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Sport: Unerlaubter Weitschuss (Ix): Im Schornstein

Beim unerlaubten Weitschuss pfeift der Eishockey-Schiedsrichter ab. Wir aber fangen erst richtig an.

Beim unerlaubten Weitschuss pfeift der Eishockey-Schiedsrichter ab. Wir aber fangen erst richtig an. Mit Geschichten, die schon mal über das olympische Ziel hinausschießen.

Für sich genommen ist so ein Heizkraftwerk nicht besonders ansehnlich. Zwei Meter hohe Zäune schützen eine Anlage, in der sich Stromleitungen, Strommasten und Transformatoren drängen, über allem thront ein riesiger Brennofen mit drei noch riesigeren Schornsteinen. Was kann man tun, wenn man Salt Lake City heißt, die Olympischen Winterspiele in der Stadt hat, und die trostlose Ästhetik seines Heizkraftwerkes verbessern will? Man hängt eine 30 Quadratmeter große US-amerikanische Fahne zwischen die Schornsteine.

So bekommen die Olympia-Besucher bereits auf der Fahrt vom Flughafen nach Downtown vor Augen geführt, dass es sich in diesem Jahr um die amerikanischen Winterspiele handelt. Wer das nicht glaubte, wurde bei der Eröffnungsfeier eines Besseren belehrt. Die meisten Zuschauer erlebten ihren emotionalen Höhepunkt, als die durchlöcherte US-amerikanische Fahne aus dem World Trade Center in das Rice-Eccles-Stadion getragen wurde. Den nächsten Feiertag erlebten die Freunde der Sterne und Streifen, als drei US-amerikanische Snowboarder für ihre Kunststücke in der Halfpipe am vergangenen Montag mit allen drei Medaillen belohnt wurden. "Ju-ess-ey" riefen die Fans, und die Party wurde richtig wild, als die Rockgruppe Foo Fighters aufspielte. Seitdem jedoch hängt der Starspangled-Banner ein bisschen durch. Die "Salt Lake Tribune" konnte am Donnerstag zum ersten Mal nicht die Flamme oder einen Amerikaner auf das Titelblatt heben, sondern musste mit dem Schweizer Simon Ammann vorlieb nehmen. Am Freitag folgte ihm der Russe Aleksej Jagudin, am Samstag das kanadische Eiskunstlaufpaar. Im Fernsehen lief am Wochenende anstatt Zweier-Bobfahren auf den meisten Kanälen College-Basketball. Und auch die Fahne über dem Heizkraftwerk ist verschwunden.

Was ist passiert? Bereits am zweiten Tag hatte sich der 30 Quadratmeter große Stoff vom mittleren Schornstein losgerissen. Als hätte sie ein wütender olympischer Geist hineingestopft, steckte sie in der Öffnung des linken Schornsteins. Am dritten Tag war sie verschwunden und wurde nie mehr aufgehängt. Das sollte man sich vielleicht merken: Wer seine Fahne größer anlegt und höher hängt, kann auch früher enttäuscht werden.

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