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Die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastro steigt 2024 wieder von sieben auf 19 Prozent.

© dpa/Jens Kalaene

Update

Erhöhung der Mehrwertsteuer: Gastronomen erwarten drastische Preissteigerungen

Der reduzierte Steuersatz für die Gastronomie endet 2024. Der Gaststättenverband Dehoga rechnet mit Umsatzeinbußen und Insolvenzen. Gastronom Frank Rosin ist „zum Weinen“ zumute.

Die Gastro-Branche ist entsetzt, für die Kneipen- und Restaurantbesucher dürfte es 2024 noch teurer werden: Die Ampelkoalition hatte in der Nacht zum Freitag beschlossen, den reduzierten Satz von sieben Prozent auf Speisen für die Gastronomie zum Jahresende auslaufen zu lassen.

Er war wegen der Corona-Pandemie und der Folgen des Ukraine-Krieges eingeführt worden. Wegen der Energiekrise wurde die Regelung bis Ende dieses Jahres verlängert.

Ampel streitet um Mehrwertsteuererhöhung

Nach dem Haushaltsbeschluss hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nun seine Partner in der Regierungskoalition dafür verantwortlich gemacht. „Wenn alle Parteien an einem Strang gezogen hätten, wäre eine weitere Verlängerung drin gewesen“, sagte Lindner der „Bild am Sonntag“. „SPD und Grüne hatten aber andere Prioritäten.“

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Die reduzierte Mehrwertsteuer von sieben Prozent sei eine Krisenhilfe für die Gastronomie gewesen, die aufgrund der Entscheidungen der Großen Koalition schon dieses Jahr entfallen wäre. „Das konnte ich für 2023 verhindern“, sagte Lindner. Er verstehe, dass viele die Rückkehr zum Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf Speisen in Restaurants bedauern würden.

Widerspruch kam von den Grünen im Bundestag. Über einen Haushalt verhandele man gemeinsam, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andreas Audretsch. „Es lagen in einer schwierigen Haushaltslage viele Fragen und Vorschläge auf dem Tisch. Entscheidungen treffen wir in der Ampel gemeinsam. Es ist kein guter Stil, wenn der Finanzminister nachher nichts mehr mit den Beschlüssen zu tun haben will.“

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warf Lindner einem Vorabbericht des „Stern“ zufolge vor, sich von gemeinsamen Haushaltsentscheidungen zu distanzieren. „Eine faire Zusammenarbeit sieht anders aus.“ Es habe zur Mehrwertsteuer für die Gastronomie eine einvernehmliche Lösung gegeben. „Dieses Thema hat Herr Lindner dann einseitig von der Tagesordnung genommen.“ 

Gaststättenverband befürchtet Preiserhöhungen in der Gastronomie

Der Gaststättenverband Dehoga hatte erklärt, Umsatzeinbußen, Jobverluste, Betriebsaufgaben und Insolvenzen seien die Folge dieser Entscheidung.

Der Ökonom Marcel Fratzscher rechnet wegen der Rückkehr zum regulären Mehrwertsteuersatz auf Speisen in der Gastronomie mit Preissteigerungen von rund zehn Prozent.

Die Gastronomie hat die Preise in den vergangenen beiden Jahren bereits deutlich stärker erhöht als die Inflation. 

Marcel Fratzscher, Ökonom vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)

„Wahrscheinlich werden von den zwölf Prozentpunkten, die die Mehrwertsteuer jetzt in der Gastronomie steigt, 70 bis 80 Prozent an die Kunden weitergegeben“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) dem „Spiegel“.

Vielleicht hätten manche Restaurants aber auch noch einen Gewinnpuffer, denn „die Gastronomie hat die Preise in den vergangenen beiden Jahren bereits deutlich stärker erhöht als die Inflation“.

Grundsätzlich begrüßt der Experte die Entscheidung der Ampel, den abgesenkten Mehrwertsteuersatz nicht beizubehalten. Für eine Verlängerung gebe es keine Rechtfertigung mehr, die Corona-Krise sei vorbei. Zugleich sei die Subventionierung der Branche teuer und „das Geld fehlt irgendwo anders, für die Kindergrundsicherung und die Bekämpfung von Armut“, sagte er.

Frank Rosin ist „zum Weinen“ zumute

Auch Fernsehkoch und Unternehmer Frank Rosin verspürt große Existenzängste in der Gastronomie angesichts der wieder steigenden Mehrwertsteuer auf Speisen. „Es ist wirklich zum Weinen“, sagte Rosin der Deutschen Presse-Agentur.

Bei vielen seiner Kollegen und Gastronomie-Freunde gehe das Stimmungsbarometer trotz aller Leidenschaft für den Beruf gerade gegen null. Die vergangenen Jahre seien für die Gastronomie mit umfangreichen Einschränkungen in der Pandemie wie den Lockdowns die härtesten überhaupt gewesen.

Die Branche befinde sich gerade in einer Erholungsphase, „wo man wieder Mut fasst und vielleicht wieder gewisse Ziele vor Augen hat“, in der viele Gastronomen versuchten, ihren Betrieb zu restrukturieren oder neu aufzubauen.

Auch Fernsehkoch und Unternehmer Frank Rosin befürchtet nach der Entscheidung der Ampel eine Pleitewelle in der Gastronomie.

© dpa/Frank Rosin

„Und dann kriegt man gleichzeitig einen Knüppel in die Beine gekloppt und sagt nein, nein, das ist nicht möglich, denn mit dem Geld müssen wir hier und da letztendlich andere Dinge finanzieren, die uns vielleicht wichtiger sind“, kritisierte er. Der Beschluss sei eine „absolute Katastrophe“ und ein „Vertrauensbruch“.

Auch Rosin befürchtet ein Gastronomiesterben, das es zu verhindern gelte. Er verweist darauf, dass die Betriebe bei den großen Kostenblöcken Personal und Wareneinkauf ohnehin schon mit kräftigen Steigerungen konfrontiert seien.

Wenn nun auch noch die Mehrwertsteuer kräftig steige, sei das für etliche Gastronomen nicht mehr darstellbar, denn der Bürger müsse sich die Speisen auch noch leisten können.

Die steigende Mehrwertsteuer sei eine „Milchmädchenrechnung“, sagte Rosin: Bei einem Gastronomiesterben fielen Steuereinnahmen auf der anderen Seite aus. (lem)

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