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Ab sofort mit Adler auf dem Trikot. Tanja Pawollek und ihre Kolleginnen aus Frankfurt spielen seit dieser Saison für die Eintracht.

© Hartenfelser/Imago

Turbine Potsdam tritt in Frankfurt an: Mit den Männern in Eintracht

Frankfurt und Potsdam dominierten als Frauenklubs einst die Fußball-Bundesliga. Jetzt suchen beide den Anschluss - die Hessinnen unter dem Dach der Eintracht.

Alles in Eintracht. Siegfried Dietrich ist zufrieden, wie sich die Dinge am Main entwickeln. Nachdem im vergangenen Juli der Frauen-Fußballverein 1. FFC Frankfurt mit dem Bundesligisten Eintracht Frankfurt fusionierte, ist Dietrich voll des Lobes. „Wir sind in einer großen Familie hervorragend aufgenommen worden“, schwärmt der langjährige FFC-Manager, der jetzt Generalbevollmächtigter der Eintracht Frankfurt Fußball AG und Sportdirektor der Frauen ist. Doch wegen des hohen Wohlfühlfaktors haben sich die Frankfurter Fußballerinnen nicht unters Dach der Eintracht begeben. „Es musste dahin gehen, um in Deutschland und in Europa wieder wettbewerbsfähig zu werden“, sagt Dietrich.

Allein das klingt schon sehr optimistisch, denn die europäische Bühne - die Uefa Woman's Champions League – haben die Frankfurter Spielerinnen seit der Saison 2015/16 nicht mehr betreten. Zuvor galt der hessische Klub als das Maß der Dinge in Europa – sechsmal stand der 1. FFC Frankfurt im Champions-League-Finale, viermal gewann er die Trophäe. Zuletzt 2015, was Dietrichs Prognose nach „wahrscheinlich der letzte Sieg eines eigenständigen Frauenfußballklubs“ im Europapokal war.

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Gemeinsam mit dem langjährigen deutschen Dauerrivalen Turbine Potsdam, der zweimal den europäischen Titel gewann, musste der 1. FFC Frankfurt zuschauen, wie in der Bundesliga der VfL Wolfsburg und FC Bayern München auf der Überholspur vorbeizogen und dabei das Dauer-Abo für die Champions League buchten. In ihren erfolgreichen Jahren hätten Potsdam und Frankfurt die Bundesliga und den deutschen Frauen-Fußball unglaublich vorangetrieben, reflektiert Dietrich. „Das ist eine ganz wichtige Zeit gewesen“, sagt er.

Doch ihm sei schon seit einigen Jahren klar, dass es neuer Modelle bedarf, um den steigenden finanziellen Belastungen gerecht zu werden, wenn vor allem die internationale Wettbewerbsfähigkeit Anspruch und Maßstab bleiben sollen. Für Dietrich hieß das, den Frankfurter Frauenfußball dort unterzubringen, wo die besten Strukturen und Möglichkeiten bestehen: bei Eintracht Frankfurt.

Die Veränderungen seien bereits spürbar, sagt Dietrich. Das Funktionsteam ist mit zusätzlichen Trainern und Physiotherapeuten größer geworden, in den Eintracht-Medienbereich ist die Frauen-Abteilung voll integriert und werde somit professioneller dargestellt. Bei Marketing und Ticketing profitieren die Frauen von den professionellen Strukturen des Männer-Bundesligaklubs.

„Es ist total spannend zu sehen, wie jetzt gemeinsam das umgesetzt wird, was ich mir schon seit Jahren gewünscht habe“, sagt Dietrich. Doch er weiß, dass der Rückstand auf die Profiklubs aus München und Wolfsburg nicht innerhalb einer Saison aufzuholen ist. „Wir gehen Schritt für Schritt und setzen uns nicht unter Druck“, sagt der 63-Jährige.

Dass Frankfurt im vergangenen Sommer Turbines Torjägerin Lara Prasnikar abwarb, tat dem Rivalen weh

Das macht auch der Blick auf den aktuellen Tabellenstand deutlich. Nach acht Spieltagen hat Eintracht Frankfurt als Vierter zehn beziehungsweise acht Punkte Rückstand auf das Führungsduo München und Wolfsburg. Zwei Zähler weniger sind es auf den derzeitigen Dritten Turbine Potsdam. Am heutigen Freitag kommt es zur Neuauflage des traditionellen Klassikers Frankfurt gegen Potsdam (Beginn: 19.15 Uhr, Eurosport).

Es ist nicht nur das Duell zweier Mannschaften, die im kommenden Jahr unbedingt wieder in der Champions League spielen wollen, wenn erst mal die besten drei Teams aus den nationalen Ligen mitspielen dürfen. Es ist auch ein Aufeinandertreffen zweier Philosophien für die eigene Zukunft. Während der 1. FFC Frankfurt 22 Jahre nach seiner Gründung seine Eigenständigkeit aufgab und sein Glück durch eine „Traumhochzeit“, wie Dietrich die Fusion nennt, schmiedet, will Turbine Potsdam Single bleiben. Aber mit einem starken Partner an der Seite. Seit vergangenem Sommer kooperiert der Verein mit Hertha BSC.

Der Wechsel von Sofian Chahed von der Spree an die Havel im vergangenen Sommer war ein erstes großes Achtungszeichen hinter der Zusammenarbeit. Der Ex-Profi trainierte bis dahin erfolgreich die Hertha-U16 und ist nunmehr Cheftrainer der Turbine-Frauen. „Finanzielle, sportliche und inhaltliche Unterstützung“, will der Berliner Bundesligist in den kommenden drei Jahren über die Stadtgrenze nach Potsdam transferieren.

Ähnlich wie in Frankfurt geben sich die Verantwortlichen bei Turbine etwas Zeit, um den Anschluss an die deutsche Spitze wieder hergestellt und sich allein durch die Teilnahme an der Champions League wirtschaftlich finanziell so gestärkt zu haben, um dauerhaft konkurrenzfähig zu bleiben. Spürbar ist der Wettbewerb indes bereits jetzt. Dass Frankfurt im vergangenen Sommer erfolgreich Turbines Torjägerin Lara Prasnikar abwarb, tat dem Rivalen durchaus weh.

Durch den Zweikampf zwischen Frankfurt und Potsdam, der viele Jahre die deutsche Meisterschaft geprägt hat, und durch zahlreiche Scharmützel mit Turbine-Urgestein Bernd Schröder hat Dietrich eine intensive Beziehung zu dem märkischen Klub. Er beobachtet aufmerksam und anerkennend dessen Entwicklung. „Potsdam hat einen anderen Weg gefunden“, sagt er und meint: „Jeder muss sein eigenes Geschäftsmodell finden.“ Von den Spielerinnen werde immer mehr erwartet, dass sie professionell arbeiten sollen.

Die Bewerbung für die WM 2027 ist ein gutes Signal

„Das verlangt auch, dass wir ihnen professionelle Bedingungen geben und sich das auch finanziell widerspiegelt“, sagt Dietrich. Für ihn sei daher die Fusion mit der Eintracht die beste Wahl gewesen, um zumindest eine Chance zu haben, die Frankfurter Frauen wieder in die deutsche und europäische Spitze zu führen.“ Dabei stellt er sich auf weitere Konkurrenz in der Liga ein. Neben Frankfurt und Potsdam werden mit der TSG Hoffenheim, Bayer Leverkusen und dem SC Freiburg weitere Frauenmannschaften wachsende sportliche Ansprüche in der Bundesliga stellen – allesamt unter dem Dach von Profiklubs.

Der sportliche Ausgang des deutschen Evergreens Frankfurt gegen Potsdam am heutigen Freitagabend wird den Wert einer tagesaktuellen Erfolgsmeldung haben. Es geht ums Prestige der beiden Rivalen und natürlich um Punkte in der aktuellen Meisterschaft. Eine Aussage aber, wie tauglich die Zukunftsmodelle der beiden Klubs sind, wird die Partei und deren Ergebnis noch nicht liefern.

Und womöglich macht ein ganz anderer Faktor beide Vereine für die Zukunft stark. Allein die Bewerbung Deutschlands gemeinsam mit Belgien und den Niederlanden um die Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft 2027 nennt Dietrich, der auch Vorsitzender des DFB-Ausschusses der Frauen-Bundesligen ist, ein herausragendes Signal. Er setze große Hoffnungen in die Bewerbung, denn der Frauen-Fußball brauche einen neuen Hype. Davon würden viele profitieren.

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