zum Hauptinhalt
Luca Brecel gelangen bei der WM gleich mehrere spektakuläre Comebacks.

© Imago/Pro Sports Images

Brecel gegen Selby im Finale der Snooker-WM: Das Duell der Gegensätze

Der Belgier Luca Brecel verblüfft die Fachwelt in Sheffield mit seinem Spiel und einem erstaunlichen Hang zum Feiern. Vierfach-Weltmeister Mark Selby ist hingegen ganz er selbst.

Mit Luca Brecel im Finale der Snooker-Weltmeisterschaft hätte vor Beginn des Turniers wohl kaum jemand gerechnet. Sein Kontrahent am Sonntag und Montag ist Mark Selby, der hingegen schon im Vorfeld zu den Favoriten zählte und seiner Rolle in diesen Tagen von Sheffield auch gerecht werden konnte.

Viermal ist Selby schon Weltmeister geworden, gegen Brecel bestreitet der inzwischen 39 Jahre alte Engländer sein sechstes Finale im legendären Crucible Theatre. Der 28 Jahre Belgier hingegen konnte in diesem Jahr überhaupt erst sein erstes Match bei einer WM gewinnen. Noch nie zuvor musste er über derart lange Distanzen gehen.

„Das ist unbekanntes Territorium für mich und wird nicht einfach“, sagte er vor dem Endspiel, in dem 18 gewonnene Frames für den Titel nötig sind. Brecel bezeichnete seinen Gegner als „Crucible-König“ und weiß: „Wenn ich versuche, sein Spiel zu spielen, werde ich keine Chance haben, weil sein Safety-Spiel so grandios ist.“

Tatsächlich könnten auch die Stile der beiden Finalisten kaum unterschiedlicher sein. Auf der einen Seite steht der zuweilen wilde Brecel, der jede auch noch so kleine Chance nutzen will, die sich ihm auf dem Snooker-Tisch bietet. Sein Kontrahent ist der große Taktierer Selby, der vor einem kritischen Stoß lieber dreimal um den Tisch geht und analysiert, was die beste Lösung ist.

Auch ihre Halbfinals liefen ziemlich konträr. Während Brecel gegen den Chinesen Si Jiahui schon mit 5:14 zurücklag, um sich am Ende doch noch mit 17:15 durchzusetzen und damit das größte Comeback in der Crucible-Geschichte hinlegte, sah Selby in seinem Match gegen Mark Allen am Samstagabend wie der sichere Sieger aus, als er mit 16:10 führte. Am Ende musste er gegen den Nordiren aber noch zittern und rettete sich mit 17:15 ins Ziel.

Lieber noch einmal drüber nachdenken. Mark Selby ist der Meister des Taktierens am Snookertisch.

© Imago/Pro Sports Images

In einer Sache sind sich die beiden Spieler allerdings einig – in der Wertigkeit, die ein WM-Titel für sie hätte. „Wenn ich am Ende hier gewinne, wäre das für mich der größte Sieg überhaupt“, sagte Selby, der noch vor kurzem mit psychischen Problemen kämpfte. Brecel wiederum erklärte: „Ein Sieg hier wäre etwas, dass ich mir nicht im Traum hätte vorstellen können, vor allem nicht nach diesem Jahr.“ Es wäre verrückt für Snooker in Belgien und Europa, fügte er hinzu.

Brecel ist der erste Kontinental-Europäer, der es bei der Snooker-WM ins Finale geschafft hat, neben seinen Landsleuten Julien Leclercq und Ben Mertens sowie dem Deutschen Lukas Kleckers ist er der einzige Spieler vom europäischen Festland in den Top 100 der Weltrangliste. „Er ist eines der größten Talente, die es in diesem Spiel gibt und es ist großartig zu sehen, dass er das große Versprechen endlich einlöst. Wir wissen schon lange, wie gut er sein kann“, lobe Selby Brecel vor dem Finale.

500.000
Pfund erhält der Sieges des Endspiels.

Mit 14 wurde Brecel seinerzeit jüngster U19-Europameister in der Snookergeschichte. 2012, im Alter von gerade einmal 17 Jahren, konnte er sich erstmals für die Weltmeisterschaften qualifizieren und war damit der jüngste Spieler, dem dies je gelang. „Je größer die Bühne, desto besser für mich. Es ist egal, gegen wen ich spiele. Ich muss mich vor niemandem verstecken“, sagte er einst. Jetzt scheint er tatsächlich so weit zu sein.

Dass für den aktuellen Erfolg neben Talent auch harte Arbeit nötig ist, versuchte Brecel während der WM in Sheffield allerdings nach Kräften zu widerlegen. Er hätte vor dem Turnier nur 15 Minuten trainiert und stattdessen lieber nächtelang mit Freunden „Fifa“ gezockt. Dabei sei reichlich Alkohol geflossen, so wie auch nach dem Zweitrundensieg gegen Mark Williams: „Ich ging danach bis 7 Uhr morgens feiern und dann am nächsten Tag noch mal bis 5 Uhr oder 6 Uhr. Ich war höllisch betrunken“, erzählte Brecel den staunenden Journalisten.

Dass er danach Ronnie O’Sullivan im Viertelfinale besiegen konnte, überrascht angesichts dessen umso mehr. Zumal Brecel in diesem Match schon 6:10 zurücklag, um danach sieben Frames in Serie zum 13:10-Erfolg zu gewinnen.

Gegen Mark Selby ist Brecel wieder Außenseiter, ein gefährlicher allerdings und einer, der endlich zeigt, wozu er in der Lage sein kann. „Ich hoffe, dass ich die Menschen inspirieren kann. Denn Snooker ist so ein großartiger Sport. Viele finden es langweilig, aber wenn du das Spiel erst richtig verstehst, ist es wunderbar anzusehen.“ Im Finale von Sheffield kann Luca Brecel gegen Mark Selby höchstselbst den Beweis dafür liefern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false