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Missverhältnis. Fotovoltaikanlagen verbrauchen mehr als die Hälfte der Fördermittel, produzieren dabei aber deutlich weniger Strom als Windräder.

© dpa

Systemverantwortung: Aufstieg zur Energiewende

Die deutsche Stromwirtschaft zieht ihre Jahresbilanz: Im Dezember gab es so viel Windkraft wie nie zuvor. Der Netzausbau geht jedoch nicht so zügig vorran, wie es manchmal wünschenswert wäre.

Im Jahr von Fukushima und der Energiewende haben die Deutschen ihren Stromverbrauch ganz leicht reduziert. Nach ersten Schätzungen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) lag der Verbrauch bei 607 Milliarden Kilowattstunden (2010: 610 Milliarden). Die Einsparungen aufgrund des lauwarmen Sommers und des milden Winters konnten dabei den Mehrverbrauch aufgrund der stabilen Konjunktur mehr als ausgleichen. Nach der Braunkohle, die für 25 Prozent der Stromerzeugung hierzulande steht, erreichten erstmals die Erneuerbaren Energien mit einem Anteil von rund 20 Prozent den zweiten Platz vor der Steinkohle (19 Prozent). Das Energiekonzept der Bundesregierung sieht bis 2020 einen Anteil von 35 Prozent vor, 2030 sollen es 50 und 2050 sogar 80 Prozent Ökostrom sein.

Die Wende von Atomstrom und fossilen Energieträgern zu regenerativen Quellen kostet Geld – in diesem Jahr nach Prognosen des BDEW gut 14 Milliarden Euro. Nicht nur die Kosten, die der Verbraucher trägt, sondern auch die „Unzuverlässigkeit“ sind ein Problem von Wind und Sonne: Im vergangenen Jahr schwankte die Erzeugung durch Erneuerbare monatlich um bis zu 25 Prozent – je nach Windstärke oder Hochdrucklage. Dabei war der Dezember mit einer Produktionsmenge von 8,5 Milliarden Kilowattstunden aus Windenergieanlagen der bislang ergiebigste Monat, seitdem es Windräder zur Stromgewinnung gibt.

Diese schöne Nachricht hat indes auch eine negative Seite, wie die BDEW-Chefin Hildegard Müller am Mittwoch in Berlin betonte: Im Norden Deutschlands, wo fast alle Windräder stehen, gab es sehr viel Strom, in der Mitte waren die Stromnetze ausgelastet und im Süden kam es dann zu einem Engpass. So mussten am 8. und 9. Dezember die Übetragungsnetzbetreiber im Süden der Republik „auf Kapazitäten von österreichischen Reservekraftwerken zurückgreifen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten“. In diesem Zusammenhang bekräftigte Müller die Notwendigkeit eines schnelleren Netzausbaus hierzulande.

Gleichzeitig müssten die Produzenten von Erneuerbarer Energie aber auch mehr „Systemverantwortung“ übernehmen. „Mit dem Prinzip ,produce and forget’ – also der Stromerzeugung, wann immer sie möglich ist, und nicht, wenn der Strom gebraucht wird – ist das Ziel eines tragfähigen Versorgungssystems auf Basis der Erneuerbaren nicht zu erreichen“, sagte Müller. Auf Grundlage des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) kann sich beinahe jeder eine Solaranlage auf das Dach montieren oder ein Windrad aufstellen; für den Strom gibt es dann eine festgeschriebene Vergütung.

Um dieses System so langsam Richtung Markt und Wettbewerb zu drehen, hat sich die Politik die sogenannte Marktprämie einfallen lassen: Der Produzent von Ökostrom kann seit Januar selbst entscheiden, ob er sich den Strom wie bislang über das EEG bezahlen lässt oder ihn selbst an der Strombörse verkauft und damit ein unternehmerisches Risiko eingeht, wofür es eine Prämie gibt. Im Januar haben Müller zufolge 43 Prozent der Windstromhersteller die Börse gewählt. Alles in allem soll die Marktprämie „Anreize für eine bedarfsgerechte und marktorientierte Erzeugung“ setzen.

Ob die Prämie tatsächlich kostenneutral ist, indem sie den EEG-Aufwand reduziert, ist offen. Doch immerhin sei die Marktprämie „das einzige lernende System“ in der gesamten Förderkulisse der Erneuerbaren – ohne allerdings die Photovoltaik zu erfassen. Mehr als die Hälfte der Förderung landet bei den Produzenten von Solarstrom. Auch deshalb wurden im vergangenen Jahr Solarpaneele für 7500 Megawatt installiert – so viel wie noch nie. Die Förderung sinkt zwar sukzessive, ist aber nach einer weitverbreiteten Einschätzung noch immer zu hoch. Kommende Woche will Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) mit der Solarlobby über Kürzungen reden.

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