zum Hauptinhalt
Christiane Krajewski, Präsidentin der Special Olympics World Games, hält die Fackel für die Special Olympics World Games.

© picture alliance/dpa

SOD-Präsidentin Christiane Krajewski im Interview: „Wir müssen den Finger weiter in die Wunde legen“

Die SOD-Präsidentin über den Kampf um Teilhabe, die Strahlkraft der Special Olympics World Games und eine deutsche Olympia-Bewerbung.

Von
  • Claudia Kleist
  • Benjamin Apitius

Frau Krajewski, Sie haben einmal gesagt: „Special Olympics passt zu mir.“ Wie meinten Sie das?

In meinem beruflichen und privaten Leben habe ich mich immer für Selbstbestimmung und gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen eingesetzt. Speziell meine Erfahrungen in Wirtschaft und Finanzen und die jahrelange soziale Arbeit sind sehr nützlich für meine Arbeit bei Special Olympics. 

Sie sind nun bald seit zehn Jahren Präsidentin von Special Olympics Deutschland (SOD). Was hat sich in dieser Zeit getan?

Es ist uns, also unserem gesamten Team, gelungen, SOD stärker als Sportverband und als Interessensvertreter von und mit Menschen mit geistiger Behinderung zu positionieren. Wir werden viel gefragt, wenn es um die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention geht. Wir waren ein wichtiger Ansprechpartner beim Bewegungsgipfel der Bundesregierung im vergangenen Jahr. Wir wurden als nicht-olympischer Spitzenverband im DOSB anerkannt.

Und – last but noch least – haben wir es geschafft, die Weltspiele nach Deutschland zu holen. Wenn ich zurückblicke, haben wir schon sehr viel erreicht, aber eben noch nicht genug. Am Ziel sind wir erst, wenn wir sagen können, regelmäßiger Sport vor Ort für alle ist Normalität.

Wie sieht Ihr eigener Arbeitsalltag mit Menschen mit geistiger Behinderung aus? Was waren prägende Begegnungen, Erlebnisse?

Alle unsere Projekte zahlen ein auf #ZusammenInklusiv, die größte Inklusionsbewegung Deutschlands. Für mich ist die Emanzipation der Athlet*innen eine der wichtigsten Entwicklungen von Special Olympics Deutschland in den vergangenen Jahren.

Unsere Athlet*innen sind die Gestalter der Weltspiele und unseres Verbandes, sie haben das Logo mitentwickelt, ebenso unser Motto #ZusammenInklusiv, sie haben das Maskottchen Unity mitgestaltet. Einige arbeiten im Organisationskomitee mit, andere zum Beispiel als Teilhabeberater*innen in Kommunen, andere in vielen anderen Projekten. Die positive Entwicklung dieser Athlet*innen beeindruckt mich tief. 

Ihr Ziel ist es, mit den Special Olympics Weltspielen in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für die Belange von Menschen mit geistiger Behinderung zu stärken und eine inklusive Gesellschaft zu fördern. Wo steht Deutschland da im Vergleich zu anderen Ländern und woran hapert es noch?

Wir stehen nicht an der Spitze, das liegt auch an unserer Geschichte. In Deutschland hat sich aber einiges getan, seit die UN-Konvention 2009 in Kraft getreten ist, in allen Bereichen, nicht nur im Sport. Aber wir müssen weiter den Finger in die Wunde legen.

Wir müssen zeigen, welche Barrieren in vielen Lebensfeldern eine Teilhabe erschweren und wo sich unsere Gesellschaft aus unserer Sicht weiterentwickeln muss. Wir dürfen nie vergessen, dass wir noch viel zu tun haben. 

Wie kann die Sichtbarkeit von Menschen mit geistiger Behinderung in der Gesellschaft nach den Spielen erhalten und verbessert werden?

Neben der Strahlkraft der Weltspiele, die sicher positive Auswirkungen haben wird, ist für uns das Host Town Programm ein ganz wichtiger Ansatz. Dabei sind 216 Kommunen in ganz Deutschland in den Tagen vor den Spielen jeweils Gastgeber für eine Delegation.

Die Kommunen haben sich mit inklusiven Projekten und Ideen dafür beworben. Sie nutzen das Programm, um Inklusion dauerhaft vor Ort zu etablieren. Durch diese nachhaltigen Projekte haben sich überall Netzwerke gebildet, die dazu beitragen können, dass wir in ganz Deutschland tatsächlich etwas Bleibendes erreichen können.

Sind Sie denn zufrieden mit dem gleichberechtigten Zugang zu Sport in Deutschland?

Solange nur acht Prozent der Menschen mit geistiger Behinderung Sport treiben, und das ist leider die Realität, können wir nicht zufrieden sein. Deshalb haben wir beim Bewegungsgipfel der Bundesregierung im vergangenen Herbst besondere Anregungen an die Politik gegeben. Für uns ist es ein wichtiges politisches Ziel, dass die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen bei allen Maßnahmen mitgedacht wird.

Letztlich ist unser Ziel, dass alle Menschen die Chance haben, regelmäßig Sport vor Ort in der Gemeinschaft, im Verein, in einer inklusiven Situation betreiben können. Dabei müssen wir berücksichtigen, dass viele Athlet*innen in Einrichtungen leben und arbeiten. Deshalb brauchen wir dort auch Sportförderung und mehr Vernetzung der Sportvereine mit den Einrichtungen der Behindertenhilfe. 

 Ich halte es für eine große Chance, dass international wahrgenommen wird, wozu wir qualitativ in der Lage sind.

Christiane Krajewski zu einer möglichen deutschen Olympia-Bewerbung

Die Corona-Einschränkungen haben auch den Behindertensport schwer getroffen. Welche Auswirkungen hatte die Pandemie auf Sportler*innen mit geistiger Behinderung?

Die Einschränkungen galten zwar für den ganzen Sport in Deutschland, aber für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung ganz besonders. Sie hatten lange Zeit überhaupt keine Chance, regelmäßig Sport zu treiben. So war es nicht einfach für die Athlet*innen, sich individuell gut vorzubereiten. Wir haben dann mit dem Team 50 Vorbereitungslehrgänge umgesetzt. Und so sind wir jetzt gut aufgestellt. 

Frau Krajewski, wie ordnen Sie den Stellenwert der Special Olympics Weltspiele in Berlin für eine eventuelle Olympiabewerbung von Deutschland ein?

Zunächst möchte ich der Bundesregierung, konkret dem Bundesinnenministerium und dem Berliner Senat, sehr herzlich für die jahrelange Unterstützung und maßgebliche Finanzierung der Vorbereitung und Durchführung der Special Olympics Weltspiele Berlin 2023 danken. Ohne sie und viele weitere Sponsoren und Unterstützer wären wir nicht so weit gekommen.

Die Special Olympics World Games Berlin 2023 sind das größte Multisportereignis seit den Olympischen Spielen 1972. Ich denke, dass wir mit den Weltspielen eine mögliche Olympiabewerbung gut unterstützen können. Wir können zeigen, dass Deutschland Sportgroßveranstaltungen kann und welchen Mehrwert sie bieten, auch über das sportliche Ergebnis hinaus. Ich halte es für eine große Chance, dass international wahrgenommen wird, wozu wir qualitativ in der Lage sind. 

Die Sportstätten bei den Weltspielen in Berlin verteilen sich über die ganze Stadt. Welche Sportarten wollen Sie da auf keinen Fall verpassen?

Ich will alles sehen. Auch wenn das sportlich wird! 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false