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Alte Schachteln: Sicherheitsstreichhölzer der „Deutsche Zündwaren-Monopolgesellschaft“, Steuernummer 9. Dieses Etikett wurde zwischen 1930 und 1945 verwendet. Der Adler wurde von Karl-Tobias Schwab gestaltet und wird heute im Wappen der Bundesrepublik verwendet.

© Agnat

Tagesrückspiegel – Heute vor 40 Jahren: Als in der Bundesrepublik Deutschland das Feuer frei wurde

Kurz bevor das Privatfernsehen kam, gelang auch endlich eine andere Liberalisierung im Bereich Grundversorgung: Das Zündwarenmonopol fiel.

Eine Kolumne von Richard Friebe

Es gibt viele Dinge, deren Bedeutung einst so viel größer war als heute. Kutschen gehören dazu, Dreschflegel, Briefmarken, Steigbügel, Schlafmützen. Aber auch Streichhölzer.

Menschheitstraum

Ein Feuer relativ einfach selbst neu entfachen zu können, war lange so etwas wie ein Menschheitstraum, allerdings anders als andere Menscheiträume wie etwa der vom Fliegen einer mit sehr fundamentaler Bedeutung für das tägliche Leben. Licht anmachen? Bis vor nicht viel mehr als 100 Jahren ohne offenes Feuer nicht möglich. Die vier Wände warm bekommen? Kochen? Backen? Abkochen? Einwecken?

Bis ins 19. Jahrhunderts hinein waren die verbreitetsten Methoden des Feuermachens im Prinzip solche, die schon in der Steinzeit verwendet wurden: Feuerstein, Feuerstahl, Zunder aus Pilzen oder dergleichen – oder Glut, die immer weiter erhalten und sogar herumgetragen wurde.

Zu brennbar, zu giftig

Streichhölzer der Art, wie sie noch heute verbreitet sind, waren in der Zeit der industriellen Revolution eine eigene kleine Revolution in der Pappschachtel. In der wurden sie schon sehr bald verkauft. Die Reibfläche daran ermöglichte ein komfortables und sicheres Entzünden überhaupt erst. Denn nur durch das mechanische Zusammentreffen der Substanzen von Reibfläche und Zündkopf entstand ein entzündliches Gemisch.

Fast wie früher: Retro-Streichholzschachtel, Kostenpunkt 6,90 Euro.

© promo

Das war zuvor anders: Die frühen Zündhölzer waren oft so entzündlich, dass sie als Gefahrgut eingestuft werden mussten. Dazu kam lange Zeit der akut und chronisch hochgifte weiße Phosphor. Er machte vor allem die Arbeiter, die Streichhölzer herstellten, krank. So krank, dass wir hier nicht konkret darüber schreiben wollen. Streichhölzer waren seinetwegen aber auch beliebte Mord- und Selbstmordhelfer.

Früh erkannten die Finanzbehörden jedenfalls, dass der Staat an diesem immer wieder neu benötigten Wärmewerkzeug gut mitverdienen konnte. Besondere Zündwaren-Steuern, aber auch staatlich verordnete Monopole auf die Herstellung waren die Folge. Auch in Deutschland.

Reibfläche und Zündkopf.

© Lino Mirgeler/dpa

Die DDR ignorierte die maximal imperialistische Regelung schon seit 1950. In der Bundesrepublik Deutschland dagegen fiel dieses Monopol erst sehr viel später. Ein Gesetz dazu trat kurz vor einer anderen großen Liberalisierung – der Einführung des Privatfernsehens ein Jahr später – heute vor 40 Jahren, am 16. Januar 1983, endgültig in Kraft. Es stammte noch aus dem Krisenjahr 1930. Damals war es an einen schwedischen Fabrikanten gegangen, der im Gegenzug günstige Kredite im heutigen Gegenwert von etwa zwei Milliarden Euro gewährte. Das Monopol wirkt noch heute nach. „Swedish Match“, Nachfolger der Firma Svenska Tändsticks, die sich seinerzeit auch Monopole in zahlreichen anderen Ländern sicherte, gehört noch heute zu den größten Streichholzproduzenten der Welt.

Streichhölzer werden heute weit weniger gebraucht als zu ihrer Hochzeit, des Billigfeuerzeugs wegen, der Heizung wegen, die man einfach aufdreht, des Elektroherds wegen. Und so weiter. Die Streichholzherstellung blieb aber auch nach den Monopolen ein sehr einträgliches Geschäft, auch, weil es einen riesigen Markt jenseits des Tabakladens gab. Denn über Jahrzehnte waren die Schachteln einer der wichtigsten Werbeartikel überhaupt: billig, praktisch, und mit viel besserem Flächenangebot für die Reklame-Botschaft als etwa ein Kugelschreiber.

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