zum Hauptinhalt
Mit dem Slogan „Ohne uns kein Geschäft“ wirbt Verdi seit Monaten für eine Stundenlohnerhöhung um 2,50 Euro. In Berlin arbeiten 150.000 Personen im Einzelhandel.

© dpa/Sina Schuldt

Weihnachtsgeschäft in Gefahr: Tarifkonflikt im Handel verschärft sich

Am Freitag traten Beschäftigte des Handels erneut in den Ausstand. Auf dem Berliner Lustgarten versammelten sich rund 1000 Streikende.

Platzt in dieser Woche der Knoten? Dann hätten die bundesweiten Warnstreiks von Verkäuferinnen und Verkäufern am vergangenen Freitag gewirkt. „Die Gewerkschaft muss endlich in ernsthafte Verhandlungen mit uns eintreten, anstatt durch Streiks immer mehr Öl ins Feuer zu gießen“, sagt dazu Steven Haarke, der beim Handelsverband HDE für das Tarifgeschäft verantwortlich ist.

Seit April wechseln sich Streikaktionen und Verhandlungen ab. Und das kann noch lange so weitergehen. „Wer Streiks im Weihnachtsgeschäft verhindern will, muss sich am Verhandlungstisch bewegen“, droht Verdi-Vorstand Silke Zimmer. Die Tarifauseinandersetzung betrifft fast fünf Millionen Beschäftigte im Groß- und Außenhandel sowie im Einzelhandel.

2,50
Euro mehr in der Stunde fordert Verdi.

In einigen Bundesländern wird diese Woche wieder verhandelt, am Freitag in Berlin. In Berlin-Brandenburg arbeiten rund 230.000 Personen im Einzelhandel, davon 150.000 in Berlin. Verdi möchte eine Erhöhung der Stundenlöhne um 2,50 Euro durchsetzen, die Arbeitgeber haben bislang gut 90 Cent angeboten. Seit Beginn der Verhandlungen im April ist die Kluft zwischen Angebot und Erwartung nicht viel kleiner geworden, der Abstand zwischen den Warnstreiks dagegen schon.

„Eine baldige Lösung ist zum Wohle der Branche überfällig“, findet Arbeitgebervertreter Haarke. Seine Seite zeige guten Willen und habe „das Tarifangebot mehrfach nachgebessert und die Schmerzgrenze der Unternehmen ausgereizt“. Wenn man der Forderung der Gewerkschaft nachgebe, „riskieren wir abertausende Arbeitsplätze in der Branche“, sagte Haarke dem Tagesspiegel. Auch die Händler belaste die schwächelnden Kaufkraft der Kunden.

Arbeitgeber bieten 5,3 Prozent

Verdi wiederum empört sich über die Zahlungsbereitschaft der Arbeitgeber. Tatsächlich sieht das Angebot eine Erhöhung der Tarifeinkommen um 5,3 Prozent in diesem und 3,1 Prozent im kommenden Jahr vor, dazu eine steuerfreie Inflationsprämie von 450 Euro. Die Kaufkraft der Beschäftigen kann das nicht stabilisieren: 2022 stiegen die Preise hierzulande um 7,9 Prozent, die Tarifverdienste im Handel aber nur um 1,7 Prozent. In diesem Jahr wird die Inflationsrate bei etwa sechs Prozent liegen und damit über den 5,3 Prozent, die die Arbeitgeber zu zahlen bereit sind.

Viele Tausend Verkäuferinnen und Verkäufer hätten sich in den vergangenen Monaten der Gewerkschaft angeschlossen und wollten sich bei der Durchsetzung der Forderung engagieren, heißt es bei Verdi. Auf dem Berliner Lustgarten fanden sich am Freitag rund 1000 Streikende ein. Verdi hat nicht viele Mitglieder in dieser Branche, die durch Teilzeit und Minijobs geprägt ist. Da die gewerkschaftliche Durchsetzungskraft begrenzt ist, ziehen sich die Tarifkonflikte.

Firmen zahlen freiwillig mehr

Mit einem Ausfallschritt hat der HDE zuletzt versucht, die Warnstreiks ins Leere laufen zu lassen. Vor knapp vier Wochen empfahl der Verband seinen Mitgliedern, die 5,3 Prozent aus dem Tarifangebot freiwillig auf die Entgelte aufzuschlagen. Die großen Discounter (Lidl, Aldi) und Lebensmittelkonzerne (Edeka, Rewe) machen das nun ebenso wie Ikea, Otto oder dm. Das Kalkül: Die eigene Belegschaft besänftigen und von Streikaktionen abhalten.

Auch im Handel fehlt Personal: Von 120.000 offenen Stellen berichtet der HDE. Die Arbeitgeber müssen ein Interesse haben an attraktiven Arbeitsbedingungen. Das durchschnittliche tarifliche Monatsentgelt für die Verkaufstätigkeit liegt nach Angaben des HDE bei rund 2700 Euro. Gezahlt werden 13,25 Tarifgehälter (inklusive Urlaubs- und Weihnachtsgeld). Die Wochenarbeitszeit beträgt 37,5 Stunden im Westen Deutschlands und 38 Stunden im Osten. Die Zeit nach 18.30 Uhr wird mit 20 Prozent Zuschlag entlohnt, ab 20 Uhr mit 50 Prozent. „Der Einzelhandel ist keine Niedriglohnbranche, sondern zahlt gutes Geld für gute Arbeit“, heißt es beim Handelsverband.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false