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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), besuchte bei seiner Afrikareise Anfang Dezember auch ein Apartheid-Museum in Südafrika.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

„Solidarität und Verantwortung“: Ampel arbeitet an einer Afrika-Strategie

Energieprojekte, Investitionen und die Migration von Arbeitskräften spielen eine Rolle in einer Vorlage aus dem Entwicklungsministerium.

Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Ende November seine Rede zur Verleihung des deutschen Afrikapreises hält, macht er eine Prophezeiung. „Die Welt des 21. Jahrhunderts wird keine Welt mit nur einem oder zwei starken Machtzentren sein“, sagte Scholz. Stattdessen sieht er eine multipolare Ordnung mit „einem globalen Gravitationszentrum“: Afrika. Doch schon im nächsten Satz muss er anerkennen: „Auch andere haben diesen Bedeutungszuwachs Afrikas längst erkannt – und nutzen ihn auf ihre Weise.“

Ein wichtiger Hebel, um Deutschland im neuen Wettlauf um Afrika im Rennen zu halten, ist die Entwicklungszusammenarbeit. Svenja Schulze (SPD), Bundesentwicklungsministerin, will jetzt eine neue Afrikastrategie vorlegen, die den bisher geltenden „Marshallplan mit Afrika“ ersetzen soll. Der Strategieentwurf liegt dem „Handelsblatt“ vor.

Mehrere Länder sind Konkurrenten

Auch wenn der Entwurf noch nicht beschlossen ist, erwartet das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) keine grundlegenden Änderungen mehr, da die anderen Ressorts in die Ausarbeitung bereits eingebunden waren. Das Papier soll Ende Januar präsentiert werden. Mit dem jetzigen Plan will sich Deutschland gegen die Konkurrenz vor Ort durchsetzen. Neben China und Russland nennt das Papier auch die Türkei oder die Golfstaaten. „Sie bauen Infrastruktur und streben nach Zugang zu Rohstoffen, Märkten und politischem Einfluss“, heißt es. Laut BMZ sei eine starke deutsche Partnerschaft mit Afrika das Resultat von „Solidarität und Verantwortung“, aber auch „aufgeklärtem Eigeninteresse“ etwa im Bereich Fachkräfte, Energiewende und Lieferketten.

Keine Politik „von oben herab“

Deutschland will die eigenen Vorzüge anpreisen und vom afrikanischen Markt profitieren, ohne sich dabei dem Vorwurf der Selbstbereicherung auszusetzen oder in die Kritik zu geraten, man betreibe eine Politik „von oben herab“. Dies war einer der zentralen Kritikpunkte am „Marshallplan mit Afrika“ von Gerd Müller (CSU). Müllers Strategie von 2017 sei in vielen Ländern als „paternalistisch“ wahrgenommen worden, heißt es aus Kreisen der Entwicklungszusammenarbeit. Diesen Eindruck will die Ampel vermeiden – und setzt unter anderem auf eine vertiefte „Reflexion der Folgen der Kolonialzeit“.

Der neue Tenor der Zusammenarbeit heißt „Win-Win“, etwa im Bereich erneuerbare Energien. Das BMZ will die Produktion von grünem Wasserstoff in Afrika und den „Aufbau lokaler Wasserstoffwirtschaften“ fördern. Davon sollen einerseits die Menschen vor Ort profitieren, andererseits soll auch ein Beitrag zur nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung geleistet werden. Mit Marokko, Tunesien, Südafrika und Algerien arbeitet das BMZ in diesem Bereich bereits zusammen, eine Partnerschaft mit Kenia ist in Vorbereitung.

Wie wichtig der grüne Energieträger ist, hatte der Besuch von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Anfang Dezember im südlichen Afrika gezeigt. Die ehemalige deutsche Kolonie Namibia gilt als ein potenzieller neuer Lieferant von Energie aus Wind und Sonne. Deutschland will 30 Millionen Euro für Pilotprojekte vor Ort bereitstellen.

Schuldenumwandlung ist ein Thema

Auch beim Thema Kredite stehen viele afrikanische Staaten in Beziehung zu China. Deutschland will beim „Schuldenmanagement“ helfen. Doch die Hilfe könnte sogar noch weiter gehen. Nach „Handelsblatt“-Informationen erwägt die Bundesregierung das Instrument der Schuldenumwandlung zu reformieren und aktiver zu nutzen. Die Staaten verpflichten sich gegenüber Deutschland, Entwicklungsprojekte im eigenen Land zu finanzieren und erhalten dafür einen Schuldenerlass in mindestens gleicher Höhe.

Zentren für „Migration und Entwicklung“ sollen sich um die „reguläre Arbeitsmigration nach Deutschland und Europa“ kümmern.  

Aus dem Entwurf des Entwicklungsministeriums

Während der bisher gültige „Marshallplan“ seinen Fokus vor allem auf die Mobilisierung von Privatinvestitionen legte, findet sich dieser Punkt in der neuen Strategie erst gegen Ende, auf Seite 28 von 30. Trotzdem verspricht die Entwicklungsministerin, „innovative Finanzierungsinstrumente“ zu entwickeln. Durch Garantien, bei denen Mittel aus dem Bundeshaushalt zum Einsatz kommen, könnte etwa das Risiko bei Investitionen in afrikanische Unternehmen gesenkt werden. Bisher waren die Bemühungen, deutsches Kapital zu mobilisieren, allerdings kaum erfolgreich: Lediglich ein Prozent der deutschen Auslandsinvestitionen geht derzeit nach Afrika.

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Einen deutlichen Strategieschwenk will das Ministerium bei der Migration vornehmen. In der bisherigen Strategie wurde das Thema im Zusammenhang mit Flucht und der Bekämpfung von Migrationsursachen genannt. In Zukunft soll der Fokus darauf liegen, legale Migrationsmöglichkeiten zu unterstützen, „weil wir die Notwendigkeit in den Ländern aber auch hier in Deutschland anerkennen“, heißt es aus dem BMZ. Dafür sollen Beratungszentren in den afrikanischen Partnerländern zu Zentren für „Migration und Entwicklung“ weiterentwickelt werden, deren Schwerpunkt in der „regulären Arbeitsmigration nach Deutschland und Europa“ liegen wird. Dadurch solle auch ein „entwicklungspolitischer Beitrag zur Umsetzung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes“ geleistet werden, heißt es in der Strategie. (HB)

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