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Die Argentinierin Nadia Podoroska gehört zu den Spielerinnen, die Kritik üben.

© IMAGO/NurPhoto/IMAGO/Flaviu Buboi

„Für mich persönlich gibt es Grenzen“: Saudi-Arabien trägt Tennisturniere aus – Spielerinnen protestieren

In Saudi-Arabien steht Homosexualität unter Strafe. Zugleich heißt das Land queere Personen bei den WTA Finals willkommen. An dem „Sportswashing“ gibt es vermehrt Kritik – auch aus der Tenniswelt.

Es ist eine Ankündigung, die zuletzt für viel Kritik sorgte: Queere Paare dürfen sich bei Sportturnieren in Saudi-Arabien gemeinsam ein Hotelzimmer nehmen. „Uns ist zugesichert worden, dass jeder in Saudi-Arabien willkommen sein wird, unabhängig von der sexuellen Orientierung oder Religion“, sagte Marina Storti vom Tennis-Weltverbandes (WTA) gegenüber der Zeitung „The Telegraph“. „Wenn gleich­geschlechtliche Paare nach Riad reisen und ein Hotelzimmer teilen wollen, wird das möglich sein.“

Hintergrund ihrer Ankündigung sind die WTA-Finals der Frauen, die im November in der Hauptstadt Riad stattfinden. Doch während queere Menschen aus dem Ausland willkommen geheißen werden, müssen queere Saudis um ihr Leben fürchten. Denn in Saudi-Arabien wird Homosexualität weiterhin kriminalisiert. Im schlimmsten Fall droht sogar die Todesstrafe, die in den vergangenen Jahren auch teilweise umgesetzt wurde, wie aus einer Statistik von „ILGA World“ hervorgeht.

Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch sprechen daher von „Sportswashing“. Der Vorwurf: Saudi-Arabien versuche mithilfe des Sports sein internationales Image reinzuwaschen. Prunkvolle Sportevents sollen über Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land hinwegtäuschen. Denn allein im vergangenen Jahr hat das Regime mindestens 170 Menschen hinrichten lassen. Das diskriminierende Vormundschaftssystem für Frauen wurde nicht gänzlich abgeschafft.

„Globale Tennisorganisationen sollten nicht dazu beitragen, die Unterdrückung in Saudi-Arabien zu unterstützen“, forderte Minky Worden, Direktorin für globale Initiativen bei Human Rights Watch.

In Riad sollen bald die WTA-Finals ausgerichtet werden.
In Riad sollen bald die WTA-Finals ausgerichtet werden.

© IMAGO/Pond5 Images/IMAGO/xnataliamilko250x

Im Februar hatten die Tennisverbände und Saudi-Arabien eine „mehrjährige strategische Partnerschaft“ angekündigt. In diesem Rahmen sollen die WTA-Finals bis einschließlich 2026 jedes Jahr in Riad ausgerichtet werden. In diesem Jahr wurde ein Preisgeld von über 15 Millionen US-Dollar in Aussicht gestellt – für ein Turnier außerhalb von Großereignissen wie Wimbledon oder den drei anderen Grand Slams ein echter Rekord.

„Alle werden sich sehr willkommen fühlen“, wurde Arij Mutabagani, Präsidentin des saudischen Tennisverbands, in einer Mitteilung der WTA zitiert. „Unser Land ist auf dem Vormarsch. In den letzten Jahren wurde bereits viel erreicht und viele historische Schritte von Frauen in allen Bereichen unternommen. Der Sport macht einen großen Teil des Fortschritts in unserer gesamten Gesellschaft aus.“

Einige sehen in der Verlegung einen „bedeutenden Rückschritt“

Doch von zahlreichen Profispielerinnen gibt es Kritik an der Partnerschaft. Bereits zu Beginn des Jahres hatten sich die beiden Tennislegenden Martina Navratilova und Chris Evert in einem Brief gegen die Pläne ausgesprochen. „Es handelt sich nicht nur um ein Land, in dem Frauen nicht als gleichberechtigt angesehen werden, sondern auch um ein Land, das die LGBTQ-Gemeinschaft kriminalisiert“, heißt es in dem Brief. Die Verlegung der WTA-Finals sei ein „bedeutender Rückschritt“ und schade dem Frauensport.

Martina Navratilova hat die Ausrichtung der Wettbewerbe der Frauen in Saudi-Arabien kritisiert.
Martina Navratilova hat die Ausrichtung der Wettbewerbe der Frauen in Saudi-Arabien kritisiert.

© IMAGO/NurPhoto/IMAGO/Artur Widak

Im Profibereich gibt es zudem einige Spielerinnen, die offen queer sind. So etwa die Russin Daria Kasatkina, die derzeit auf Platz elf der Weltrangliste steht. Sie hatte 2022 öffentlich gemacht, lesbisch zu sein und betont, dass es gerade für junge Menschen wichtig sei, „wenn Sportlerinnen oder andere bekannte Persönlichkeiten darüber reden“. In ihrem Heimatland werden queere Menschen verfolgt.

Beim Turnier in Wimbledon wurde Kasatkina im vergangenen Sommer gefragt, was sie von den Plänen bezüglich der WTA-Finals halte. „Es ist schwer, darüber zu sprechen“, sagte sie dem Magazin „Outsports“ zufolge. „Für mich persönlich dreht sich nicht alles ums Geld.“

Menschenrechtsorganisationen fordern politische Reformen

Ähnlich äußerten sich Nadia Podoroska und Guillermina Naya, die in einer Beziehung sind und gemeinsam an einigen Wettbewerben teilgenommen haben. „Der Weltverband sollte auf die Spielerinnen und auf Frauen im Allgemeinen hören“, sagte Podoroska. „Ich würde es nicht unterstützen, wenn die WTA-Finals in Saudi-Arabien ausgetragen würden.“ Und sie ergänzte: „Für mich persönlich gibt es Grenzen.“

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Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch haben die Tennisverbände dazu aufgefordert, Druck auf die saudische Regierung auszuüben, damit Inhaftierte freigelassen und Frauenrechte effektiv umgesetzt würden. Die Ausrichtung von Sportturnieren soll an politische Reformen geknüpft werden. Überdies sollten Athleten und Athletinnen laut Human Rights Watch die Möglichkeit haben, Menschenrechtsverletzungen öffentlich anzuprangern.

Inwiefern das gelingt, ist allerdings fragwürdig. Zumindest in der Formel 1, wo zahlreiche Rennen in Saudi-Arabien stattfinden, gibt es diesbezüglich sogar Beschränkungen. Nachdem Fahrer wie Lewis Hamilton öffentlich Kritik geäußert hatten bezüglich der Lage von queeren Personen, nahm die Regelbehörde Fia eine Regeländerung vor. „Politische, religiöse und persönliche Äußerungen“ ohne vorherige Genehmigung sind seit zwei Jahren verboten.

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