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Archiv, 18.05.2021, Berlin: Ein Mitarbeiter eines mexikanischen Restaurants in Prenzlauer Berg poliert die Weingläser.

© dpa/Annette Riedl

„Wie nie zuvor unter Druck“: Gastgewerbe fehlen rund 100.000 Mitarbeiter

Mehr als jeder Vierte kehrte dem Gastgewerbe während der Corona-Pandemie den Rücken. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt auf, wie die Branche attraktiver werden kann.

Die Corona-Pandemie hat das Geschäftsmodell des Gastgewerbes mit zahlreichen geringfügig und saisonal Beschäftigten ins Wanken gebracht und die Folgen sind immer noch spürbar.

2022 waren laut einer Studie für die Hans-Böckler-Stiftung und die Gewerkschaft NGG noch rund 100.000 Menschen weniger in der Branche beschäftigt als vor der Pandemie.

Die Branche stehe „wie nie zuvor“ unter Druck, die Attraktivität für Beschäftigte zu steigern und die Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Beschäftigtenzahl sank während der Pandemie auf „historischen Tiefstand“

Vor der Corona-Pandemie habe das Gastgewerbe in Deutschland stetig wachsende Umsatzzahlen verzeichnet – und stetig wachsende Beschäftigtenzahlen.

2019 arbeiteten laut Studie 2,1 Millionen Menschen in Gaststätten, Bars und Hotels. In der Corona-Pandemie sank die Zahl auf einen „historischen Tiefstand“ von 1,8 Millionen sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigte.

Knapp 330.000 Menschen weniger waren demnach also in der Hochphase der Pandemie im Gastgewerbe tätig. Mehr als jede und jeder vierte 2020 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte entschied sich in der Pandemie für einen anderen Beruf.

Dem Gastgewerbe den Rücken kehrten vor allem Beschäftigte unter 25 Jahren sowie in Betrieben mit 50 und mehr Beschäftigten. Auch viele Minijobberinnen und -jobber sowie Leiharbeitskräfte wechselten. Häufig arbeiten sie nun im Einzelhandel oder in Logistikberufen.

Auch bei den Auszubildenden sorgte die Pandemie laut Studie für einen Rückgang um 22 Prozent – im Jahr 2022 gab es mit knapp 37.000 Azubis zwei Drittel weniger als noch 15 Jahre zuvor.

Personalmangel vor allem durch Minijobber ersetzt

Die Zahl der Betriebe dagegen lag 2022 mit mehr als 159.000 wieder knapp über dem Niveau von 2019. Die Umsätze erreichten im vergangenen Jahr laut Studie 98,4 Milliarden Euro – sie lagen damit unter dem Wert von 2019 mit 104,2 Milliarden Euro.

Ihr Personal haben die Betriebe zwar mittlerweile kräftig wieder aufgestockt, um rund 224.000 im Jahr 2022 – setzen dabei laut Studie aber vor allem auf Minijobs und ungelernte Beschäftigte: Fast zwei Drittel des jüngsten Beschäftigungszuwachses entfielen demnach auf Minijobs.

In einer in der Studie zitierten Umfrage unter mehr als 4000 Beschäftigten und von Betriebsräten beklagten Beschäftigte neben der schlechten Bezahlung auch regelmäßige Überstunden, ständigen Zeitdruck und enorme Anforderungen an die Flexibilität.

„Vielfach ist es nicht die Arbeit an sich, die den Menschen zu schaffen macht, sondern die Organisation“, erklärte die Hans-Böckler-Stiftung. Ein Fünftel der Befragten muss häufig jenseits der verabredeten Arbeitszeiten kurzfristig einspringen.

Konkurrenz durch andere Branchen führt zu besserer Bezahlung

In Sachen Bezahlung aber sei in jüngster Zeit tatsächlich Bewegung ins Gastgewerbe gekommen, so die Stiftung: Nach Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro im Oktober 2022 sei eine Reihe neuer Tarifverträge geschlossen worden.

Dazu komme, dass der Wert von Tarifverträgen laut Branchenvertretern zunehme – nicht zuletzt, weil die Konkurrenz durch andere Branchen stark zugenommen habe.

Ein weiterer Ansatz zur Steigerung der Attraktivität könnte ein Vorschlag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) sein, allen Beschäftigten im Gastgewerbe nach ihrer Ausbildung einen Einstiegslohn von mindestens 3000 Euro brutto Vollzeit zu zahlen.

Vor allem aber brauche es „beschäftigtenorientierte Regelungen zur Arbeitszeit“. Ohne Lohnsteigerungen und bessere Arbeitsbedingungen werde sich die Personallücke „nur schwer schließen“, so das Fazit der Studie. (AFP)

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