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Potsdam-Mittelmark: „Blaues Auge“ statt Niederschlag

Durch neuen Baumboom im Grashüpferviertel kann sich Stahnsdorf von jahrelangen Finanzforderungen befreien

Durch neuen Baumboom im Grashüpferviertel kann sich Stahnsdorf von jahrelangen Finanzforderungen befreien Stahnsdorf. Stahnsdorf hat sich ein „blaues Auge“ eingehandelt. Ein Resultat, das Bürgermeister Gerhard Enser (CDU) aufatmen lässt. Denn die Gemeinde hätte auch gut „k.o.“ gehen können und lange gebraucht, um wieder aufzustehen. Immerhin sah sie sich seit Jahren mit einer erschlagenden Forderung konfrontiert: 1,85 Millionen Euro verlangte das Landesamt für Bauen zurück, weil es nie wie geplant investiert wurde. Mit dem Geld wollte das Land Ende 1993 den Bau von Wohnungen im Grashüferviertel unterstützen, wo die Gartenstadt GmbH, eine Tochter der Bankgesellschaft Berlin, als Bauherrrin agierte. Zunächst war das Geld – insgesamt 2,3 Millionen Euro – als Zuschuss deklariert. Dieser war an eine Bedingung geknüpft: Bis Ende 1996 sollten in der geplanten Gartenstadt 800 Wohneinheiten entstehen. Doch wurde dieses Ziel nie erreicht, auch nicht nach einem weiteren Jahr, das vom Land als Verlängerung eingeräumt wurde. Lediglich 450 000 Euro aus dem Zuschuss-Budget wurden verbraucht – Ende 1997 befanden sich gerade einmal 94 Wohneinheiten im Bau, ganze 36 Grundstücke waren baureif erschlossen. Aus dem verbliebenen Zuschuss des Landes von 1,8 Millionen Euro wurde ein Darlehen, rückzuzahlen ab 1999, inklusive Zinsen. Es wurde ein Fall für die Gerichte. Der Umwandlung des Landes-Zuschusses in ein Darlehen hatte die Gemeinde widersprochen. Ihr Argument: Das ursprüngliche Entwicklungsziel sei aufgrund der ungeordneten Bedingungen zu Beginn der 90er Jahre und der sich zwischenzeitlich geänderten Nachfrage am Immobiloenmarkt nicht zu erreichen gewesen. Der Widerspruch wurde vom Land abgelehnt, die Gemeinde zog vors Verwaltungsgericht, wo das Verfahren noch heute anhängig ist. Gleichzeitig verklagte die Gemeinde die Gartenstadt GmbH. Denn mit der war vertraglich vereinbart, dass sie im Falle von Rückforderungen des Landes die Zahlungen zu übernehmen hat. Als Stahnsdorf die Bauherrin über die aufgemachte Rechnung des Landes informierte, kündigte diese kurzerhand die Verträge. Sie werden erst dann zahlen, so die Position der Gartenstadt-Manager, wenn die Gemeinde gegenüber den Land ultimativ den Rechtsweg bestritten hat. Fast fünf Jahre lebte die Gemeinde mit der offenen Forderung, den ungeklärten Rechtsstreitereien – und einer tickenden Zinsuhr. Diese zeigte im vergangenen Jahr einen Stand von 275 000 Euro an. Neben Verhandlungsgeschick führten zwei Umstände dazu, dass sich Stahnsdorf im Vorjahr – unter der Gefahr, sich ein „Veilchen“ einzufangen – in die Offensive wagte: die finanzielle Schieflage der Bankgesellschaft Berlin und das wieder erwachte Interesse von Investoren am Grashüpferviertel. Als Tochter des angeschlagenen Bankkonzern war die Gartenstadt GmbH in Stahnsdorf nur noch daran interessiert, schleunigst Geschäfte abzuwickeln. Mit der Design Bau GmbH und dem NCC Baukonzern fanden sich zwei Unternehmen, die im Grashüpferviertel tätig werden und Bauland erwerben wollten. Um mit den beiden Häuslebauern ins Geschäft zu kommen, benötigte die Bankgesellschaft jedoch die Hilfe der Gemeinde. Denn die hatte Anfang der 90er Jahre – entsprechend der damaligen Marktlage – die Entwicklung des Gebietes mit Reihenhäusern und Geschosswohnungsbau festgeschrieben. Heute sind mehr Einfamilien- und Doppelhäuser gefragt. Dass die Gemeinde die Festsetzungen im Bebauungsplan änderte und im Gegenzug die Gartenstadt GmbH die geforderten 1,85 Millionen Euro zahlte, nennt Bürgermeister Enser einen „Interessensausgleich“, der in etlichen Gesprächen erzielt und schließlich notariell beurkundet wurde. Das Geld hat Stahnsdorf jetzt ans Land überwiesen, nicht zuletzt um die Zinsuhr zu stoppen. Dennoch hält die Gemeinde die Klage gegen das Land aufrecht, weil sie zumindest den Zeitpunkt der Umwandlung des Zuschusses in ein Darlehen für zu früh hält. Peter Könnicke

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