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Joe Hembus mit Romy Schneider und einer Produktionsassistentin (re.) anlässlich einer Pressekonferenz zum Film „Christine“ 1958 in Paris.

© Archiv Hembus

Raus aus dem bundesdeutschen Mief: Eine Ausstellung erinnert an den Filmjournalisten Joe Hembus

Selbst noch Teil des alten bundesdeutschen Filmsystems, dokumentierte er lieber Billy Wilders Sets und bereitete den Neuen Deutschen Film mit vor.

Ausgerechnet Bananen, Bananen verlangt sie von mir!“ Ein Tanzabend im Ost-Berliner „Grand Hotel Potemkin“, das schon bessere Tage gesehen hat. Der alte Friedrich Hollaender schwingt den Taktstock und singt mit brüchiger Stimme, während ein Paar sich nicht sehr elegant über die Tanzfläche schiebt, sie in der Uniform der Roten Armee, er in Zivil - kein guter Tänzer, das ist schon an dem sekundenkurzen Auftritt zu erkennen.

„Papas Kino ist tot“

Zudem ein schlechter Schauspieler, der aber immer stolz war, wenn er eine winzige Rolle, so in der zum Filmstill geronnenen Szene aus Billy Wilders „Eins, zwei, drei“, ergattern konnte, wie Benjamin Hembus über seinen Vater Joe Hembus erzählt. Man muss ein wenig suchen, bis man das Foto in der Collage aus rund 150 Abbildungen entdeckt, eine der beiden Hauptelemente der Installation „N8 - Papas Heimkino“, die der Sohn, in Zusammenarbeit mit der Deutschen Kinemathek, dem 1985 im Alter von 51 Jahren beim Bergsteigen tödlich verunglückten Filmjournalisten und -historiker im Neuköllner Atelier „Ur-Art“ gewidmet hat.

Liselotte Pulver auf dem Weg zum Set des 1956 gedrehten französischen Films „Arsène Lupin, der Millionendieb“

© Joe Hembus

Papas Heimkino? „Papas Kino ist tot“, so war es am 28. Februar 1962 im Oberhausener Manifest verkündet worden, mit dem sich eine Gruppe junger Filmemacher gegen die verknöcherten Strukturen und Erzählweisen des bundesdeutschen Films wandte. Aufgekommen war der Slogan im Paris der „Nouvelle Vague“. Joe Hembus hatte ihn in einer kurz vor Oberhausen in der Münchner „Abendzeitung“ veröffentlichten, ebenfalls gezeigten „Kritischen Analyse des deutschen Films“ aufgegriffen, der Quintessenz seines 1961 erschienenen Pamphlets „Der deutsche Film kann gar nicht besser sein“. Mit dem Oberhausener Manifest wurde es zur Initialzündung für den Neuen Deutschen Film.

„Geht jetzt nicht, wieder eine Sexszene“

Der Titel „N 8 - Papas Heimkino“ spielt darauf an, ist aber auch ganz konkret gemeint. Seine Laufbahn als Filmjournalist hatte Joe Hembus 1955 in München als Presseagent für Produktionsfirmen begonnen, versorgte etwa die Medien bei Dreharbeiten mit Neuigkeiten wie „Lilo Pulver vom Pferd gefallen“ oder musste schon mal, wie in Roms Cinecittà bei den Dreharbeiten von „Barbarella“ mit Jane Fonda, Reporter an der Studiotür abwehren: „Geht jetzt nicht, wieder eine Sexszene.“

Mit Romy Schneider führte Joe Hembus wiederholt Interviews, schrieb Homestorys über sie - und verteidigte sie in Zeitungstexten, als sie in der bundesdeutschen Boulevardpresse wegen der Beziehung zu Alain Delon und ihrer Hinwendung zum französischen Film angegriffen wurde.

© Joe Hembus

Das war nicht sehr spannend und zeitfüllend, aber zum Glück hatte Joe Hembus immer seine Normal-8-Schmalfilmkamera dabei, richtete sie in Drehpausen auf das Filmteam mit seinen meist gleichaltrigen Stars, Liselotte Pulver etwa, Romy Schneider oder Horst Buchholz. Technisch nicht perfekte, doch spannende Aufnahmen sind so entstanden, Dokumente der noch unter recht einfachen Bedingungen ablaufenden Dreharbeiten, ganz und gar nicht inszenierte Annäherungen an die entspannt miteinander plaudernden oder Faxen machenden Stars - fast familiär scheint es auf den Sets zugegangen zu sein. Und während dabei noch immer Papas betuliches Kino entstand, spürten sie doch die in Paris oder Rom sich anbahnenden Veränderungen, wollten raus aus dem bundesdeutschen Mief der fünfziger Jahre - eine Stimmungslage, die Joe Hembus, noch selbst Teil des Systems, spürte und formulierte.

Benjamin Hembus, Sohn des 1985 tödlich verunglückten Joe Hembus, vor der Fotowand mit Aufnahmen von Liselotte Pulver, Horst Buchholz und Romy Schneider.

© Andreas Conrad/TSP

Zwei Zusammenstellungen von solchen Filmaufnahmen werden parallel in Dauerschleife auf eine Wand projiziert, entstanden etwa bei den Dreharbeiten zu „Monpti“ und „Robinson soll nicht sterben“, beide mit Romy Schneider und Horst Buchholz. Benjamin Hembus, selbst beim Film als Editor tätig, hat sie so belassen, wie er sie vorfand.

Auch die Bilderflut auf der Fotowand gegenüber entstammt meist den von Joe Hembus gedrehten Filmen, ergänzt durch Fotos aus dem Nachlass. Zum Beispiel eine Aufnahme von 1958, auf der er vor dem Eiffelturm mit Romy und einer Produktionsassistentin zu sehen ist, anlässlich einer Pressekonferenz oben auf dem Turm über die Dreharbeiten zu „Christine“, ihrem ersten Film mit Alain Delon. Eine Zusammenarbeit, die bekanntlich auch privat folgenreich war.

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