sowie die Nutzung der Geothermie. Am Zentrum für Agrarlandforschung in Müncheberg wird die Anpassung des Landbaus an die globale Erwärmung erforscht.

Das Potenzial von Instituten und Hochschulen, die in der Region Berlin-Brandenburg zu Themen des Klimawandels und -schutzes im weitesten Sinne arbeiten, ist enorm groß. So groß, dass das Brandeburger Wissenschaftsministerium eine Forschungsplattform Klimawandel Ende 2007 ins Leben gerufen hatte (PNN berichteten). Gestern wurde eine Absichtserklärung für das landesweite Netzwerk am GFZ unterzeichnet. 17 Institute und Hochschulen schlossen sich dem Vorhaben an, allein neun davon aus Potsdam, aus Berlin vorerst nur ein Institut. Natürlich sind die großen Häuser dabei federführend: das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und das GFZ. Aber auch die Gewässerökologen aus Berlin oder das Institut für Gemüse- und Zierpflanzenanbau aus Großbeeren sind dabei, der Deutsche Wetterdienst schloss sich in letzter Minute noch an.

Im bibliophilen Ambiente des historischen Archives im Helmert-Haus auf dem Potsdamer Telegrafenberg fand die Unterzeichnung der Präambel statt: Herausforderung des Klimawandels, naturräumliche und agrarstrukturelle Ausstattung, Lösungen für die Energieversorgung und bessere Vernetzung sind die Stichwörter des „Letter of Intent“. Auf dem Telegrafenberg soll an das GFZ und PIK angegliedert eine vom Land finanzierte Koordinierungsstelle für die Forschungsplattform angesiedelt werden.

GFZ-Chef Prof. Reinhard Hüttl sprach weitsichtig von der „Vermessung der Welt“ – sowohl durch die Satelliten seines Instituts, die beispielsweise die Höhe des Meeresspiegel exakt vermessen, wie auch im übertragenen Sinne. Denn man dürfe den weltweiten Blick der Forschung nicht aus dem Auge verlieren. Die Forschungsplattform soll Berlin-Brandenburg zur Modellregion der Klimaforschung machen. Und das werde nicht nur nationales sondern auch globales Interesse wecken. „Keine Region in Deutschland ist in der Umwelt- und Klimathematik so stark wie Berlin-Brandenburg“, betonte der Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Prof. Günter Stock. Auch europaweit sei man weit vorne. Ein Grund mehr, sich in Zukunft, wie Stock anregte, mit dem neuen Netzwerk auch im Wettbewerb des im Entstehen begriffene European Institute of Innovation and Technology (EIT) zu bewerben.

Hüttl sieht das Netzwerk auch als eine Antwort auf das Ungleichgewicht in der deutschen Forschungslandschaft. Während man sich im Osten nach der Wende erst vollkommen neu aufstellen musste, war im Westen die Entwicklung weiter gegangen. Diesen Abstand gelte es nun aufzuholen. Mit einem Netzwerk, das im weitesten Sinne Erdsystem-Management im Angesicht des Klimawandels betreibe, sei man hier auf dem besten Wege. Eine erste fruchtbare Wendung sei schon zu verzeichnen: im Bundes-Projekt KLIMZUG zur Bewältigung des Klimawandels habe eine Initiative aus der Region die erste Hürde genommen.

Die Kompetenzen zu bündeln hat auch ganz eigennützige Ziele. Wie Brandenburgs Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) ausführte, seien Modelprojekte gewünscht, die sich explizit mit der regionalen Situation befassen. Etwa mit dem zunehmend kritischen Wasserhaushalt im Land. „Es geht auch darum, den Klimawandel aktiv zu gestalten.“

Was PIK-Chef Prof. Hans Joachim Schellnhuber gerne aufgriff. Brandenburg habe eine historische Chance. Einerseits sei das Land in Zukunft besonders von negativen Folgen des Klimawandels bedroht: auch neueste Untersuchungen würden zeigen, dass ohne umfassenden, weltweiten Klimaschutz Brandenburg ab 2030 eine extrem negative Wasserbilanz drohe. Andererseits sei die Klimaforschung in der Region aber außerordentlich gut aufgestellt. „Nun müssen wir unsere Potenziale zu nutzen wissen.“ So könne man sich sogar weltweit an die Spitze der Entwicklung setzen. „Schließlich war der Telegrafenberg schon einmal Weltspitze.“

Wie nah die negativen Auswirkungen der globalen Erderwärmung sind, habe Schellnhuber gerade erst in diesen Tagen durch die Geburt seines Sohnes Zoltan Elias realisiert. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von rund 90 Jahren dürften die heute geborenen Kinder – ohne nachhaltige Maßnahmen – die volle Wucht der Klimakatastrophe miterleben. Doch Schellnhuber ist Optimist: „Niemand wird mit 57 Vater, wenn er nicht fest daran glaubt, dass das Klimaproblem noch zu lösen ist.“

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