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Das unter dem Namen Eko bekannte Werk von ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt ist der größte Stahlproduzent Ostdeutschlands.

© dpa/dpaweb/Patrick Pleul

IG Metall demonstriert für billigen Strom: „Die energieintensiven Betriebe brauchen Planungssicherheit“

Der ostdeutsche Gewerkschaftschef Dirk Schulze über gefährdete Industrien, die Vier-Tage-Woche im Stahl und die nächste Betriebsratswahl bei Tesla.

Herr Schulze, die IG Metall protestiert am Freitag für einen Brückenstrompreis von fünf Cent pro Kilowattstunde. Ist das nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts überhaupt noch denkbar?
Selbst der Bundeskanzler hat damit im letzten Bundestagswahlkampf geworben. Wirtschaftsminister Habeck spricht von sechs Cent, aber wie die erreicht werden sollen, ist unklar. Wir sind jetzt an einer Weggabelung: Gibt es für die energieintensiven Betriebe in Deutschland eine Zukunft oder gehen die weg?

Mit dieser Drohung arbeiten Industrie-Lobbyisten seit Beginn der Energiekrise vor anderthalb Jahren.
Die Lage spitzt sich zu, und wir hören, dass im ersten Quartal nächsten Jahres Entscheidungen anstehen. Deshalb ist unsere Forderung zeitgemäß. Auch sehr viele Arbeitgeber halten das bislang von der Regierung vorgesehene Strompreispaket für eine Mogelpackung.

Und nun fehlen der Regierung auch noch 60 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds.
Auch wenn diese Mittel nicht wie geplant fließen können, sollte sich die Regierung an ihre Zusagen halten.

Gefährden die Energiepreise ostdeutsche Betriebe?
In den nächsten Jahren sind erhebliche Investitionen erforderlich. Wenn die Industrie, etwa die Röhrenhersteller und Stahlproduzenten, sich zu einer klimaneutralen Produktion wandeln sollen, stehen hohe Ausgaben an. Die Unternehmen brauchen eine Kalkulationsgrundlage für zehn Jahre, mindestens aber bis 2030. Was die Regierung vorhat, wirkt jedoch nur zwei Jahre, das ist völlig unzureichend.

Wie verläuft die Transformation im größten ostdeutschen Stahlwerk in Eisenhüttenstadt?
ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt ist in der Vorbereitung und wartet auf Zusagen von der EU-Kommission und von der Bundesregierung, um mittelfristig kalkulieren zu können.

Dirk Schulze leitet den IG-Metall-Bezirk Berlin, Brandenburg und Sachsen.

© IG Metall

Trotz der schwierigen Situation der Branche fordert die IG Metall 8,5 Prozent mehr Geld für die Stahlarbeiter und die Einführung einer Vier-Tage-Woche. Wie soll das funktionieren?
Die energieintensiven Betriebe brauchen Planungssicherheit, was die Kosten in den kommenden Jahren angeht. Und die Beschäftigten haben durch die hohen Inflationsraten enorme Probleme, ihren Lebensstandard zu halten. Deshalb sind die 8,5 Prozent völlig berechtigt.

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Die Arbeitszeitverkürzung passt nicht in die Zeit.
Es ist nicht geplant, im nächsten Monat die Arbeitszeit zu verkürzen. Wir fordern die Reduzierung um drei Stunden auf 32 Stunden, weil wir nicht wissen, wie die Auslastung in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts sein wird. Vermutlich schrumpft in der Transformation das Arbeitsvolumen und damit der Bedarf an Arbeitskräften. Wir möchten die Arbeitszeitverkürzung als mittelfristiges Instrument zum Schutz der Arbeitsplätze nutzen.

Also soll die Arbeitszeit nach und nach in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts reduziert werden?
Ich mache keine Zugeständnisse, bevor wir uns am Freitag zur zweiten Verhandlungsrunde treffen. Ende November endet die Friedenspflicht, dann sind Warnstreiks wahrscheinlich. Vor Weihnachten möchten wir gerne einen neuen Tarifvertrag abschließen.

Wie robust sind in der aktuellen Rezession die ostdeutschen Betriebe in der Stahl- und Metallindustrie?
Die wirtschaftliche Situation ist relativ stabil. Derzeit sehen wir Hinweise, dass es 2024 etwas aufwärts geht.

Spielt das der IG Metall in die Karten, wenn es darum geht, in weiteren Metallbetrieben die Arbeitszeit in Richtung 35-Stunden-Woche zu verringern?
83 Prozent unserer Mitglieder sind auf dem Weg zur 35-Stunden-Woche mit einem Stufenplan, der in der Regel über drei Jahre läuft. An den restlichen 17 Prozent arbeiten wir.

Mit mehr Gewerkschaftsmitgliedern im Osten?
Bei den Betriebsangehörigen wachsen wir. In Berlin, Brandenburg und Sachsen haben wir wie in anderen Bezirken auch eine sehr gute Mitgliederentwicklung. Die IG Metall gewinnt durch eine hohe Zahl an Neueintritten weiter an Kraft dazu.

Bei der Betriebsratswahl im nächsten Frühjahr tritt die IG Metall mit einer eigenen Liste an.

© dpa/Patrick Pleul

Auch bei Tesla?
Konkrete Zahlen zu einzelnen Unternehmen nennen wir nicht. Aber wir haben sehr erfreuliche Eintritte aus der Tesla-Belegschaft und sind mit vielen Beschäftigten im Gespräch.

Wann gibt es Betriebsratswahlen in Grünheide?
Da es einen erheblichen Beschäftigungsaufbau bei Tesla gab, sieht das Gesetz Neuwahlen für den Betriebsrat vor. Um den 28. Februar, also exakt zwei Jahre nach der letzten Betriebsratswahl, wird der dafür erforderliche Prozess in Gang gesetzt, sodass dann im Frühsommer gewählt wird. Es gibt zahlreiche Beschäftigte, die der IG Metall angehören und die sich auch im Betriebsrat für Arbeitnehmerrechte einsetzen möchten.

Auf Dauer wird es die IG Metall nicht akzeptieren, dass es einen großen tariflosen Betrieb gibt. 

Dirk Schulze zu Tesla

Dann sind ja die Voraussetzung gut, um einen Tarifvertrag bei Tesla anzupeilen.
Wir führen Gespräche mit vielen Beschäftigten, viele lassen sich beraten, auch wegen der Situation am Arbeitsplatz. Auf Dauer wird es die IG Metall nicht akzeptieren, dass es einen großen tariflosen Betrieb gibt.

Um einen Tarifvertrag bemüht sich Verdi bei Amazon seit Jahren vergeblich. Mit freiwilligen Gehaltserhöhungen nimmt Amazon Druck vom Kessel, und auch Tesla zahlt jetzt mehr.
Diese vier Prozent, die jetzt in Grünheide angekündigt wurden, und dann noch 2500 Euro im nächsten Jahr, sind mehr als berechtigt. Aber es ist ein Unterschied, ob ein Arbeitgeber seinen Leuten gönnerhaft mehr Geld zahlt oder ob ein Rechtsanspruch auf der Grundlage eines Tarifvertrags existiert. Wirkliche Sicherheit für die Beschäftigten gibt es nur mithilfe eines kollektiven Tarifvertrags, der für alle gilt.

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