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Gentechnik: Das erste Genom aus der Retorte

Sensation in der Forschung: Offenbar ist es gelungen, dass komplette Erbgut eines Bakteriums nachzubauen. Der amerikanische Genforscher Craig Venter hat nun den Beweis geliefert. Irgendwann soll es nun gelingen, künstliche Lebewesen zu erschaffen.

Es ist drei Monate her, da behauptete der amerikanische Genforscher Craig Venter, das erste künstliche Chromosom geschaffen zu haben. Wissenschaftlich nachprüfbar war aber nicht, ob das Team um den umtriebigen Venter tatsächlich ein 381 Gene umfassendes Stück Erbgut hergestellt hatte. Es fehlte die Publikation in einer Fachzeitschrift. Vorsicht war also geboten.

Nun liefert der 61-Jährige den Beweis, und das gleich mit einem zusätzlichen Paukenschlag. Im Fachjournal „Science“ beschreiben Autoren um Venter und den Medizin-Nobelpreisträger Hamilton Smith, dass es gelungen sei, das komplette Erbgut eines Bakteriums nachzubauen.

Als Vorlage diente den Forschern des J.-Craig-Venter-Instituts (JCVI) in Rockville (Bundesstaat Maryland) das Bakterium Mycoplasma genitalium. Der Einzeller gedeiht im menschlichen Genitaltrakt. Der Anhang am Namen des ersten synthetischen Bakteriums – M. genitalium JCVI-1.0 – verweist auf Venters Institut als „Geburtsort“.

Das natürliche Bakterium besitzt mit etwas mehr als 500 Genen das kleinste Genom überhaupt. Die Abfolge der rund 580 000 Basenpaare war bereits bekannt. Die Forscher ließen sich zunächst von Firmen Abschnitte des Erbguts aus jeweils fünf- bis siebentausend Basenpaaren liefern. Diese Stücke wurden im Reagenzglas zu größeren Teilen zusammengefügt, diese dann in Bakterien vermehrt. Schließlich entstanden Viertel-Genome, die in einer Hefezelle zum vollständigen Kunstgenom zusammengebaut wurden.

Nach Venters Plänen soll die synthetische Variante auf nützliche Eigenschaften programmiert werden. So könnte das Bakterium beispielsweise klimaschädliches Kohlendioxid abbauen und zu energetisch wertvollem Wasserstoff umsetzen. Auch giftige, umweltgefährdende Säuren könnten so in harmlose Wässerchen verwandelt werden. Doch soweit ist Venters Institut noch nicht, auch wenn der Patentantrag für den in der Retorte produzierten Mikroorganismus bereits Ende Mai letzten Jahres gestellt wurde.

„Venter hat lediglich gezeigt, dass er in der Lage ist, ein vollständiges Genom aus synthetisierten DNS-Teilstücken aufzubauen“, sagt Hans Lehrach, Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin. Das sei ein wichtiger Schritt. Doch das künstliche Genom befinde sich einer Hefezelle. Ob es auch in einer Bakterienzelle funktionieren würde, sei noch unsicher. Lehrach vergleicht es mit einer CD, auf die Opernarien gebrannt wurden. Ohne CD-Player nützt der darauf gespeicherte Inhalt nichts, die Musik bleibt unhörbar.

Beim Kunstbakterium sei zudem unklar, ob es größere Eingriffe am Erbgut überstehen würde. Diese sind aber notwendig, um dem Kunstgebilde die gewünschten Eigenschaften zu verleihen. „Einzelne Gene abzuschalten oder einzufügen, das ist heute schon Standard“, sagt Lehrach. Dabei sei es grundsätzlich egal, ob das manipulierte Genom natürlichen oder synthetischen Ursprungs sei.

Der MPI-Forscher ist sich aber sicher, dass es irgendwann gelingen werde, künstliche Lebewesen zu bauen, die überlebensfähig seien, und ihnen spezielle Fähigkeiten einzuprogrammieren. 

Paul Janositz

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