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Von Peer Straube: Der geätzte Unger

Überarbeiteter Entwurf für „Haus-des-Reisens“-Nachfolger erntet viel Lob / Baubeginn im Sommer 2010

Von Peer Straube

Innenstadt - Die Version 3.0 soll der Heilsbringer sein. Nach harscher Kritik an den Vorläufer-Entwürfen scheint bei der Nachfolgersuche für das „Haus des Reisens“ an der prominenten Ecke Friedrich-Ebert- und Yorckstraße nun die Quadratur des Kreises gelungen.

Zweimal war der vom Bauherrn Pro Potsdam beauftragte Architekt Ingo Schürmann mit seinen Vorstellungen gescheitert, nun überraschte er alle Experten mit einer ungewöhnlichen Lösung. Einer modernen Glasfassade sollen insgesamt 48 filigrane Lamellen vorgeblendet werden, aus Stahlbeton, die zehn Meter in die Höhe und 15 Zentimeter in die Tiefe ragen. Auf die Seitenwände dieser Lamellen will Schürmann die Prunkfassade sichtbar machen, die einst an dieser Stelle die Alte Post zierte: Ungers Schmuckstück soll per Ätzverfahren auf den Beton gezaubert werden – als „fotografische Applikation“, wie Schürmann es nennt. Je nachdem, in welchem Winkel der Betrachter zum Gebäude steht, verschwindet der Unger-Eindruck nach und nach, bei senkrechter Draufsicht ist nur die moderne Fassade zu sehen. Das Verfahren sei bereits seit zehn Jahren erprobt, etwa bei der Bibliothek in Eberswalde. Allerdings nur zweidimensional. Mit dem durch die Lamellen hervorgerufenen Drei-D-Eindruck betrete Potsdam Neuland, sagte Schürmann.

Der Chef des Bauherrn, Horst Müller- Zinsius, schwärmte von einer „Antwort auf beide Vorgängerbauten“. Für noch mehr Unger will Müller-Zinsius die vorspringenden Lamellen mit noch erhaltenen Skulpturen der Alten Post krönen.

Vorausgegangen war ein insgesamt drei Sitzungen umfassender Workshop, besetzt mit Architekten, Mitarbeitern der Bauverwaltung inklusive Denkmalpflege sowie Bauausschussmitgliedern und Stadtverordneten aller Fraktionen. So ist die vielleicht größte Überraschung, welch einhelligen Beifall Schürmann für seinen Entwurf bekam. Selbst so notorische Kritiker wie der Architekt Christian Wendland ätzten nicht gegen Schürmanns Lösung, im Gegenteil. Wendland sprach von einer „glücklichen Stunde“ für Potsdam, Fachhochschul-Professor und Architektenkollege Ludger Brands bejubelte Müller-Zinsius gar als „Bauherrn, der vorbildhaft für hohe Bauqualität“ stehe. Brands und Wendland hatten neben Potsdamer Architekten Bernhard Wendel, Carl Schagemann und Bernd Redlich im Workshop auftragsgemäß neue Entwurfsansätze geliefert, die Schürmann aufnahm und weiterentwickelte. Auf der Grundlage des neuen Entwurfs soll der Bauantrag bearbeitet werden, im Sommer 2010 will die Pro Potsdam loslegen. Ende 2011 soll das Haus fertig sein, mit Gewerbe in den unteren Etagen, im Dachgeschoss könnte dagegen elegant gewohnt werden. Ursprünglich wollte die Pro Potsdam 3,8 Millionen Euro für das Projekt ausgeben, nur wird es etwas mehr werden. Das Ätzverfahren sei „nicht unaufwendig“, sagte Schürmann. Dafür aber „dauerhaft“ und „abnutzungsresistent“.

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