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Sport: ZEN ZU NULL Erfolgreich gescheitert Eine Meditation

Einunddreißig Tage lang hat sich unser Leben ausschließlich um den Fußball gedreht. Meditierend haben wir vertieft, was uns vorher nur vage bewusst war: Fußball ist mehr als Tore, Tore, Tore, Fußball ist Philosophie.

Einunddreißig Tage lang hat sich unser Leben ausschließlich um den Fußball gedreht. Meditierend haben wir vertieft, was uns vorher nur vage bewusst war: Fußball ist mehr als Tore, Tore, Tore, Fußball ist Philosophie. Ein letztes Mal heben wir heute den Ball auf eine höhere Ebene.

Von Wolfram Eilenberger

Ein Fazit liegt nahe, doch „das Wesentliche lässt sich nicht festhalten“, sagt uns der Meister. Was also nehmen wir nach diesem Monat eingehendster Fußball- und Selbstbetrachtung mit, jetzt, da wir widerwillig ins Leben zurückkehren?

Wir wagten zu hoffen (im Spiel gegen Saudi-Arabien), wurden enttäuscht (Irland), überlebten geschwächt (Kamerun), sahen die Leere (Paraguay) und den Abgrund (USA), begehrten erfolgreich auf (Südkorea), waren plötzlich wieder wer im Finale gegen Brasilien (erste Halbzeit) und scheiterten schließlich an uns selbst (zweite Halbzeit). Tröstend versucht man, uns abzulenken und das Erlebte als eine geglückte Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft im Jahr 2006 zu verstehen.

Aber wir sind keine Kinder, brauchen also nicht getröstet zu werden. Denn dieses Finale, es war ein schönes Finale. Als wir uns dem Fußball hingaben und willig zuließen, dass andere mit unseren Gefühlen spielen, ging es uns ja gerade um diese urplötzlichen Momente von Überraschung und Enttäuschung. Um jene Unmittelbarkeit, die keine Beschreibung je einholen wird. „Das Wesentliche lässt sich nicht festhalten“, wiederholt der Meister zum Abschied.

Nein, er ließ sich nicht festhalten, jener Augenblick zärtlicher Tragik, der alles entschied und in dem Kahn ein Mensch blieb. Wie ein Sinnbild für die gesamte Weltmeisterschaft, für alle gescheiterten Favoriten, Experten und Fans stand dieser Moment: Da nickt er, der Beste des Turniers, doch auch seine mächtigen Arme bekommen den Fußball letztlich nicht zu fassen. Der Meister verabschiedet uns und wünscht, wir mögen diesen menschlichsten WM-Augenblick freudig im Herzen wahren bis zum Jahr 2006 in Berlin.

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