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Wirtschaft: Zypern hängt am russischen Geldtropf

EU-Ratspräsidentschaft übernommen.

Berlin - Zypern hat am Sonntag den Vorsitz des Rates der Europäischen Union von Dänemark übernommen. Sein Land werde sich im kommenden halben Jahr für ein Europa einsetzen, das sich durch mehr Effizienz und Nachhaltigkeit auszeichne, durch Wachstumsimpulse eine größere Wirtschaftsleistung erbringe und weltweit aktiv präsent sei, sagte der zyprische Präsident Demetris Christofias in einem auf der Internetseite des Rats der EU veröffentlichten Interview.

Er wolle die Arbeit am mehrjährigen Finanzrahmen bis 2020 vorantreiben, sich für ein gemeinsames europäisches Asylsystem einsetzen und wachstumsfördernde Maßnahmen durchsetzen. Am kommenden Mittwoch stellt Christofias die Einzelheiten des Programms im Europäischen Parlament in Straßburg vor.

Wegen seines hoch verschuldeten Bankensektors hatte Zypern erst in der vergangenen Woche bei der Euro-Gruppe und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) einen Antrag auf Notkredite stellen müssen. Das Land verhandelt aber nicht nur mit der EU, sondern auch mit Russland über Hilfskredite. Jüngst hatte sich Zypern schon einmal 2,5 Milliarden Euro bei Russland geborgt.

Wie viel Geld Zypern nun abermals benötigt, ist unklar. Im Gespräch sind sechs bis zehn Milliarden Euro. Klar ist, dass auch dieses Geld unbürokratisch aus Russland kommen könnte. Schließlich sind beide Länder wirtschaftlich stark miteinander verflochten. 20 Prozent aller ausländischen Investitionen in Russland kamen 2011 aus Zypern. Tausende Russen der aufkommenden gehobenen Klasse haben ihre Sommerdomizile auf der warmen Insel im Mittelmeer. Viele russische Investmentfirmen haben hier ihren Sitz, viele Transaktionen russischer Unternehmer finden durch zyprische Banken statt.

Auch politisch stehen sich beide Länder nah. Zyperns Präsident Christofias von der ehemals kommunistischen und jetzt reformsozialistischen Partei Akel spricht fließend Russisch und unterhält beste Kontakte nach Moskau, auch weil er dort studiert hat. Ein Regierungssprecher versicherte nach der ersten Milliardenspritze aus Moskau, es handele sich um einen Freundschaftsdienst ohne Gegenforderung.

Doch nicht alle sehen das so. „Die EU ist besorgt über das enge Verhältnis von Zypern und Russland“, sagt Günter Seufert von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. „Schließlich versucht Russland, durch seine Nähe zu Zypern einen Fuß in die europäische Energiepolitik zu bekommen.“ Vor der Küste der geteilten Insel befinden sich große Erdgasvorkommen. In enger Zusammenarbeit mit Israel plant Zypern, diese zu erschließen und zu fördern. Erste Probebohrungen sollen in den nächsten Wochen beginnen. Später könnte eine Pipeline auf das europäische Festland folgen. „Russland will da ein Wort mitreden, weil es bei diesem Szenario um seine Monopolstellung auf dem westeuropäischen Gasmarkt fürchten muss“, ist Seufert überzeugt. Russische Hilfsmilliarden für Zypern seien deshalb keine reine Mildtätigkeit.

Insofern kann Brüssel nach Ansicht von Seufert nicht daran gelegen sein, dass Zypern allein am russischen Geldtropf hängt. Die EU habe die drittkleinste Volkswirtschaft im Eurowährungsraum deshalb förmlich genötigt, Gelder aus den europäischen Krisenfonds zu beantragen. Arne Bensiek

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