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Sport: Im Rausch

Wie Kiels Handballer ins Europa-Finale stürmten

Lange Zeit hatte es nach einer Fortsetzung des scheinbar ewigen Traumas ausgesehen. Im Halbfinalrückspiel der Champions League lag der THW Kiel bereits 12:16 (19. Minute) zurück und musste zu diesem Zeitpunkt nach der 28:30-Hinspielniederlage bei Portland San Antonio schon sechs Tore aufholen. Das seit Jahren ausgegebene Ziel, den Triumph in der höchsten europäischen Klasse des Handballs zu erreichen, schien erneut in weite Ferne gerückt. Doch dann stellte THW-Trainer Zvonimir Serdarusic von einer 6:0-Deckung auf eine offensivere 5:1-Formation um, und damit „kam endlich das Adrenalin in unsere Körper“, sagte später der überragende THW-Kapitän Stefan Lövgren. Der THW setzte zu einer atemberaubenden Aufholjagd an. Unterstützt von den fanatischen 10 250 Zuschauern in der bebenden Ostseehalle führte der deutsche Rekordmeister 150 Sekunden vor der Schlusssirene mit sechs Toren, gewann am Ende 37:34 (20:19) und zog nach 2000 zum zweiten Mal in das Finale ein.

„Wenn vier Tore nötig gewesen wären, hätten wir auch mit vier Toren gewonnen“, sagte ein sichtlich gelöster Serdarusic. Den Finalgegner ermitteln heute der spanische Tabellenfünfte CBM Valladolid und der deutsche Vizemeister SG Flensburg-Handewitt (19 Uhr, live bei Eurosport). Die Flensburger sind nach dem knappen 32:30-Sieg im Hinspiel nur Außenseiter. Sollte sich Valladolid durchsetzen, müsste der THW im Finale zuerst zu Hause antreten, weil die Spanier dreimal hintereinander das Rückspiel eines europäischen Finales auswärts bestreiten mussten. Falls Flensburg weiterkommt, entscheidet das Los, wer das Rückspiel zu Hause bestreiten darf. Kiel hat erneut gezeigt, was das für ein enormer Vorteil ist.

Spektakulären Handball bot schon das Halbfinale. Beim spanischen Tabellenführer zeigte der kroatische Mittelmann Ivano Balic eine sensationelle Leistung, brach immer wieder durch die Kieler Abwehr, warf zehn Feldtore und setzte seine Mitspieler mit überragenden Anspielen in Szene. „Vor ihm sollte man sich verbeugen. Was der hier gezaubert hat, war Weltklasse“, sagte THW-Manager Uwe Schwenker. Doch Balic allein konnte die Spanier nicht ins Finale führen.

Dabei hatten die Kieler einige Ausfälle im Spiel zu verkraften: Linkshänder Kim Andersson traf nur einmal aus sieben Versuchen, Kreisläufer Pelle Linders fing einige Bälle nicht, Weltmeister Christian Zeitz war nur kurzzeitig im Spiel und auch Keeper Thierry Omeyer konnte zunächst nicht an die große Form des Hinspiels anknüpfen. Und dennoch drehten sie „mit einem unglaublichen Kraftakt“ (Schwenker) das Spiel. Dabei erwischte neben dem überragenden Kapitän Lövgren (acht Tore), der in der entscheidenden Phase in Unterzahl zwei Tore zum 30:25 erzielte, auch der Halblinke Nikola Karabatic einen Glanztag. Mit seinen brachialen Durchbrüchen war der Franzose mit zehn Toren bester Kieler Schütze. Höchst effektiv spielten auch Rechtsaußen Vid Kavticnik (sieben Tore) und Linksaußen Dominik Klein, der sich in einen wahren Spielrausch steigerte. Der Weltmeister erzielte nicht nur sieben Tore, sondern störte auch als vorgezogener Verteidiger in der 5:1-Deckungsformation die Kreise des Weltstars Balic.

„Klein hat auf dieser Position fantastisch gespielt“, sagte der 41-jährige Russe Andrej Tschepkin, den Kiel zuvor in einem Blitztransfer verpflichtet hatte. Zehn Minuten spielte der 2,06 Meter große Hüne, der mit dem FC Barcelona sechs Mal die Champions League gewonnen hat. Klein gab das Kompliment zurück: „Seine riesige Erfahrung hilft uns sehr. Wir haben jetzt einen russischen Kuschelbären in der Mannschaft.“

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