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Markus Lüpertz arbeitet seit mehreren Jahren in seinem Atelier in Teltow. Dort entsteht der größte Teil seiner Kunst.

© dpa

Malerfürst Markus Lüpertz in Teltow: Störfaktor Kunst

Markus Lüpertz polarisiert wie kaum ein anderer Künstler. Seine Auftritte groß, sein Rückzugsort das überschaubare Teltow. Heute wird der Maler 75.

Von Eva Schmid

Teltow - Nadelstreifen, schwarze Krawatte, Ohrring, grauer Spitzbart, dicker Klunker am Finger und ein Gehstock mit silbernem Totenkopf – der Auftritt von Markus Lüpertz ist immer groß. Der „Malerfürst“ wird Lüpertz seit Jahren genannt, doch erst kürzlich sagte er, dass er diese Bezeichnung „widerlich“ finde: „Quatsch, an welchem Hof denn?“ Nicht nur der exzentrische Auftritt des Malers und Bildhauers ist für manchen eine Provokation. Auch Lüpertz’ Skulpturen im öffentlichen Raum sind für viele ein Störfaktor. Lüpertz weiß sich selbst und seine Kunst zu inszenieren. Schick und Schock – er kann beides.

Am heutigen Montag wird der 1941 in Böhmen geborene Künstler 75 Jahre alt. Eitelkeit ist dem langjährigen Rektor der Düsseldorfer Kunstakademie nicht abzusprechen. Er habe einen „Hang zu guten Klamotten“, sagte Lüpertz kürzlich bei einer Ausstellungseröffnung in Duisburg. An die 50 Gehstöcke mit Silberknauf besitze er wohl. Neben Gerhard Richter, Sigmar Polke, Georg Baselitz und Anselm Kiefer wird Lüpertz von namhaften Kuratoren zu den „Big Five“ der deutschen zeitgenössischen Kunst gezählt.

Seine Kunst entsteht größtenteils in Teltow

Seine Kunst entsteht zu großen Teilen in Teltow. Abseits des Spektakulären, mitten in einem biederen Wohnbaugebiet, dem Teltower Kanadaviertel. Ein Einfamilienhaus reiht sich dort an das andere, der Rasen in jedem Vorgarten akkurat gemäht. Und mittendrin steht Lüpertz’ Eigenbau. Unangepasst, sieht anders aus. Doch Lüpertz fühlt sich hier wohl. Hier hat er sich vor gut sieben Jahren aus 42 Baucontainern ein Zuhause geschaffen. Dahinter zwei Riesenhallen – gut einsehbar und dadurch lichtdurchflutet – sind das Atelier. Hier in Teltow, da fühlte er sich bis vor Kurzem sicher. Wenn der Bentley vor der Tür steht, mussten Besucher nur die Türklinke herunterdrücken und schon standen sie im Hausflur, umgeben von kleinen bunten Skulpturen. Abschließen, wieso denn? Wer ungebeten kam, wurde notfalls mit einem seiner Gehstöcke verjagt. Die stehen griffbereit in einem Ständer direkt am Eingang. Im Dezember 2015 aber gelang es unbekannten Dieben, in das Atelier einzubrechen und 30 - teilweise noch unvollendete - Werke zu stehlen. Lüpertz überlegte sogar deswegen, sein Atelier in Teltow aufzugeben. Im Februar wurden fast alle Werke wieder vor seine Tür gestellt, bis auf eines. Der Vorgang gab den Ermittlern Rätsel auf.

Seinen Erfolg schmälern die beständigen Kritiker-Attacken nicht

Künstlerisch hat Lüpertz in jüngster Zeit vor allem mit umstrittenen Skulpturen wie der armamputierten und knetartigen Beethoven-Statue in Bonn Proteste ausgelöst. Dem gängigen Schönheitsideal entspricht auch sein 23 Tonnen schwerer und 18 Meter hoher einarmiger Gelsenkirchener Herkules mit blauen Haaren und roten Lippen nicht. In Augsburg waren die üppigen Rundungen der Brunnenfigur „Aphrodite“ zu viel für die Bürger – sie verhinderten die Aufstellung. Auch als in Teltow vor vier Jahren die Göttin „Athene“ in Bronze und ziemlich bunt auf dem Saskatoon-Platz aufgestellt wurde, rümpften viele die Nase. Man hat sich zumindest in Teltow daran gewöhnt, Kunst eben. Als „Rache am Banalen“ wird Lüpertz’ Kunst auch beschrieben. Seinen Erfolg schmälern die beständigen Kritiker-Attacken nicht. Bis ins Kanzleramt schaffte es seine 2,50 Meter hohe dralle „Philosophin“ mit den unförmigen Gliedmaßen. Der mit Lüpertz befreundete Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte sie in Auftrag gegeben.

Überhaupt haben es Großformate dem Künstler angetan, dessen kraftvolle gegenständliche Malerei häufig als „neo-expressiv“ bezeichnet wird. Wuchtig und expressiv ist seine Handschrift auch in der Malerei. 15 Meter lang ist seine frühe „Lüpolis“-Arbeit von 1977. „Westwall“ kommt auf zwölf Meter – die verfremdeten Rauten des abstrakten Großwerks erinnern an das einstige Nazi-Bollwerk aus Panzersperren, aber irgendwie auch an „Toblerone“-Schokolade.

Lürpertz - ein Allround-Künstler

Lüpertz ist aber nicht nur ein Maler. Er schreibt auch Gedichte und spielt Klavier in einer Jazz-Band. Als „Allround-Künstler“ mit einer „unerschütterlichen Energie“ bezeichnet ihn Kurator Götz Adriani. Das Malen aber steht für Lüpertz an erster Stelle: „Ich mache alles, was ich mache, aus der Sicht des Malers – auch das Schreiben.“ Malen sei für ihn „wie Luft holen“, sagt Lüpertz.

Neben Teltow hat der Maler auch noch andere Ateliers, Abwechslung kann nicht schaden. Mehrere Arbeitsorte gehören auch zum guten Ton. Lüpertz arbeitet unter anderem in Düsseldorf, Karlsruhe und Florenz. Kunst zu machen ist für ihn auch „wie ein Fluch“. Die Unzufriedenheit mit seiner Arbeit treibe ihn immer wieder zum nächsten Bild. „Ich jage als Künstler dem Ideal hinterher.“

Lüpertz’ Karriere begann holprig: Nach der Flucht der Familie 1948 ins Rheinland scheiterte eine Lehre als Maler für Weinflaschenetiketten angeblich an mangelndem Talent. Als 17-Jähriger flüchtete er nach eigenen Angaben aus der Fremdenlegion. Nach einem Jahr Maloche unter Tage in einer Kohlenzeche studierte er bis 1961 an der Düsseldorfer Akademie. Allerdings nur ein Semester. Dann sei er exmatrikuliert worden – „wegen einer Schlägerei“. Seitdem arbeitete Lüpertz als Künstler. Eine Genugtuung dürfte für ihn der Ruf als Rektor an die renommierte Düsseldorfer Akademie im Jahr 1988 gewesen sein. Fast 20 Jahre leitete Lüpertz die Kunsthochschule. Als Rektor war er gefürchtet.

"Natürlich will jeder geliebt werden"

Mit den Anfeindungen seiner Kritiker geht Lüpertz gelassen um. „Natürlich will jeder geliebt werden. Und wenn sie das nicht tun, hab ich eben Pech gehabt.“ Es gebe viele Leute, die ihn ablehnen, aber auch viele, die ihn mögen. „Insofern: Was soll’s? Man kann es nicht jedem Recht machen.“ Auf den Geniekult, den er seit Jahren um sich betreibt, möchte Lüpertz allerdings jetzt nicht mehr angesprochen werden. „Hören Sie doch auf damit.“ Auch das Thema, ob er nach einem Einbruch im Dezember vergangenen Jahres in sein Teltower Atelier noch in der Stadt bleiben will, scheint vom Tisch zu sein. Er wird wohl bleiben.

Bleibt nur noch das Altern? Ja, das mache ihm etwas aus. „Ich kann mir nicht vorstellen, alt zu werden“, sagt er. Er habe auch Angst vor dem Tod. Was er unbedingt noch machen möchte? „Das nächste Bild malen. Ich bin noch nicht da, wo ich bin. Deswegen brauche ich noch ein paar Jahre.“

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