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Wölfe in Brandenburg

© dpa/Patrick Pleul

Update

„Ich habe das allerbeste für die Tiere getan“: Jäger wegen Wolf-Abschuss erneut freigesprochen

Ein Jäger hat im Frühjahr 2019 in Brandenburg einen Wolf erschossen – wie er sagt, aus Notwehr. Das Tier habe die Hunde angegriffen.

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Ein Jäger aus den Niederlanden war vor dem Landgericht Potsdam angeklagt, weil er einen Wolf in Brandenburg erschossen hatte. Das Gericht sprach den Unternehmer am Dienstag im Berufungsprozess frei. Aus Sicht des Gerichts konnte nicht mehr zweifelsfrei festgestellt werden, wie das Tier genau getötet worden war. Nach Angaben des Deutschen Jagdverbandes war es der erste Fall in Deutschland dieser Art, der vor Gericht landete. Die Staatsanwaltschaft will prüfen, ob sie Rechtsmittel gegen das Urteil einlegt.  

Der Jäger hatte den Wolf im Frühjahr 2019 während einer Jagd in Rädigke (Landkreis Potsdam-Mittelmark) südwestlich von Berlin erschossen. Die Staatsanwaltschaft klagte ihn wegen Verstoßes gegen das Bundesnaturschutzgesetz an – der Wolf ist in Deutschland streng geschützt. Der Jäger begründete, er habe die Jagdhunde schützen wollen, der Wolf habe sie angegriffen.

Im Zweifel für den Jäger

Im Prozess gaben Zeugen unterschiedliche Versionen an, wie der Vorfall genau abgelaufen war. „Bei der Jagd handelt es sich um ein dynamisches Geschehen“, sagte Richter Stephan Mracsek am Dienstag im Gerichtssaal. Eine „Zerlegung in diverse Wahrnehmungen“, insbesondere nach vielen Jahren, erscheine nicht geeignet, die Basis für die Verurteilung des Angeklagten zu sein. Demnach sprach das Gericht den Jäger nach dem Grundsatz im Zweifel für den Angeklagten frei.

Die Staatsanwaltschaft Potsdam hatte beantragt, den Mann zu einer Geldstrafe in Höhe von 14.000 Euro zu verurteilen. Die Verteidigung beantragte Freispruch. „Ich habe das allerbeste für die Tiere getan“, sagte der Jäger.

So gefangen genommen, dass es hoch-, dass es weggeschleudert wurde.

Stephan Mracsek, Richter am Landgericht Potsdam 

Die Jagd habe in einem Gebiet stattgefunden, in der zuvor bereits Wölfe gesehen worden seien, so Mracsek. Dies sei dem Angeklagten aber nicht mitgeteilt worden, und auch nicht, wie er sich hätte verhalten müssen, wenn er auf einen Wolf trifft. „Er hat dann zum ersten Mal in freier Wildbahn eine Wolf gesehen“, sagte der Richter. „Es war für ihn überraschend.“  

Wölfe in Paarungszeit besonders aggressiv

Zwischen mindestens sechs Jagdhunden und dem Wolf sei es dann zu „einer Auseinandersetzung“ gekommen. Mindestens ein Tier sei dabei durch den Wolf „so gefangen genommen, dass es hoch-, dass es weggeschleudert wurde“, sagte Mracsek.

Die Jagd habe in der Paarungszeit der Wölfe von Januar bis März stattgefunden, zu einem Zeitpunkt, in dem diese besonders aggressiv seien. Der Angeklagte, das stand nach der Beweisaufnahme aus Sicht des Gerichts fest, hatte zunächst versucht, den Wolf zu verscheuchen, durch klatschen, rufen und einen Warnschuss. „Dann hat sich der Angeklagte entschlossen, die Hunde zu schützen, den Wolf gezielt zu erschießen.“

Richter Stephan Mracsek sagte, hätte der Angeklagte den Wolf absichtlich erlegen wollen, hätte er nicht einen derart komplizierten Schuss von hinten gewählt, sondern das Tier beim Vorbeistreifen von der Seite erschossen. Zudem habe ein Tierarzt zumindest bei einem Tier Verletzungen festgestellt, die von einem größeren Hund oder einem Wolf stammten. „Das stützt die Version des Angeklagten.“ Er sei „ganz offensichtlich überfordert gewesen“. Es gebe auch eine Reihe von Indizien, die gegen die Version des Angeklagten sprechen würden. Letztendlich sei die Situation nicht mehr nachstellbar.

27 Wölfe illegal getötet

Im ersten Prozess vor dem Amtsgericht Potsdam wurde der Jäger ebenfalls freigesprochen. Aus Sicht des Gerichts konnten seine Aussagen und die einzelner Zeugen, dass das Tier zuvor die Jagdhunde angegriffen hat, nicht widerlegt werden. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein, daher kam es erneut zum Prozess.

In Deutschland steigt die Zahl der Wolfsrudel langsam an. Nach Zahlen des Bundesamtes für Naturschutz und der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf wurden im Wolfsjahr 2021/2022 (1. Mai bis 30. April) 161 Rudel registriert. Die meisten (47) leben demnach in Brandenburg.

Immer wieder kommt es dazu, dass Wölfe Nutztiere reißen. In Brandenburg erlaubt das Gesetz, unter bestimmten Ausnahmen Wölfe zu töten, beispielsweise, wenn sie sich besonders aggressiv gegenüber Menschen zeigen oder in einem Gebiet über einen längeren Zeitraum hinweg besonders häufig Nutztiere reißen. 27 Wölfe wurden nach Angaben des Landesamtes für Umwelt Brandenburg in den vergangenen zehn Jahren aber illegal getötet, allein fünf im Jahr 2022.

Der Deutsche Jagdverband begrüßte den Freispruch. Er kritisierte allerdings, dass sich das Gericht nicht dazu äußerte, was höher wiegt: der Schutz des Wolfes oder der des Jagdhundes. Der Verband fordert eine klare gesetzliche Regelung für Tierhalter und Jäger, wie sie sich im Falle eines Wolfsangriffs verhalten sollen.

Die Bürgerinitiative Allianz Wolf Brandenburg zeigte sich enttäuscht. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz sei klar, dass Wölfe nicht verfolgt, gestört, getötet oder verletzt werden dürften, sagte eine Sprecherin der Berliner Zeitung.

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