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KulTOUR: Die eigenwilligen Stiefkinder Berliner Cappella

im Kunsthof Glindow

Werder · Glindow - Was Herzenssache ist, kann nur gelingen. Zu einem englischen Konzert hatte das Kammerorchester Berliner Cappella unter Leitung von Hans-Joachim Greiner am Samstag in den Kunsthof Glindow geladen. Jones, Boyce, Purcell, Elgar und Britten standen auf dem Programm – ein strammer Marsch durch die englische Musikgeschichte. Greiner hatte sich für diese Komponisten entschieden, weil sie ihm besonders gut gefallen und sie seiner Meinung nach bei deutschen Orchestern und Hörern noch immer ein Dasein als ungeliebte Stiefkinder fristen. All zu leicht gelten deren Stücke, denen in ihrer Kürze Schwere und Tiefgründigkeit zu fehlen scheinen. Musik weniger für den Kopf, als fürs Herz und Gemüt. Das die sehr wohl als anspruchsvolle Unterhaltung gelten kann, bewies das Berliner Cappella den gut 70 Zuhörern aufs Trefflichste.

Als Parodie auf das Jubilierende der Militärmusik griff E. H. Jones (1752-1824) in „Battles und Brawls“ verschiedene Marschthemen auf, um hier den fröhlichen Heldengesang, mit der die Soldaten in die Schlacht getrieben wurden, zu überzeichnen. Noch gemessen und mit gebremster Zurückhaltung in der Intrada und der Pavane, lässt es Jones in Scottish Brawl und der finalen Battle richtig krachen. Wo anfangs die Bögen der Streicher noch mit vorsichtigem Tippen die fernen Trommeln und Piccoloflöten andeuten, geht es dann schon fast wolllüstig in die Schlacht. Da hob das Kammerorchester zu einer Wucht an und ließ die Saiten knallen, dass einem Angst und Bange um die Instrumente wurde.

Mit der ersten und dritten Sinfonie von William Boyce (1711-1779) dann barocke Popmusik. Streng in der Dreisatzform, klar strukturiert und durchschaubar im einfachen Melodiebau, mal tänzelnd, dann wieder kraftstrotzend aufbrausend, fanden die Musiker hier zu ausgelassener Spielfreude. Henry Purcells (1659-1695) „Fantasia upon one note“ dann als regelrechter Kontrapunkt. In getragenem Tempo, das Melancholische der Gambe in sich tragend, leuchtete dieses Stück wie aus der Tiefe.

Mit Edward Elgars (1857-1934) Serenade präsentierten die Musiker die britische Kurzform der großen dramatischen Sinfonien. Romantisch getragen und verhaltend klagend, hielt Greiner das Kammerorchester zu zurückhaltendem Spiel an. So wurden diese drei Sätze zu einem vorsichtigen Atmen, das eine gewaltige Spannung in sich zu tragen schien, deren Ausbruch nur mühevoll verhindert werden konnte. Mit Benjamin Brittens (1913-1976) „Simple Symphony“ dann noch einmal brillante Ausgelassenheit. Ein feinmaschiges, bunt flirrendes Melodiegeflecht – der zweite Satz nur gezupft – wurde hier zu einem ständigen Ringen und Zerren zwischen Schwelgen und Toben. Nach gut zwei Stunden sowohl auf der Bühne als auch im Publikum glückliche Gesichter. Dirk Becker

Dirk Becker

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