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Einer-Ruderer Oliver Zeidler hat als einziger Deutscher bei der WM das Finale erreicht.

© imago/CTK Photo / IMAGO/Ondrej Hajek

WM im Rudern: Das deutsche Debakel ist hausgemacht

Dass nur zwei Boote bei der WM das Finale erreicht haben, ist ein weiterer Beleg für den Abwärtstrend im deutschen Rudern. Schuld sind aber nicht unbedingt die Sportler.

Ein Kommentar von Jörg Leopold

Oliver Zeidler hat das Finale bei der Ruder-WM in Racice erreicht. Normalerweise wäre das keine große Schlagzeile wert, schließlich rudern die Deutschen bei Weltmeisterschaften um Medaillen und nicht um Finalplätze. So zumindest die Theorie und so ist es in der Vergangenheit auch oft genug gewesen. In diesem Jahr aber ist Zeidler in seinem Einer-Boot der einzige Vertreter des Deutschen Ruder-Verbandes (DRV) mit realistischen Medaillenchanen in einem Endlauf. Nur der Doppelzweier der Frauen schaffte es außerdem noch ins Finale.

Noch einmal zum sacken lassen: In 14 olympischen Bootsklassen fallen am Wochenende in Tschechien Entscheidungen um Gold, Silber und Bronze, zwölf Mal ist Deutschland dabei nur Zuschauer. Selbst der Männer-Achter verpasste am Freitag einen der zur Endlauf-Qualifikation notwendigen ersten beiden Plätze – zwischen 2009 und 2020 war dieses Boot bei internationalen Meisterschaften immer mindestens Zweiter geworden.

Und jetzt das. Natürlich, es gab am Freitag noch kurzfristig einen Coronafall im Team, ob die Chancen deswegen aber größer gewesen wären, darf bezweifelt werden. Schließlich musste der Achter bereits in den Hoffnungslauf, weil der Vorlauf schief ging.

Zeidler hatte dem Verband kürzlich „Ahnungslosigkeit“ vorgeworfen

Das Abschneiden in Racice ist aber nur ein weiterer Beleg für einen Abwärtstrend im deutschen Rudern, der unübersehbar ist. Schon bei der Heim-EM vor ein paar Wochen in München reichte es nicht für einen Titel, so wie auch bei Olympia in Tokio. Zuletzt gab es zudem interne Differenzen, ein eiligst einberufener Expertenrat wurde auf Drängen der Sportler gleich wieder aufgelöst.

Vor der EM hatte Zeidler zum Rundumschlag gegen den Verband ausgeholt und den Funktionären „Ahnungslosigkeit“ vorgeworfen. Cheftrainerin Brigitte Bielig versuchte die schlechten Resultate mit einem Umbruch zu erklären. Tatsächlich – und auch das gehört zur Wahrheit – gibt es den, das allerdings gilt auch für andere Nationen in einem nacholympischen Jahr. Dabei gibt es immer noch genügend Talente. Bei der U23-WM holte Deutschland kürzlich zehn Medaillen. Potenzial ist also noch vorhanden, es wird offenbar nur nicht abgerufen.

Dass nun bei der WM die letzten Hoffnungen auf Zeidler ruhen, hat durchaus etwas von unfreiwilliger Komik. Einer der größten Kritiker an der Leistungsbereitschaft innerhalb der Verbandsführung zeigt immerhin selbst Leistung. Vielleicht gibt das ja noch einmal einen zusätzlichen Denkanstoß. Das deutsche Rudern muss die Defizite gründlich aufarbeiten – und sollte dabei auf die Sportler vertrauen. Die kennen schließlich die Probleme am besten.

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