zum Hauptinhalt
Gianluca Grimalda suchte für seine Feldforschung Kontakt mit den Einheimischen auf der Insel Bougainville in Papua-Neuguinea.

© twitter.com/GGrimalda

Update

„Was ich tue, steht im Einklang mit dem Auftrag“: Forscher will nicht fliegen – obwohl Arbeitgeber mit Kündigung droht

Kerosin verfeuern oder selbst gefeuert werden? Für einen Forscher am Kieler Institut für Weltwirtschaft ist die Entscheidung klar. Sein Arbeitgeber reagierte mit einem Ultimatum.

| Update:

Das Profil beim Onlinedienst „X“ lässt viel erahnen: „Sozialpsychologe, Punkteverbinder und langsam Reisender“ heißt es dort. Außerdem: „Umweltaktivist, Läufer und Pianist“. Gianluca Grimalda forscht am Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Noch. Denn das Institut droht ihn zu entlassen, da der langsam Reisende zu langsam von einer Dienstreise zurückkehrt.

Grimalda verbindet derzeit Punkte, etwa die Auswirkungen des Klimawandels auf lokale Gemeinschaften auf der Insel Bougainville in Papua-Neuguinea, die er gerade erforschte, und die Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO₂), die er als Reisender verursacht. Grimalda weigert sich aus Klimaschutzgründen, mit dem Flugzeug nach Deutschland zurückzureisen, obwohl sein Arbeitgeber ihm mit der Kündigung droht.

„Wenn ich, um meinen Job zu behalten, solchen Anforderungen nachkommen muss, dann ziehe ich es vor, meinen Job zu verlieren“, sagte Grimalda dem Tagesspiegel. Er betrachtet die Aufforderung zur Rückkehr an den Arbeitsplatz in Kiel als „psychologische Erpressung“. „Insbesondere in der gegenwärtigen Phase der Klimakrise ist es für mich moralisch nicht akzeptabel, CO₂ zu verschwenden, um dieser sinnlosen Forderung nachzukommen.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Ursprünglich sollte Grimaldas Feldforschung bereits im Juli beendet und er zum 10. September nach Kiel zurückgekehrt sein. Doch seine Forschung sei durch Faktoren außerhalb seiner Kontrolle aufgehalten worden. So sei er als Geisel gehalten und bestohlen worden. Zudem habe die Kontaktaufnahme mit den Menschen vor Ort länger gedauert als geplant, sagte Grimalda der britischen Zeitung „The Guardian“. Ende September hatte die Institutsleitung ihn abgemahnt und seine Rückkehr bis spätestens zum 2. Oktober gefordert. Bislang habe er jedoch keine zweite Abmahnung erhalten, auf die bei weiterer Abwesenheit die Kündigung folgen würde.

Das IfW Kiel kommentierte dies gegenüber dem Tagesspiegel nicht, da es sich um eine interne Personalangelegenheit handele, die zum Schutz der Beschäftigten nicht in der Öffentlichkeit diskutiert werden solle. Ein Sprecher teilte jedoch mit, dass das Institut in der Vergangenheit aber seine „slow travel“-Aktivitäten unterstützt habe, etwa eine Reise nach Japan. Auch die Anreise über Land nach Papua-Neuguinea sei „in Absprache mit dem IfW Kiel organisiert“ worden.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Grimalda argumentiert, dass seine persönliche Anwesenheit in Kiel für seine Arbeit nicht notwendig sei. „Ich halte keine Vorlesungen und alle Treffen können heutzutage online stattfinden.“ Eine Flugreise kommt für ihn nicht infrage, da es die Transportform sei, bei der die größten Emissionen von Treibhausgasen anfallen. „Eine Flugreise von Papua nach Deutschland erzeugt in 32 Stunden die Menge an Emissionen, die ein durchschnittlicher Mensch auf der Welt in einem Jahr produziert“, sagt Grimalda. Es würden vier Tonnen CO₂ anfallen, bei der langsamen Heimreise zehnmal weniger (400 Kilogramm). Der Verzicht aufs Fliegen soll rund 3,6 Tonnen CO₂ sparen. Grimalda will die rund 22.000 Kilometer mit Frachtschiff, Fähre, Zug und Bus zurücklegen – was seinen Schätzungen zufolge zwei Monate dauern soll.

Der globale Luftverkehr trägt etwa 3,5 Prozent zur Klimaerwärmung bei.

© imago/Martin Wagner/imago/Martin Wagner

„Viele werden denken, dass es verrückt wäre, wegen eines Fluges einen Job aufzugeben“, sagte Grimalda dem Tagesspiegel. Zumal es sich um einen „tollen Job“ handele. „In der derzeitigen Ära des Klimazusammenbruchs wäre es nach meiner Meinung aber nur verrückt, so weiterzumachen, wie bisher.“ Grimaldi habe sich schon vor langer Zeit dazu entschlossen, den Schutz des kollektiven Wohlergehens der menschlichen und tierischen Arten über seine persönlichen Interessen zu stellen. „Was ich tue, steht im Einklang mit diesem Auftrag.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Außerdem habe er den Einwohnern Papua-Neuguineas versprochen, seinen CO₂-Ausstoß bei der Rückreise zu minimieren. Weiße Männer würden in der lokalen Sprache oft als Lügner bezeichnet. Er wolle keiner sein, sagt er. 

Solidarität mit Grimalda

Grimaldas Unterstützer sagen dem Guardian, dass das IfW Kiel Vergeltung übe, da sich Grimalda als Teil des Netzwerks „Scientist Rebellion“ mit Methoden des zivilen Ungehorsams für mehr Klimaschutz engagiere. So hatte er sich vergangenen Oktober gemeinsam mit weiteren Protestierenden im Porsche-Pavillon in Wolfsburg auf den Boden geklebt und war in den Hungerstreik getreten, um ein Zeichen für den Klimaschutz zu setzen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Auch Klimaaktivistin Luisa Neubauer solidarisierte sich auf X, ehemals Twitter, mit Grimalda: „Es ist 2023 und der Klimaforscher Grimalda droht seinen Job (...) zu verlieren, weil er nach einem Forschungsaufenthalt auf den Salomonen nicht mit dem Flugzeug zurückreisen möchte – um CO₂ zu sparen. (...) Alle Solidarität.“

Papa-Neuguinea ist besonders von Klimawandel betroffen. Grimalda hat in den vergangenen sechs Monaten die Auswirkungen für die Bevölkerung in Bougainville untersucht. Bereits auf dem Hinweg reiste er größtenteils auf dem Land- und Seeweg, um seinen CO₂-Ausstoß minimal zu halten.

Die Heimreise sollte zuerst am Sonntag beginnen, der Start verzögert sich jedoch, da ein Frachtschiff erst Ende nächster Woche ablegen wird. Grimalda will dann mit einem weiteren Frachtschiff zur Hauptinsel weiterreisen und von dort per Fähre und auf der Straße nach Singapur. Von dort erwartet er 20 bis 25 weitere Reisetage. Er habe diese Teilstrecke bereits 2019 zurückgelegt, müsse diesmal jedoch Russland umfahren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false