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Nora Mørk (Mi.) wurde als beste Spielerin des Finalspiels ausgezeichnet.

© imago images / Beate Oma Dahle

Seltsame Geschichten bei der Handball-EM der Frauen: Spionage und Spielplanchaos

Die Handball-Europameisterschaft war ein Turnier der sportlichen Höchstleistungen, das die Norwegerinnen am Ende gewinnen konnten. Daneben sorgten einige Randgeschichten für Diskussionen.

Nora Mørk konnte nicht anders, als einfach nur noch zu lächeln. Das lag allerdings weniger an der Auszeichnung zur Spielerin des Spiels, die sie gerade erhalten hatte und die relativ schnell auf dem Handballparkett landete. Denn die persönliche Ehrung war nur das i-Tüpfelchen des Abends, der nach dem 27:25-Sieg der Norwegerinnen über Dänemark ohnehin kaum noch zu veredeln war. Mørk, die in Lubljana zusätzlich als erfolgreichste Werferin des Turniers ausgezeichnet wurde, wollte einfach nur mit ihrem Team feiern und sich nach dem siebzehntägigen Terminstress ihre verdiente Belohnung abholen.

Ähnlich ging es ihren Teamkameradinnen Henny Reistad und Stine Oftedal, die selbstredend dankbar für ihre goldenen Bälle als Zeichen ihrer All-Star-Wahl waren, aber es dann doch auf ein anderes Gold abgesehen hatten. Und das gab es dann endlich auch, als am späten Abend die Zeremonie der 15. Handball-Europameisterschaft der Frauen stattfand, bei der Norwegen zum neunten Mal das begehrte Edelmetall holte und sich damit gleichzeitig die Olympiaqualifikation sicherte.

Sich in den Armen liegend genossen die Frauen ihren Triumph, während die verständlicherweise noch enttäuschten Däninnen mit ihrer Silbermedaille nicht so recht glücklich waren, dafür aber auf der anderen Seite der Halle die Montenegrinerinnen inbrünstig den mittlerweile erklungenen Queen-Klassiker „We are the Champions” mitsangen und sich nach dem Sieg gegen Olympiasieger Frankreich über Bronze und damit die WM-Qualifikation freuten.

Es war ein emotionaler Abschluss des Turniers in Slowenien, Montenegro und Nordmazedonien, das in doppelter Weise historisch war. Zum einen, war es das letzte Mal, dass das Teilnehmerfeld aus 16 Mannschaften bestand – 2024 wird die Zahl auf 24 aufgestockt. Zum anderen war es das erste Mal, dass sich drei Nationen als Ausrichter zusammengetan hatten, was bei der kommenden Europameisterschaft in Ungarn, Österreich und der Schweiz erneut der Fall ist.

Ein Turnier der sportlichen Höchstleistungen

Vor allem war es aber ein Turnier, das sportliche Höchstleistungen zeigte und in dem die Handballerinnen nun wirklich mit dem in einigen Köpfen noch immer vorhandenen Klischee aufräumten, dass die Frauen den Männern sportlich nachstehen würden. Denn gezeigt wurde ein schneller, attraktiver Sport, der bis zum letzten Wurf spannend war.

Die Französinnen begeisterten mit taktischer Raffinesse, Dänemark zeigte, wie souveräner Tempohandball gespielt wird, Montenegro kam dem Veranstaltungsmotto „Play with Heart” in jeder Sekunde auf dem Feld nach. Und dann waren da eben die Norwegerinnen, die im Finale über 50 Minuten zurücklagen, aber geduldig auf ihre Chance warteten und letztlich mit ihrer individuellen Klasse und nicht zuletzt durch den nie endenden Einsatz einer Nora Mørk den Titel holten – und das obwohl fünf Leistungsträgerinnen fehlten.

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Das sorgte allerdings für kaum Verwunderung, wenngleich das Turnier doch einige interessante Randgeschichten zu erzählen hatte. So zum Beispiel als die Spanierinnen beim Sieg gegen Deutschland die letzten zwei Bälle absichtlich wegwarfen, um mit dem bestmöglichen Ergebnis und zwei Punkten mehr in die Hauptrunde einzuziehen.

Die dadurch ausgeschiedenen Polinnen klagten über Betrug, aus Norwegen kamen sogar Forderungen nach Sanktionen – nicht zuletzt, weil die norwegischen Männer 2012 ein ähnliches Schicksal ereilt hatte, nachdem Slowenien gegen Island ein Spiel verschenkt hatte. Reaktionen seitens der Europäischen Handball-Föderation (EHF) gab es indes keine, allerdings wird die Kritik an den versetzten Hauptrundenspielen, die derartige Berechnungen erst ermöglichten, wohl auch dort angekommen sein.

Spielplanchaos wegen der Fußball-WM in Katar

Und apropos Spielplan: Diesbezüglich gab es ebenso kritische Rückmeldungen der Deutschen, die zwei Spiele innerhalb von 17 Stunden bestreiten mussten. Ohnehin war die Terminanlage mehr als eng, um das Turnier in der laufenden Saison unterbringen zu können. Denn, und das sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die EM zu diesem ungewöhnlich frühen Zeitpunkt stattfand und nicht wie gewohnt im Dezember, war der Fußball-Weltmeisterschaft geschuldet, der die Organisatoren aus dem Weg gehen wollten. Das klappte letztlich nicht so ganz, weil man sich in Katar entschied, das Eröffnungsspiel vor dem eigentlichen Turnierstart auszuspielen, weshalb das Finale der Frauen noch einmal auf die späten sonntäglichen Abendstunden verlegt wurde.

17
Stunden, innerhalb derer die deutschen Handballerinnen zwei Spiele bestreiten mussten

Dafür sind die Veranstalter indes nur teilweise verantwortlich – die hatten allerdings andere Probleme. Als Slowenien beispielsweise unerwartet deutlich gegen Serbien gewann, wurden nicht nur positive Schlagzeilen produziert. Denn wie sich herausstellte, hatte das Team zuvor beim Training eine in einem Pappkarton versteckte Kamera aufgestellt und ihre Gegnerinnen gefilmt. „Spionage” klagte Serbien, Slowenien hingegen behauptete, sie hatten eine Spielerin zum Geburtstag überraschen wollen – nur wurde niemand im Team ein Jahr älter.

Ein anderer Vorwurf galt dem montenegrinischen und nordmazedonischen Publikum. „Die feuern ihre Mannschaft nicht nur frenetisch, sondern fanatisch an, bespucken teilweise ihre Gegnerinnen”, monierte der Präsident des Deutschen Handballbundes (DHB) Andreas Michelmann. „Auf der anderen Seite haben wir teilweise Kulissen gehabt, bei der jede Bezirksliga-Mannschaft mithalten kann. Da habe ich mich an Corona-Zeiten erinnert gefühlt, wenn die Heim-Teams nicht gespielt haben.”

Michelmann betonte unterdessen, dass dieses Argument nicht als Ausrede für die deutschen Frauen gelten solle, die mit ihrem siebten Platz weder ihrem Traum von Olympia näher kommen konnten, noch das Ticket für die nächste Weltmeisterschaft in Schweden, Norwegen und Dänemark lösten.

All das interessierte Nora Mørk und ihre Teamkolleginnen am Sonntagabend herzlich wenig. Für sie und viele andere war es eine gelungene Europameisterschaft. Sie können glücklich in den Liga-Alltag zurückkehren – und werden sich ihr Lächeln sicher noch eine Weile beibehalten.

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