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Wissen: EU will Medizinstudium kürzen

Unis protestieren gegen mehr Stress für Studierende.

Das Medizinstudium dauert mindestens sechs Jahre: So ist es bisher einheitlich in der EU geregelt. Doch jetzt will die EU-Kommission die Mindestdauer des Studiums um ein Jahr verkürzen. Das sieht ein Änderungsvorschlag der entsprechenden EU-Richtlinie vor, der in diesen Tagen den Mitgliedsstaaten vorgelegt wurde. Die Unterrichtszeit – mindestens 5500 Stunden – soll dabei allerdings gleich bleiben. Gegen den Vorstoß protestiert jetzt der deutsche Medizinische Fakultätentag, die Interessensvertretung der 36 Medizinfachbereiche an deutschen Universitäten. Der Fakultätentag befürchtet, die Regelstudienzeit könne auch in Deutschland bei gleicher Pflichtstundenzahl auf fünf Jahre reduziert werden. Für Studierende würde das „mehr Stress“ bedeuten, das Studium insgesamt an Qualität verlieren, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Erklärung.

Der Lehr- und Lernaufwand würde dann um 25 Prozent zunehmen, kritisiert der Fakultätentag. Dem würden vor allem praktische Elemente in der Medizinerausbildung zum Opfer fallen. Studierende könnten nicht mehr Pflegepraktika und Famulaturen absolvieren. Diese sind zwar bisher beim Studium in Deutschland vorgeschrieben, dürfen aber bei der Stundenberechung nicht mitgezählt werden. Auf das akademische Selbststudium müssten die meisten Studierenden aus Zeitnot verzichten, wissenschaftliche Studieninhalte würden reduziert. Eine Verkürzung der Gesamtstudienzeit würde zudem vor allem finanzschwächere Studierende belasten, da diese noch weniger Zeit hätten, ihr Studium mit Nebenjobs zu finanzieren.

Hintergrund des EU-Vorschlags sei ein Vorstoß Irlands und Großbritanniens, sagt Volker Hildebrandt, Generalsekretär des Medizinischen Fakultätentages. Beide Länder hätten früher nur ein fünfjähriges Medizinstudium mit weniger praktischen Stationen gehabt und seien durch die EU zu einer Angleichung gezwungen worden. Das wollten sie jetzt wieder rückgängig machen. Hildebrandt befürchtet einen „Wettbewerb nach unten“, sollte sich die Regelung durchsetzen. Auch andere Länder könnten das Studium verkürzen wollen mit dem Argument, die Studierenden nicht durch ein längeres Studium beim Berufseinstieg benachteiligen zu wollen. Ob der Vorschlag der EU-Kommission umgesetzt wird, muss erst noch entschieden werden. tiw

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