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Wirtschaft: Politik warnt vor einem „fatalen Signal“

Kritik an Kürzung der Betriebsrenten bei Commerzbank und Gerling – Schering will Alterssicherung umstellen

UNSICHERE ALTERSVORSORGE – DIE UNTERNEHMEN SPAREN BEI DEN BETRIEBSRENTEN

Berlin (dr). Die Kürzung der Betriebsrenten bei der Commerzbank und beim GerlingKonzern hat auch die Politiker auf den Plan gerufen. Die betriebliche Altersversorgung müsse an Bedeutung gewinnen, sagte Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) dem TV-Sender N24 am Mittwoch: „Deshalb ist das keine gute Entwicklung.“ Auch FDP-Chef Guido Westerwelle kritisierte, angesichts der demografischen Entwicklung und der Krise der umlagefinanzierten Rentenversicherung sei dies ein „völlig falsches und fatales Signal“. Zuvor hatte nach der Commerzbank auch der angeschlagene Gerling-Konzern drastische Einschnitte bei der Betriebsrente verkündet. Der Pharmakonzern Schering will eine beitragsorientierte Betriebsrente für neue Mitarbeiter einführen. Der CDU-Sozialexperte Hermann-Josef Arentz befürchtet, dies könne ein Signal für andere Unternehmen sein, ebenfalls die Betriebsrenten zu kürzen.

Das Bundessozialministerium verteidigte für die betrieblichen Altersversorgung. Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) sagte, der mit der Rentenreform 2001 neu eingeführte Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltumwandlung und die staatliche Förderung hätten die Rahmenbedingungen entscheidend verbessert. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um eine Leistung des Arbeitgebers wie bei der Betriebsrente. Laut Ministerium verfügten rund 15,3 Millionen Beschäftigte im März 2003 über eine betriebliche Altersversorgung. Dies entspreche 57 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.

Dennoch steht die zweite Säule der Altersversorgung weiterhin auf schwachen Füßen. Nur etwa fünf Prozent der Alterseinkommen stammen in Deutschland aus Betriebsrenten, in den USA sind es 13, in den Niederlanden sogar 40 Prozent. Dabei ist nach Berechnungen der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba) der Anteil der Arbeitnehmer mit Betriebsrente in der Privatwirtschaft zwischen 2001 und 2003 sogar von 38 auf 43 Prozent gestiegen ist. Branchen mit überdurchschnittlichen Anteilen von Arbeitnehmern mit betrieblicher Altersvorsorge sind das Kredit- und Versicherungswesen (76 Prozent), Bergbau und Energie (72 Prozent) und die Investitions- und Gebrauchsgüterindustrie (60 Prozent).

Nach der Commerzbank will auch Gerling die Betriebsrenten kürzen. Die Absenkung seit Jahresbeginn betreffe rund 5000 der 7500 Mitarbeiter, die vor 1998 eingestellt worden und heute noch nicht 60 Jahre alt seien, bestätigte ein Sprecher am Mittwoch. In vielen Fällen betrage die Kürzung der künftigen Renten rund 30 Prozent, in Einzelfällen auch 50 Prozent. Angesammelte Ansprüche blieben jedoch erhalten.

Alarm schlagen inzwischen auch die Metallarbeitgeber. Von Arbeitgebern finanzierte und dynamisch gestaltete Betriebsrenten sind aus ihrer Sicht nicht mehr zu bezahlen. Betriebsrenten, die der Arbeitgeber finanziere und die sich am letzten Gehalt des Arbeitnehmers orientierten, seien nicht mehr kalkulierbar und finanzierbar, sagte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Hans Werner Busch, am Mittwoch im „ZDF“. Er nannte es daher nachvollziehbar, dass die Commerzbank die Betriebsrenten ihrer rund 26 000 Beschäftigten in Deutschland gekündigt habe. „Das ist aber ein Weg, der schon lange beschritten wird. Viele große andere Konzerne wie Siemens oder auch vergleichbare haben dies schon vor Jahren umgestellt." Nach Worten von Busch ist nicht mit einer massenhaften Kündigung von Betriebsrenten zu rechnen: „Ich sehe da eigentlich keine Lawine auf uns zukommen.“

Der Berliner Schering-Konzern plant keine Einschnitte in sein bestehendes Betriebsrentensystem. „Wir haben keine vergleichbaren Pläne wie bei der Commerzbank oder bei Gerling“, sagte ein Unternehmenssprecher. Allerdings solle von diesem Jahr an bei Neueinstellungen von einem entgeltbezogenen auf ein beitragsbezogenes System umgestellt werden. Sein System umgestellt hat bereits Mitte Oktober 2003 der Münchener Siemens-Konzern. Die künftige Betriebsrente hängt nun von der Zins- und Kapitalmarktentwicklung ab.

Zwar sagt auch die Hypo-Vereinsbank seit dem Frühjahr 2003 keine Betriebsrenten mehr zu, die Deutsche und die Dresdner Bank aber wollen dem Beispiel der Commerzbank nicht folgen. Auch für die Bankgesellschaft Berlin erklärte eine Sprecherin, derzeit seien keine Änderungen bei den Betriebsrenten geplant. Im Rahmen der Sanierungsvereinbarung hätten die Arbeitnehmer bereits schmerzhafte Einschnitte hinnehmen müssen. Die großen Automobilhersteller Daimler-Chrysler, BMW und VW zahlen Betriebsrenten, Änderungen seien nicht geplant, hieß es übereinstimmend.

Besonders gute Regelungen gebe es in der Chemieindustrie festgestellt. Hier existierten seit weit über 100 Jahren gewachsene Modelle sagte aba-Geschäftsführer Klaus Stiefermann. Für Bayer bekräftigt ein Sprecher: „Die alten Regeln bei Betriebsrenten gelten unverändert.“ Positive Ausnahme ist auch der Sportartikelhersteller Adidas-Salomon. „Wir werden das beibehalten und sogar weiter ausbauen“, sagte eine Sprecherin.

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