Potsdam-Mittelmark: Einfach tanzen

Kleinmachnow - Getanzt hat er schon immer gerne. Beschwingt tappelt Harald Mushack auf Zehenspitzen durch den kleinen Saal der Kleinmachnower Kammerspiele. Eins, zwei, Tipp, drei, vier, Tipp. Aus dem Radio dudelt Musik der goldenen 20er-Jahre, zu deren Takt der 59-Jährige mit den Hüften wippt. Seine Hände zittern, dazu verdreht er Knie und Füße. Schon nach wenigen Minuten des Charleston-Tanzes stehen dem Stahnsdorfer Schweißperlen auf der Stirn. Doch das macht dem Musical-Fan nichts.

Schon seit knapp eineinhalb Jahren proben in der Kleinmachnower Kultureinrichtung an der Karl-Marx-Straße Kinder und Erwachsene für ihren großen Auftritt: das erste eigene Musical. Unter der Leitung des 42-jährigen Musical-Darstellers Zoltan Tombor trainieren sie wöchentlich zum Teil für mehrere Stunden mit professionellen Tanz-, Gesangs- und Schauspiellehrern, um sich und ihr Können vor Freunden zu präsentieren.

„Das ist ganz klar“, sagt Zoltan Tombor, „wenn man singt und tanzt, möchte man das irgendwann anderen zeigen.“ Seit 17 Jahren lebt der gebürtige Ungar mit seiner Frau Judith in Deutschland. Auch sie ist Sängerin. Unter anderem in Duisburg stand Tombor für das Musical „Les Miserables“ auf der Bühne, in Berlin spielte er am Potsdamer Platz drei Jahre lang die Hauptrolle des Quasimodo im „Glöckner von Notre-Dame“. Acht Auftritte in der Woche – das war ihm irgendwann zu viel, sagt Tombor. Derzeit gibt er vor allem Gastspiele.

Schon vor sieben Jahren begann das Paar parallel im nahen Blankenfelde-Mahlow ein Musical-Projekt für Kinder aufzubauen. Als sie nach Kleinmachnow umzogen und hier die neu eröffneten Kammerspiele entdeckten, waren sie schnell dem denkmalgeschützten Kino mit seiner Theaterbühne und dem Charme samtroter Vorhänge erlegen.

Mit befreundeten Tanz- und Schauspiellehrern bereitet das ungarische Paar Kinder auf eine mögliche Musical-Karriere vor. „Tanz, Gesang, Schauspiel – das sind die drei Grundlagen des Musiktheaters“, sagt Tombor. Dafür trainieren die Kinder jeden Samstag drei Stunden. Die kleinsten im Alter von fünf bis sieben Jahren müssen eine Stunde ran. „Es geht aber um Spaß, alle sollen sich wohlfühlen“, sagt Tombor. Und doch hätten einige Größeres im Sinn. Sie wollen ihren Lehrern nacheifern. „Wenn wir merken, dass sie dafür geeignet sind, bereiten wir sie gezielt darauf vor“, sagt Tombor. Zwei ihrer ältesten Schüler hätten es auf Bühnen nach Berlin und Hamburg geschafft.

Für Harald Mushack und seine Tanzpartnerinnen geht es nicht um die Karriere. Die Hobby-Darsteller im Alter 50plus suchen Abwechslung vom Alltag, Entspannung oder die späte Erfüllung eines Traums. So wie Petra Borowski aus Teltow. „Ich wollte mein Leben lang schon Theater spielen.“ Der heute 58-Jährigen kam im Leben viel dazwischen: die Arbeit, die Kinder. Jetzt hat sie Zeit und Mut gefunden für das angedachte Musical-Liebesdrama. Auch Elvira Waldmann nimmt den Weg aus Güterfelde gerne auf sich. „Hier kann man viel Spaß haben“, sagt die 63-jährige Rentnerin, die ihr Können am 9. Juli vor Freunden und Bekannten in den Kammerspielen zeigen will.

Acht Erwachsene und 30 Kinder proben für ihre Musicals. Ein Einstieg ist jederzeit möglich. Die meisten sind Frauen. „Sie alle haben in kürzester Zeit eine unglaubliche Entwicklung hingelegt“, sagt Musical-Lehrer Tombor. Für ihr wöchentliches Training zahlen Kinder bis sieben Jahre 55, Erwachsene 65 und Jugendliche für das Drei-Stunden- Training 120 Euro im Monat.

„Wer zu uns kommt, ist immer voll dabei“, sagt Zoltan Tombor. Auch Harald Mushack steht nach einer kurzen Pause wieder bereit. Ungeduldig tippt er mit dem Fuß auf den Boden. „Ich brauche den Ausgleich hier nach der Arbeit“, sagt er. „Ich will einfach tanzen, meine Gedanken woanders haben.“ Dann tappelt er wieder los. Tobias Reichelt

Das nächste Kinder Musical ist am morgigen Samstag um 12.30 Uhr zu sehen. Am 9. Juli spielen die Erwachsenen ab 19 Uhr in den Kammerspielen. Weitere Infos unter www.musical-manufaktur.de