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Potthässlich, aber sehr begeht. Chicagos Michal Handzus stemmt den schweren Stanley Cup in die Höhe, nachdem er ihn von Kapitän Jonathan Toews (l.) bekommen hat. Foto: AFP

© AFP

Sport: Chicagos später Coup

Dennis Seidenberg verliert mit Boston die Finalserie der NHL durch ein Gegentor in letzter Minute.

Dennis Seidenberg starrte ungläubig über die Eisfläche im Boston Garden. Um ihn herum hüpften die Spieler der Chicago Blackhawks wie kleine Kinder durch die Luft und fielen sich in die Arme. Wenig später raffte sich Seidenberg noch einmal auf, um den Siegern per Handschlag zu gratulieren. Dann verschwand der deutsche Eishockey-Nationalspieler in der Kabine. „Das ist ganz, ganz bitter für uns“, sagte er später, den Tränen nah. Der große Traum des Schwarzwälders vom zweiten Gewinn des Stanley Cups nach 2011 war geplatzt. Die Chicago Blackhawks hatten such durch einen 3:2-Sieg in Boston die Begehrte Trophäe der National Hockey League (NHL) geholt – die mit Abstand wichtigste Trophäe im weltweiten Klubeishockey.

Es war Chicagos vierter Sieg im sechsten Spiel der nach dem Modus „Best of seven“ ausgetragenen Finalserie. Für die Blackhawks war es gleichzeitig der zweite Meistertitel in den vergangenen vier Jahren. Bereits 2010 hatte sich Chicago den Stanley Cup, damals im Finale gegen die Philadelphia Flyers, sichern können.

Lange hatte es allerdings am Montag in Boston danach ausgesehen, dass ein weiteres Spiel am Mittwoch in Chicago nötig werden würde, um die Entscheidung zwischen diesen beiden Teams herbeizuführen. Durch ein Tor von Milan Lucic war Boston im dritten Drittel 2:1 in Führung gegangen, die Zeit lief zugunsten der Bruins. In der Arena standen die Zuschauer auf, um ihr Team für die letzten 76 Sekunden lautstark nach vorne zu treiben, doch mit einmal Mal verstummten die Zuschauer. Bryan Bickell nutzte eine Unachtsamkeit in der Bruins-Verteidigung, um den Puck aus kurzer Entfernung zum 2:2 ins Tor zu befördern. Alles sah nach einer weiteren Verlängerung aus. Bereits in den Spielen eins, zwei und vier hatte es mehr als 60 Minuten gebraucht, um einen Sieger zu ermitteln.

Dieses Mal sollte es jedoch nicht so weit kommen. Der späte Ausgleich der Gäste aus Chicago hatte Bostons Spieler schwer getroffen, die Ordnung ging den Bruins in den letzten Sekunden völlig verloren. Chicagos Verteidiger Johnny Oduya hämmerte den Puck mit einem harten Schuss an den Pfosten, Dave Bolland stand genau richtig, um den Abpraller zum 3:2 zu versenken. 17 Sekunden vor Schluss war die Finalserie entschieden. „Ich habe den Puck zurückkommen sehen und wusste, dass ich ihn nur noch reinmachen muss. Das war ein Riesentor”, sagte Bolland, womit er maßlos untertrieb. Es war mit Abstand der wichtigste Treffer seiner Karriere. Gewöhnlich ist Bolland bei den Blackhawks eher für die groberen Aufgaben zuständig. Es glänzen meist andere. Patrick Kane etwa, der als bester Spieler der Play-offs ausgezeichnet wurde. Für Bolland war es dagegen erst sein drittes Tor in den laufenden Play-offs.

„Was soll man dazu sagen? Wir wussten, dass noch was möglich ist. Manchmal kann es ganz schnell gehen, man darf nur nicht aufhören, bis es wirklich zu Ende ist”, sagte Chicagos Kapitän Jonathan Toews, der wenig später im Alter von 25 Jahren den Stanley Cup schon zum zweiten Mal als Erster in die Luft stemmen durfte.

Dennis Seidenberg muss dagegen weiter auf seinen zweiten Titel warten. Der deutsche Verteidiger aus Villingen- Schwenningen hatte mit 20 Minuten und 36 Sekunden gewohnt viel Eiszeit im letzten Finalspiel, konnte die dramatische Niederlage in den Schlusssekunden aber nicht verhindern. Insgesamt war es keine gute Serie für Seidenberg und seinen slowakischen Partner Zdeno Chara. Das wohl beste Verteidigerpaar der NHL stand bei vielen Gegentreffern auf dem Eis, die gewohnte Sicherheit strahlten beide selten aus.

Auch andere Spieler der Bruins enttäuschten, darunter war auch Jaromir Jagr. Mit 41 Jahren war die tschechische Eishockey-Legende Anfang April von Dallas nach Boston gewechselt, um zwanzig Jahre nach seinem letzten Stanley-Cup-Sieg mit den Pittsburgh Penguins nochmal eine Chance auf den Titel zu haben. Jagr war in der Finalserie allerdings weit von alter Form entfernt, und sein Vertrag in Boston endet in wenigen Tagen. Wahrscheinlich schaute Jagr nach dem Erklingen der Schlusssirene auch deshalb so traurig drein, weil er wusste, dass er dem Cup wohl nie mehr so nahe kommen wird. Für Dennis Seidenberg dagegen könnte es noch mal die Chance geben. Er wird mit den Bruins in der kommenden Saison einen neuen Angriff auf den Stanley Cup wagen. Sein Vertrag in Boston endet erst 2014, und er ist mit 31 Jahren – anders als Jagr – im besten Eishockeyalter.

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