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Kultur: Zwiegespräch zwischen Viola und Violine

Solisten der Kammerakademie Potsdam präsentierten Werke von Mozart und Mendelssohn-Bartholdy

Noch Robert Schumann stand dem Quintett ablehnend gegenüber und befand, dass man statt der „vier einzelnen Menschen“ bei fünf Spielern schon eine „Versammlung“ vor sich hätte. Tatsächlich besitzen Quintette, zumindest als reine Streicherensembles, ein geringeres Ansehen als die Gattung des Streichquartetts, die zu einem Modell klassischer Kammermusik wurde. Doch nach dem Fortfall der höfischen und kirchlichen Musikpflege kultivierte im neunzehnte Jahrhundert das Bürgertum die Musik. Für diese begeisterungsfähige Klientel, wie man heute sagen würde, entstanden zahlreiche Werke der Kammer- und Klaviermusik in den unterschiedlichsten Formationen.

Mit seinen Konzerten zur „Stunde der Musik“ im Foyer des Nikolaisaals knüpft die Kammerakademie Potsdam an diese gutbürgerlichen Traditionen an.

Oft werden die fünf Streichquintette von Wolfgang Amadeus Mozart höher als seine 23 Quartette eingeschätzt. Die Kammerakademie hatte sich für KV 515 in C-Dur entschieden, ein ausgesprochen stattliches, prachtvolles Werk – reich an kompositorischen Finessen und arm an melodischem Ausdruck – das nicht unbedingt zu den Höhepunkten von Mozarts Schaffen zählt. Es wirkte denn auch passagenweise fast wie ein Konzert für erste Geige mit Streicherbegleitung. Darüber hinaus schien es, als gestanden sich die Musiker wenig Raum für individuelle Gestaltung einzelner Motive und Passagen zu. Energisch, nahezu forciert und eng wird der erste Satz gespielt, mit durchdringender Violine, der die anderen beflissen folgen. Dem zierlichen Menuett schließt sich ein Andante mit einem ernsthaften Zwiegespräch zwischen solider Violine (Muriel Cantoreggi) und molligwarmer Viola (Christoph Starke) an. Viel Beifall gibt es nach dem Finale, dessen vertrackte Hindernisse voll kontrapunktischer Spitzfindigkeiten und rasanter Läufen bewundernswert gemeistert wurden.

Eine weit größere Menschenversammlung als beim Quintett findet sich beim Oktett. Diese Gattung ist zwar als doppeltes Quartett relativ verbreitet, weniger jedoch in der symphonischen Form, für die das Oktett op. 20 von Felix Mendelssohn-Bartholdy zum Wegweiser wurde. Dieses ungewöhnlich experimentelle Werk für vier Violinen und je zwei Bratschen und Celli widmete der noch nicht siebzehnjährige Komponist seinem Geigenlehrer Eduard Rietz. Die Anweisung „con fuoco“ wird von der Kammerakademie weidlich ausgeführt, voller Elan und Verve. Das romantisch singende Siciliano erfreut mit subtil versponnenem, fantasievollen, hauchzarten Passagenwerk. Einen Glanzpunkt setzt das Scherzo, wie eine huschende Geisterjagd, die virtuos von einer „ungarischen“ Violine angetrieben wird und überraschend lustig endet. Ausgelassene Musizierlust verströmt auch das Finale mit einem furiosen Fugato. Das von den Celli zu den Violinen nach oben laufende Thema entwickelt sich zu einem Perpetuum mobile, das in atemberaubendem Tempo gespielt wird. Mit großzügiger Grandezza endet die kleine Kammermusikversammlung im gut besuchten Foyer des Nikolaisaals. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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