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Sport: Allein gegen niemanden

Im Eistanz sind Gazsi/Ziganschina in Deutschland ohne Konkurrenz

Alexander Gazsi weiß genau, was er will. „Das ist das doch das Schönste beim Eistanz“, sagt er und spricht vom „Krieg“, weniger martialisch auch vom „Schattenboxen“. Er meint, den Kampf um genügend Raum auf der Eisfläche beim Training. Sportliche Hierarchien werden dort festgelegt: Wer Platz macht, hat verloren. „Da wird gekämpft bis aufs Messer“, sagt Gazsi. Morgen steht er wieder in Moskau auf dem Eis, mit Nailja Ziganschina und umgeben von drei Paaren der Meisterklasse und drei Juniorenpaaren. Und an der Bande stehen Jelena Kustarowa und Swetlana Alexejewa, die Trainerinnen, und beobachten die Revierkämpfe.

Das ist die Welt des Paares Gazsi/Ziganschina, nicht diese trostlose Situation in der Eislaufhalle Oberstdorf. Dort wurden sie Deutsche Meister, weil kein anderer da war. Ganz alleine standen sie bei der Siegerehrung auf dem Podest, rechts kein Paar, links kein Paar. Die Geschwister Beier fielen wegen Verletzung aus, übrig blieb ein einziges Paar. „Schade“, sagt Gazsi. „Die letzten drei Prozent haben einfach gefehlt. Wir hätten mehr aus uns rauskitzeln können, wenn Konkurrenz da gewesen wäre.“ Sie liefen gut, Gazsi war „zufrieden mit der Leistung“, sie konnten sich sogar „motivieren“, aber optimale Schadensbegrenzung ist eben kein besonders prickelndes Ziel.

Gazsi/Ziganschina, dieses Paar steht als Symbol für die Misere im deutschen Eiskunstlauf. Ein Paar wird mangels Konkurrenz Meister, das erst Mitte 2005 aus der Not entstanden war. Alexander Gazsi vom SC Berlin hatte nach dem Abgang von Sandra Grissmann neun Monate lang keine Partnerin, war in Gedanken schon weg vom Eiskunstlauf und wurde dann in Moskau mit Nailja Ziganschina zusammengebracht, die mit ihrem Partner Denis Bazdirew nicht mehr harmonierte. Udo Dönsdorf, Sportdirektor der Deutschen Eislauf-Union (DEU), Reinhard Ketterer, leitender Landestrainer von Berlin, und Siegfried Paul von der Universitätssportgemeinschaft Chemnitz (USGC) hatten den Deal eingefädelt. Der russische Verband kassierte 5000 Euro Ablöse für Ziganschina. Die 19-Jährige beschaffte sich ein Touristenvisum, meldete in Chemnitz, Gazsis Heimatstadt, formell ihren Wohnsitz an und wurde Mitglied in der USGC. Eine passende Läuferin im eigenen Land hatte Gazsi nicht gefunden.

Genau deshalb spricht Gazsi auch von einem „strukturellen Problem“. Wenn ein Paar erst dann genügend Fördermittel erhalte, „wenn es Erfolge vorweisen kann, dann klappt das meistens nicht“. Jedenfalls, sagt Gazsi, nicht im Eiskunstlauf. Kostüme, Training, Ballettunterricht, Schuhe, das alles finanzieren erst mal jahrelang die Eltern. „Im Nachwuchsbereich ist das zu hundert Prozent so“, sagt auch Ketterer. Schon das Geld sorgt im Eiskunstlauf für mehr Auslese als in anderen Sportarten. Das übliche Problem aller Sportarten, dass viele Junioren den Sprung in die Seniorenklasse nicht schaffen, kommt dazu. Als Gazsi noch Nachwuchsläufer war, hatte er mehr als zehn Paare als Konkurrenten. Bei den deutschen Juniorenmeisterschaften waren es noch zehn, jetzt ist er ohne Konkurrenz Deutscher Meister geworden. Gazsi ist gerade mal 22 Jahre alt. In Oberstdorf gab es bei den Junioren sechs Eistanzpaare. „Von denen“, prognostiziert Gazsi, „werden zwei in der Seniorenklasse übrig bleiben, wenn überhaupt.“

Heute fliegt er mit Nailja Ziganschina wieder nach Moskau. Sie werden sich dort auf die EM in Warschau vorbereiten. Die findet in zwei Wochen statt, und Gazsi will dort mit seiner Partnerin „erst mal gut mitlaufen“. Ist nicht auch mehr drin? Reinhard Ketterer schwärmt von der jungen Russin: „Die Nailja ist eine der besten Eistänzerinnen, die Deutschland je gesehen hat.“

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