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Kultur: Vielfarbig schillernd

Potsdamer Hofkonzerte luden ganz königlich zum Orient-Abend in das Marmorpalais

Potsdamer Hofkonzerte luden ganz königlich zum Orient-Abend in das Marmorpalais Von Sonja Lenz Die Hüften kreisen, der Nabel zittert. Schleier wehen über das Mosaikparkett im Marmorpalais. Der Bauchtanz ist im altehrwürdigen Sanssouci eingezogen. Wenn das der König wüsste... ...dann wäre er sicherlich hellauf begeistert. Er würde sich amüsieren und applaudieren beim Orient-Abend der „Potsdamer Hofkonzerte“. Friedrich Wilhelm II. war ein begeisterter Freund des „türkischen Styls“. Neben dem Veranstaltungssaal ist sein achteckiges, türkisches Zeltzimmer zu bewundern. Von dort aus blickte er aus dem Fenster auf den maurischen Tempel. Er besaß ein türkisches Wörterbuch, obwohl er den Orient nie besucht hatte. Zu besonderen Anlässen engagierte er bis zu zwanzig orientalische Tänzerinnen und schwärmte von ihren „entzückenden Bäuchen“. Den Charme dieser Festabende bei Hof transportiert die „Entführung in den Serail“ in die Gegenwart. Der König würde staunen über den weiten musikalischen Horizont der deutsch-palästinensische Tänzerin Laila El-Jarad. Elegant und geschmeidig wie eine Gazelle bewegt sie sich zu traditioneller türkischer Musik vom Band. Ebenso harmonisch schwingen Bauch und Hüften zu arabischer Live-Musik. Selbst „artfremde“ klassische Musik aus Frankreich bereichert sie mit ihrer kontrastreichen Mischung aus kontemplativen und rasanten Gesten. Mit arabischer Musik ist sie aufgewachsen. Doch erst mit zwanzig Jahren erfüllte sich die Stuttgarterin neben dem Biologiestudium ihren Kindertraum und lernte tanzen. Dabei beschränkte sie sich nicht auf den orientalischen Tanz. Sie nahm auch Unterricht in Ballett, Jazz-Dance, Modern-Dance, Tango und Flamenco. Ihr persönlicher Tanzstil schöpft aus all diesen Quellen. Vor 22 Jahren ist Laila El-Jarad nach Berlin gezogen. Hier leitet sie ein Tanzstudio und setzt mit abendfüllenden Bühnenshows eigene Akzente, die das kleine Repertoire an typisch orientalischen Tanzbewegungen kreativ erweitern. Als rosafarbene Versuchung schlängelt sie Arme und Oberkörper zu Claude Debussys berühmtem Flöten-Solo-Stück „Syrinx“. Christian Lau versetzt sich musikalisch in die Rolle des raffinierten Verführers. Sensibel reagiert sie aber auch auf die wechselhaften Rhythmen und Flageolets, die Axel Elter auf der Gitarre in Jacques Iberts „Paraboles“ vorgibt. Als Potsdam Duo treten Lau und Elter als dienstälteste Kammermusikformation Potsdams auf. Seit 34 Jahren spielen sie Originalkompositionen und Bearbeitungen für ihre nicht alltägliche Besetzung. Mit resolutem Temperament stürzen sie sich in Mozarts Klaviersonate mit dem berühmten „Türkischen Marsch“. Schließlich war Friedrich Wilhelm II. nicht der Einzige, der vom Orientfieber erfasst wurde. Türkenfiguren aus Porzellan, orientalische Kostüme, Nachbildungen von Moscheen und rauschende Orient-Feste gehörten damals zum modischen Chic. Unzählige Komponisten haben „Türkenopern“ und Musikstücke „alla turca“ geschrieben. Neben klassischen Hits hat das Potsdam Duo auch Raritäten parat: die perkussive „Verteilung der Blumen“ des Brasilianers Heitor Villa-Lobos und ein hübsches Werk von Anton Diabelli, der als Verleger und Inspirator von Beethovens „Diabelli-Variationen“ berühmter geworden ist als als Komponist. Vielfarbig schillert der Abend zwischen Wiener Klassik und orientalischem Tanz, französischem Impressionismus und arabischer Musik. Der Libanese Khader Ahmad begeistert mit seinen meditativen und ausgelassenen Improvisationen auf der Flöte Nay und der Trommel Darbuka. Wer weiß? Vielleicht hätte ihm Friedrich Wilhelm II. nach dem Abend eine Stellung bei den „türkischen“ Musikern in seinem Regiment angeboten.

Sonja Lenz

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