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Potsdam, 19.06.2023 / Lokales /
Pfarrer Bernhard Fricke,
Foto: Ottmar Winter PNN

© Ottmar Winter PNN

Seelsorger und Optimist: Flüchtlingspfarrer Fricke geht in Ruhestand

In der Arbeit mit Migranten, mit Ämtern und Behörden, kennt er sich bestens aus. Notfalls hilft Kirchenasyl.

Wenn Bernhard Fricke einem die Tür öffnet, fällt einem sofort eine große Herzlichkeit auf. Ein Gefühl, dass man willkommen ist. Acht Jahre war Bernhard Fricke vielleicht genau deshalb Flüchtlingspfarrer im Kirchenkreis Potsdam. Seine wichtigste Aufgabe war es, Menschen beim Ankommen und Fußfassen in einem für sie fremden Land zu begleiten.

Jetzt muss Fricke selber einen neuen Weg beschreiten: Am morgigen Samstag wird der 65-Jährige von Pfarrerkollegen und vielen Freuden in den Ruhestand verabschiedet. Es wird vermutlich ein sehr fröhlicher Gottesdienst, trotz mancher Probleme, die es für Flüchtlinge - und damit im Grunde für die ganze Gesellschaft – nach wie vor gibt.

Deshalb freut es den Pfarrer umso mehr, dass es im Kirchenkreis Potsdam für die Flüchtlingsarbeit eine extra Stelle gibt. Die Kirche spiele eine wichtige Rolle in der Migrationsgesellschaft – für Menschen aller Religionen.

Fricke trat 1991 seine erste Stelle als Gemeindepfarrer im Norden Berlins an, war dann 13 Jahre Pfarrer in Velten und Marwitz. Anschließend arbeitete er als Seelsorger in der Abschiebehaft in Berlin und Eisenhüttenstadt. 2015 kam er nach Potsdam. Es war die Zeit der großen Flüchtlingswelle aus Syrien, Eritrea, Afghanistan und dem Irak.

Potsdamer Willkommenskultur

Damals sei in der Stadt eine echte Willkommenskultur entstanden, die bis heute zu spüren sei, sagt Fricke. Viel ehrenamtliche Tätigkeit habe sich damals entwickelt. Die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung klappt, Oberbürgermeister und Sozialdezernentin habe er als verlässliche Ansprechpartner erlebt. „Ich konnte mich eigentlich immer mit Anliegen an die Stadt wenden und bekam Unterstützung.“

In Potsdam hat sich das Verständnis entwickelt, dass wir eine Gesellschaft der Vielfalt werden und gestalten wollen.

Pfarrer Bernhard Fricke

Auch in der häufig kritisierten Ausländerbehörde hat sich in den vergangenen Jahren seiner Einschätzung nach viel getan. „In Potsdam hat sich das Verständnis entwickelt, dass wir eine Gesellschaft der Vielfalt werden und gestalten wollen – Potsdam bekennt tatsächlich Farbe“.

Beraten, helfen, reden, beten

Der Arbeitsplatz des Flüchtlingspfarrers war hauptsächlich sein Büro in einem unscheinbaren Nachwendeneubau, zweite Reihe in der Babelsberger Breitscheidstraße. Hier empfing er Menschen zur Beratung, egal ob es um praktische Dinge ging, Behördenunterlagen, Stromverträge, Arbeits- oder Wohnungssuche, um Rechtliches oder um die Vorbereitung zur Anhörung im Asylverfahren.

Hier wurde aber auch gemeinsam gebetet oder einfach Kaffee getrunken. „Ich bin in erster Linie Seelsorger – das ist eine ganz wichtige Funktion meiner Arbeit.“ Das bedeutet, den Menschen zuzuhören, sie zu trösten, Hoffnung zu vermitteln, auch wenn die Situation manchmal nicht zu ändern ist.

Integration braucht Miteinander

Gottesdienste gehörten dazu, Gesprächsrunden, Austausch. Zwischen den neu Angekommenen, der Potsdamer Gesellschaft und den vielen Ehrenamtlichen. Integration geht nicht im Alleingang, sagt Fricke, da müssen alle mitmachen.

Am besten geht das mit einer guten Portion Optimismus. Fricke spricht am liebsten darüber, was alles geschafft wurde. „Viele Menschen haben Arbeit gefunden, die Sprache gelernt, ihre Familie nachgeholt. Das ist eine ungeheure Leistung – und Bereicherung für uns alle.“

Familien leiden an der Trennung

Natürlich sieht er auch die Probleme. Die Verwaltungsgerichte arbeiten zu langsam, die Bürokratie ist sehr anstrengend. Die Familienzusammenführung dauert oft viele Jahre, - „Das ist irre schwer“ – weil es in manchen Fällen fast unmöglich ist, in den Heimatländern die nötigen Papiere zu besorgen.

Das zermürbt die Betroffenen und erschwert die Integration zusätzlich. Die Gemeinschaftsunterbringung ist nicht gut, Potsdam brauche – für alle Menschen – mehr Wohnungen. Und wer Arbeit hat, lebe meistens dennoch in prekären Verhältnissen.

Rettung ins Kirchenasyl

Als Mitglied der Härtefallkommission und Vorsitzender des Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg e.V. kennt Bernhard Fricke auch jene Fälle, in denen Menschen von Abschiebung bedroht sind. Etwa 40 Kirchenasyl-Plätze gibt es im Land Brandenburg, und fast allen, die hier Schutz suchten, konnte geholfen werden. Es könnten mehr Plätze sein, sagt Fricke, auch mehr ehrenamtliche Helfer zur Betreuung der Schutzsuchenden.

Im Ruhestand wird er sich weiterhin engagieren, Gottesdienste halten, die vielen entstandenen Freundschaften pflegen. Und er würde gerne einmal nach Eritrea reisen, um die Familien von Asylsuchenden besuchen zu können. Das wäre eine neue emotionale Erfahrung, vermutet er: „Ich bin gespannt, was das mit mir macht.“

Der Abschiedsgottesdienst findet am morgigen Sonntag um 14 Uhr in der Sternkirche statt.

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