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ANTIGONE
Bearbeitung: John von Düffel nach Sophokles, Euripides, Aischylos und den Stücken "Sieben gegen Theben, "Die Phönizierinnen" und "Antigone"

REGIE: Bettina Jahnke
BÜHNE: Claudia Rohner
KOSTÜME: Anne Hölzinger
MUSIKALISCHE EINRICHTUNG & CHÖRE: Tobias Dutschke
Dramaturgie: Bettina Jantzen

Auf dem Bild
Alina Wolff, Paul Wilms, Kristin Muthwill, Mascha Schneider (v.l.)

Foto: Thomas M. Jauk

Honorarfrei bei Nennung des Copyrights

© Thomas M. Jauk/Thomas M. Jauk

Zeitlosigkeit des antiken Dramas: „Antigone“ am Potsdamer Hans Otto Theater

Das Drama „Antigone“ hat Sophokles vor gut 2500 Jahren geschrieben. Die Inszenierung von Bettina Jahnke ist in mehr als 70 Jahren die dritte Auseinandersetzung der Potsdamer Bühne mit dem uralten und doch so gegenwärtigen Stoff.

Die Brüder Polyneikes und Eteokles haben sich im Streit um die Stadt Theben gegenseitig erschlagen. Somit übernimmt ihr Onkel Kreon die Herrschaft. Er lässt Eteokles bestatten und verfügt, dass des Angreifers Polyneikes Leiche liegen bleibt und den Vögeln zum Fraß dargeboten wird. Wer den Befehl missachtet, dem droht der Tod.

So beginnt das Drama „Antigone“, das der griechische Dichter Sophokles vor gut 2.500 Jahren schrieb. Die Inszenierung von Bettina Jahnke um die selbstbewusst-kompromisslose Antigone, die unlängst am Hans Otto Theater Premiere hatte, ist in mehr als 70 Jahren die dritte Auseinandersetzung der Potsdamer Bühne mit dem uralten und doch so gegenwärtigen Stoff. 1961 brachte Intendant Gerhard Meyer die Fassung Bertolt Brechts auf die Bühne in der Zimmerstraße und 2001 wurde in der Blechbüchse die Antigone in der Regie von Martin Meltke aufgeführt.

Es genügte offenbar dem Inszenierungsteam von 2023 nicht, die Geschichte des Sophokles pur zu erzählen, in der die beiden Schwestern der Toten, Antigone und Ismene sich nicht auf ein gemeinsames Handeln gegen den Befehl Kreons einigen können. Während Ismene die Götter um Verzeihung bittet, will Antigone ihren Bruder beerdigen, denn für sie ist es göttliches Gesetz, dass alle Toten zu begraben seien, um ihnen den Eintritt in die Unterwelt zu ermöglichen.

Gekürzt, aber nicht verkürzt

Ihre Handlung ist auch ein Akt des Widerstands gegen ihren Onkel Kreon. Bettina Jahnke wählte die Adaption aus dem Jahr 2014 des Potsdamer Dramatikers und Antike-Spezialisten John von Düffel. Er erzählt darin mit einer Textauswahl aus Stücken von Aischylos (Sieben gegen Theben) und Euripides (Die Phönizierinnen) die Vorgeschichte und Hintergründe der Familientragödie. Damit wird das ursprüngliche Stück von Sophokles zwar gekürzt, jedoch nicht verkürzt, denn John Düffel erhält den Kern der Geschichte straff zusammen, ja, gemeinsam mit Aischylos und Euripides wird hier manches sogar erhellender. Gut wäre es, wenn das spärliche vierseitige Programmblatt durch ein Programmheft ersetzt werden könnte – das gilt auch für fast alle Inszenierungen des Theaters–, denn die „Antigone“ bedarf mehr Hintergrundinformationen.

Die Zuschauerinnen und Zuschauer betreten über den Gasometer das Theaterhaus. Vor ihnen die Bühne und der Zuschauerraum, die sich wie ein antikes Theater eindrucksvoll präsentieren. Ein sehr stimmiges Ankommen. Auf der Bühne stehen eine ganze Reihe von roten Stühlen, angeordnet als ein Versammlungsraum. Ansonsten ist alles auf Klarheit fokussiert. In der Inszenierung von Bettina Jahnke, im Bühnenbild von Claudia Rohner sowie in der von Anne Hölzinger entworfene heutige Alltagskleidung geht es wohl vorrangig um das Wort. Es ist bei Mascha Schneider, Alina Wolff, Kristin Muthwill, Jörg Dathe, Arne Lenk und Paul Wilms bestens aufgehoben.

Das Ensemble spricht auch die kunstvoll angelegten, oftmals gebrochen wirkenden Chorpassagen des Ältestenrates (Einstudierung: Tobias Dutschke), der somit nicht einmütig seine Argumente formuliert. Mit Ausnahme von Dathe übernehmen die anderen Protagonisten jeweils zwei Rollen.

Mascha Schneider spielt die Titelrolle mit ausschließlich mädchenhafter Aufmüpfigkeit. Doch dies scheint zu wenig zu sein, denn Antigone ist eine junge Frau, die ihre Emotionen als Aufbegehren gegen das unerträgliche Gesetz und Tyrannei des Kreon einsetzt. Antigone ist die Braut seines Sohnes Haimon und Kreons Dilemma zwischen Macht und schließlich persönlicher Betroffenheit todbringende Entscheidungen zu treffen, gestaltet Jörg Dathe sehr differenziert.

Alina Wolff kann als Ismene in dieser Fassung nur schemenhaft ihre Rolle wahrnehmen, dafür bleibt ihre köstlich-humorige Darstellung als Wächter in Erinnerung. Kristin Muthwill und Arne Lenk spielen den blinden Seher Teiresias, hier als zweigeschlechtliches „Orakel“, höchst eindrucksvoll. Doch nicht Teiresias, sondern der Chor spricht in großer Einmütigkeit die zeitlosen Worte, dass nichts ungeheurer ist als der Mensch.

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