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Potsdam-Mittelmark: Schwere Stunden, Schlappen und Zuversicht

Rückblick 2011 in Potsdam-Mittelmark: Ein Jahr mit dramatischen Ereignissen, wichtigen Weichenstellungen und ungebrochenen Protesten

Bange Stunden nach Kindesentführung

10. Februar: 13 Stunden hat Carsten W. ein vierjähriges Mädchen aus Kleinmachnow in seiner Gewalt, bevor die Polizei um 21.30 Uhr die Entführung beendet. Die Stunden zuvor waren dramatisch: Gegen 8 Uhr bedroht W. die Mutter des Mädchens mit einer Sichel, reißt das Kind an sich und fordert 60 000 Euro Lösegeld. Dann flieht er mit einem roten Renault Clio. Am Abend kommt es zur Lösegeldübergabe, Carsten W. setzt das Mädchen daraufhin am Stahnsdorfer Damm ab. Wenige Minuten später schlägt die Polizei zu: W. wird festgenommen, am 5. August verurteilt ihn das Landgericht Potsdam zu neun Jahren Haft. Vor Gericht erklärt Carsten W., Mietschulden hätten ihn zu der Tat bewegt. Die Kleinmachnower Familie habe er bewusst ausgewählt, weil sie ihm aufgrund ihres neuen Hauses und zweier Oberklassewagen zahlungskräftig erschien.

Wildgewordene Tiere

16. Februar: Der nahende Frühling scheint den Kamelen des Wanderzirkus „Magic“ in den Kopf zu steigen. Am 1. Februar büchst die junge Kameldame Fatima vom Gelände an der Lichterfelder Allee aus und beißt einer Frau in die Hand. Am 6. März überwindet Fatima erneut den Sicherheitszaun und rennt einen 20-jährigen Mann um, der leichte Verletzungen erleidet. Anfang Juli erlebt die 41-jährige Claudia Membrez an der Kleinmachnower Bushaltestelle Klausenerstraße ebenfalls schmerzhaft und ganz real ihren persönlichen Albtraum mit einem Tier. Gegen 16.30 Uhr steigt sie dort aus dem Bus, um ihre sechsjährige Tochter aus der nahen Kita zu holen. Plötzlich rennt aus dem nahen Gebüsch ein gewaltiger Keiler auf sie zu und reißt sie um. Mit schweren Verletzungen musste sie zur Behandlung in ein Krankenhaus gebracht werden. Nach dem Keiler wird vergeblich gesucht.

TÜV-Siegel für Werders Blütenfest

24. März: Höchstes Lob vom TÜV Rheinland: Werder könne ganz beruhigt dem 132. Baumblütenfest entgegensehen, sagte ein Prüfingenieur in der Stadtverordnetenversammlung. Das Sicherheitskonzept könnte „das goldene TÜV-Siegel“ bekommen. Auf Druck des Polizeipräsidiums hatte die Stadt das Konzept zuvor massiv nachgebessert. Polizeipräsident Reiner Kann hatte höchstpersönlich gewarnt, dass die enge Inselbrücke – wie der Eingangstrichter der Loveparade in Duisburg – zum gefährlichen Flaschenhals werden könnte. Die Stadt reagiert mit einer 3,50 Meter breiten Pontonbrücke direkt neben der Inselbrücke, die für Notfälle zur Verfügung stehen soll. Auch an anderen Stellen gibt es Nachbesserungen. Das neuntägige Spektakel verläuft mit deutlich weniger Zwischenfällen als in den Vorjahren.

Frost bringt Desaster für Obstbauern

5. Mai: Eine windstille Frostnacht wird für die Werderaner Obstbauern zur Katstrophe: Tückischer Strahlungsfrost greift die Blüten und Fruchtansätze an. Die Erdbeerernte wird zum Desaster, der verregnete Sommer gibt Kirschen und Pflaumen noch den Rest. Ausfälle von 50 bis 100 Prozent sind die Folge. Und auch der Apfel, für viele Obsthöfe Hauptkultur, hat massiv gelitten: Die Märkische Obstbau in Groß Kreutz, einer der größten Betriebe der Region, erntet in diesem Jahr nur 100 statt 2000 Tonnen. Die traditionelle Selbstpflücke fällt auf vielen Obsthöfen aus.

Hubschrauber gegen Forstschädlinge

11. Mai: Im Waldgebiet zwischen Ferch und Michendorf versprühen Hubschrauber ein Pflanzenschutzmittel gegen den Eichenprozessionsspinner. Der Schädling hat sich bereits auf 120 Hektar ausgebreitet und gefährdet die wertvollen Eichenbestände. Die aus Südeuropa stammende Schmetterlingsraupe frisst die Bäume kahl. Ihre Brennhaare sind auch für Menschen nicht ungefährlich und können zu allergischen Reizungen führen. Bekämpfungsaktionen gibt es auch auf den Straßen zwischen Geltow und Werder, zwischen Stücken und Fresdorf, dem Autobahnanschluss Drewitz und dem Abzweig Philippsthal sowie auf dem westlichen Berliner Ring.

Rätselhafter Flugunfall

21. Mai: Über dem Flugplatz Saarmund prallt ein Segelflugzeug vom Typ Jeans Astir mit einem Ultraleichtflugzeug frontal zusammen. Beide stürzen auf dem Flugplatzgelände ab, alle drei Insassen kommen dabei ums Leben. Der Potsdamer Segelflieger war in Richtung der knapp 100 Meter hohen Saarmunder Berge gestartet, von wo ihm die mit zwei Männern besetzte Maschine vom Typ Remos entgegenkam. Die übliche Überflughöhe beträgt hier an sich 600 Meter. Warum das Ultraleichtflugzeug sich nicht daran hielt und der Pilot sich nicht angemeldet hatte, bleibt unklar. Er war Fluglehrer in Schönhagen.

Axel Hilpert wird verhaftet

9. Juni: Axel Hilpert, Betreiber und Mitinhaber des Resorts Schwielowsee in Werder (Havel), wird direkt an der Hotelanlage in Petzow von Beamten des Landeskriminalamtes verhaftet. Die Staatsanwaltschaft wirft Hilpert schweren Subventionsbetrug vor: Er soll beim Bau seines im Jahr 2005 eröffneten Hotelkomplexes die Landesinvestitionsbank getäuscht und unrechtmäßig eine zu hohe Förderung kassiert zu haben. Trotz mehrerer Haftprüfungsanträge seiner Anwälte bleibt Hilpert hinter Gittern, der Haftrichter fürchtet Flucht- und Verdunklungsgefahr. Am 9. Januar soll der Betrugsprozess gegen den umtriebigen Manager mit Stasi-Vergangenheit beginnen.

Aufstand gegen Flugrouten

11. Juli: Etwa 500 Fluglärmgegner aus der Stadt Werder (Havel) sowie den Gemeinden Schwielowsee, Michendorf und Nuthetal – die meisten in Schwarz gekleidet – protestieren vor der Staatskanzlei in Potsdam. Konkreter Anlass ist die Sorge über die geplanten Anflugrouten für den künftigen Großflughafen, die in niedriger Höhe direkt über die Gemeinden führen sollen. Viele weitere Protestaktionen gegen geplante Flugrouten über die Regionen Teltow/Kleinmachnow/Stahnsdorf sowie über Beelitz und Seddiner See folgen. Die Deutsche Flugsicherung bessert nach, legt neue Varianten vor, doch die Ängste der Anwohner bleiben. Immer wieder wird ein umfassendes Nachtflugverbot in der Zeit von 22 bis 6 Uhr gefordert, vorgesehen ist es nur von 24 bis 5 Uhr. Eine entsprechende Volksinitiative wird vom Landtag im Dezember abgelehnt. Die Gemeinden setzen jetzt auf ein Volksbegehren, das zu einem Volksentscheid über das Nachtflugverbot führen soll.

Schleusen-Klage zurückgezogen

16. Juli: Das Land Brandenburg hat bereits im Mai seine Klage gegen den Ausbaustopp für die Schleuse Kleinmachnow zurückgenommen. Das wird erst im Juli durch eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Cornelia Behm öffentlich. Ende 2010 hatte sich die Bundesregierung von den Plänen zum Ausbau einer Kleinmachnower Schleusenkammer von 85 auf 190 Meter Länge verabschiedet und lediglich eine Sanierung angekündigt. Umweltschützer hatten massiv gegen das 48 Millionen Euro teure Projekt protestiert. Auch nach Rücknahme der Klage plädiert die Landesregierung weiterhin dafür, die Schleuse wie ursprünglich vorgesehen auf eine Länge von 190 Meter oder als Kompromiss zumindest auf 115 Meter auszubauen.

Schneller pendeln

18. Juli: Alle zehn Minuten fährt die S-Bahn seit dem 18. Juli zwischen Teltow und Berlin. Zumindest in der Zeit zwischen 6 und 20.30 Uhr. Die Fahrgastzahlen sind indes seit Eröffnung des Streckenabschnitts im Jahr 2005 nicht gestiegen. Statt der von den Verantwortlichen bei der Berliner S-Bahn anvisierten 10 000 Kunden täglich bleibt die Zahl bislang mehr oder weniger konstant bei gut 3 000 Fahrgästen. Die aber freuen sich über die Taktverdichtung – zumindest bis zum 14. Dezember. Da nämlich fährt die S-Bahnlinie 25 erneut nur noch im 20-Minuten-Takt von und nach Berlin. Schuld sei der außergewöhnlich hohe Krankenstand unter den S-Bahnfahrern, so ein Sprecher der Berliner S-Bahn.

Michendorf wählt den Wechsel

25. September: Reinhard Mirbach (CDU) wird zum neuen Bürgermeister der Gemeinde Michendorf gewählt. Die Stichwahl gewinnt er mit 60,1 Prozent der Stimmen gegen den SPD-Kandidaten Christian Maaß. Die bisherige Amtsinhaberin Cornelia Jung (parteilos) war nach langer Krankheit und einem Wahlkampf, den sie nur über Internet führen konnte, bereits in der ersten Runde gescheitert. Mirbach erklärt, er stehe für eine fraktionsübergreifende Sacharbeit bereit und bietet allen kommunalpolitischen Kräften in der Gemeinde die Zusammenarbeit an. Nach vielen Streitigkeiten zuvor verbinden viele Michendorfer mit Mirbach die Hoffnung auf einen Neuanfang auch in der Zusammenarbeit zwischen Rathaus und Gemeindeverwaltung. Am 16. Dezember tritt der 42-jährige Diplom-Verwaltungswirt seinen Dienst als Bürgermeister an.

Antisemitische Parolen

29. September: Zwei Mitarbeiterinnen des Jüdischen Museums werden von Schülern der Carl-von-Ossietzky-Schule in Werder (Havel) mit antisemitischen Parolen angepöbelt. Die Museums-Leute waren für einen Aktionstag zum Thema „Jüdisches Leben seit 1945“ angereist. Die beiden Frauen rufen sofort die Polizei, der Fall sorgt deutschlandweit für Aufsehen. Bürgermeister Werner Große (CDU) nennt den Vorfall „nicht hinnehmbar“. Schüler, Lehrer und Eltern reagieren sofort und distanzieren sich von den Äußerungen, die pöbelnden Schüler zeigen sich einsichtig und entschuldigen sich. Das Jüdische Museum ist schließlich einverstanden, die Zusammenarbeit wieder aufzunehmen.

Müllbaron vor Gericht

5. Oktober: Endlich beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Drahtzieher des größten Müllskandals der Nachwendezeit in Potsdam-Mittelmark. Er soll zwischen 2004 und 2008 über 144 000 Tonnen illegalen Mülls –hauptsächlich Siedlungs- und Gewerbeabfälle – auf sechs ehemaligen Deponien sowie in einer Kiesgrube vergraben und damit 4,3 Millionen Euro verdient haben. Der ehemalig Polizist Bernd R. zeigt sich in Anbetracht der drückenden Beweislast geständig. Nach einer Vielzahl von Verhandlungstagen fordert die Staatsanwaltschaft am 20. Dezember sechs Jahre und drei Monate Haft für den 58-Jährigen und wirft ihm „erhebliche kriminelle Energie und Gewinnsucht“ vor. Die Verteidigung hält drei Jahre und sechs Monate für angemessen. Das Urteil wird am 19. Januar erwartet.

Grundstein für die Blütentherme

18. Oktober: In den Havelauen in Werder (Havel) wird der Grundstein für die Blütentherme gelegt. Das neue Freizeitbad entsteht direkt am Ufer des Zernsees. Die Stadt hat sich als Partner für das 18 Millionen Euro teure Großprojekt unter drei Bewerbern für die mittelfränkische Kristall Bäder AG entschieden, die in Brandenburg bereits erfolgreich die Thermen in Bad Wilsnack und Ludwigsfelde betreibt. Sie wird auch das Bad in Werder bauen und betreiben und sich an der Finanzierung beteiligen. Die schon im Herbst erwartete Baugenehmigung wird es allerdings erst im Januar geben, die Kreisbauaufsicht hat bislang nur die Tiefbauarbeiten erlaubt. Das Bad soll trotzdem am 12.12.2012 eröffnet werden.

Beelitz bleibt Garnisonsstadt

26. Oktober: Die Bundeswehr bleibt Beelitz erhalten. Diese mit Spannung erwartete Standortentscheidung gibt das Verteidigungsministerium im Zuge der Bundeswehrreform bekannt. Demnach werden in der Kaserne „Hans-Joachim von Zieten“ von derzeit 980 Stellen nur 70 gestrichen werden. Entsprechend groß ist die Erleichterung . Auch die anderen Bundeswehrstandorte im Landkreis Potsdam-Mittelmark bleiben – bei geringen Einschnitten – erhalten. In der Geltower Kaserne „Henning von Treskow“ werden 80 Posten gekürzt, hier werden künftig noch 910 Bundeswehrangehörige ihren Dienst verrichten. Dort befindet sich das Einsatzführungskommando, von dem aus sämtliche Auslandsmissionen der deutschen Streitkräfte koordiniert werden.

Tragödien auf der Autobahn

19. November: Zwei erschütternde Verkehrsunfälle ereignen sich im November auf den Autobahnen in Potsdam-Mittelmark. Am 19. November fährt am Autobahndreieck Werder ein Lkw auf einen Pkw Suzuki auf. Der Kleinwagen fängt sofort Feuer – die Pkw-Insassen können sich nicht befreien und verbrennen bis zur Unkenntlichkeit. Nur wenige Tage später, am 23. November, werden bei einem Unfall auf der A9 bei Niemegk zwei Menschen getötet und neun verletzt. Es herrscht dichter Nebel – Rauchschwaden vom Großbrand einer wenige Kilometer entfernten Lagerhalle sorgen zusätzlich für schlechte Sicht. Acht Lastwagen und 16 Pkw krachen ineinander – die Trümmerteile liegen auf einer Strecke von 500 Metern verstreut.

Windparkplatz Mittelmark

1. Dezember: In den Kreisen Potsdam-Mittelmark, Havelland und Teltow-Fläming sollen 25 neue Windparks entstehen. Die Regionalversammlung Havelland-Fläming beschließt dazu einen Kriterienkatalog. Allein in der „östlichen Zauche“ zwischen Wittbrietzen und Bliesendorf würden demnach drei neue Windfarmen in einer Größenordnung von 8, 12 und 15 Quadratkilometern möglich werden. Zwischen Sputendorf und Genshagen wäre ein rund 4 Quadratkilometer großer Windpark möglich. Einigen reicht das nicht: So hält die Berliner Stadtgüter GmbH am umstrittenen Projekt für einen 3 Quadratkilometer großen Windpark im Süden von Teltow und Stahnsdorf fest und will ihn notfalls juristisch durchsetzen – auch wenn es im Entwurf des sogenannten „Teilplans Wind“ der Regionalplanung nicht mehr auftaucht.

Geltow kann Erholungsort werden

1. Dezember: Der Ortsteil Geltow ist fit zur Aufnahme in den Erholungsort Schwielowsee. Abgasmessungen an der B 1 haben gezeigt, dass die Bundesstraße in Geltow deutlich geringer mit Abgasen belastet ist als von Fachleuten erwartet. Laut deutschlandweit geltender Standards dürfen die gesetzlichen Abgasgrenzwerte in Erholungsorten zu weniger als 60 Prozent ausgeschöpft werden, Geltow liegt weit darunter. Für die Gemeinde Schwielowsee eine gute Nachricht: Die Belastungen durch die B 1 waren der Hauptgrund, dass im Juli 2010 nur die Ortsteile Ferch und Caputh den werbewirksamen Status „Staatlich anerkannter Erholungsort“ bekommen hatten. Jetzt hofft Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) auf eine Zulassung auch für den Ortsteil Geltow.

Caputher Villa für Ex-Treber-Chef

14. Dezember: Rechtzeitig vor der Insolvenz der Treberhilfe hat sich deren Ex-Chef Harald Ehlert die firmeneigene Villa mit Seegrundstück in Caputh gesichert. Ein entsprechender Kaufvertrag mit der gemeinnützigen Gesellschaft für das luxuriöse Anwesen am Templiner See wird im Dezember öffentlich. Auf dem weitläufigen Villengrundstück sollten eigentlich Mitarbeiter der Sozialeinrichtung geschult werden – es blieb vielen aber wegen der ausschweifenden Partys am See in Erinnerung. Alle Immobilien waren unter Ehlerts Federführung aufwendig saniert worden.

Das Spiel ist aus

15. Dezember: Nach jahrelangen Diskussionen ist jetzt klar: Die Gemeinde Kleinmachnow kauft die Kammerspiele nicht. Die Gemeindevertreter beschließen, das marode Kino nicht zu kaufen und zu sanieren. Die Summe von 4,5 Millionen Euro, die Bürgermeister Michael Grubert (SPD) dafür veranschlagt, scheint vielen Gemeindevertretern zu hoch. Der Grund: Für andere Kultureinrichtungen im Ort wäre nach dem Erwerb kein Geld mehr da. Kino-Eigentümer Karl-Heinz Bornemann kündigt daraufhin an, sich in den kommenden Monaten mit zwei Investoren zu treffen, um einen Erbpachtvertrag zu regeln. Für Bürgermeister Michael Grubert (SPD) scheitert damit eines der größten Vorhaben seiner Amtszeit. alm/hkx/ldg

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