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Die Filmhistorikerin Lea Wohl von Haselberg ist Teil des fünfköpfigen Programmkollektivs beim Jüdischen Filmfestival.

© Jüdisches Filmfestival Berlin Brandenburg

Resilienz beim Jüdischen Filmfestival: Lea Wohl von Haselberg über „Jewish Luck“

Am 13. Juni beginnt das Festival, bei dem auch Potsdamer Künstler mit der Neufassung eines Stummfilmklassikers dabei sind. Fünf Fragen an die Kuratorin.

Frau Wohl von Haselberg, beim Jüdischen Filmfestival ist der Stummfilm „Jewish Luck“ zu sehen, in der Neufassung der Potsdamer Künstler Xenorama. Was war der Impuls dahinter?
Grundsätzlich ist es für uns immer spannend, Künstler*innen zu einer Auseinandersetzung mit Stummfilmen einzuladen, weil sie natürlich genau diese Frage stellen: Was haben sie mit der Gegenwart zu tun, welche Zugänge gibt es zu einem alten Stummfilm? Es ist auch eine Öffnung des Werks für eine gegenwärtige Deutung. Xenorama ist uns empfohlen worden und sie unternehmen eine Vertonung auf eine völlig neue Art und Weise. Sehr modern, mit digitalen Technologien und dem Einsatz von KI, der Film wird nicht nur auditiv neu gerahmt, sondern es wird auch mit Farbe gearbeitet. Ich habe das Ergebnis noch nicht gesehen, aber hier verbindet sich zeitgenössische Kunst mit einem Filmklassiker – wir dürfen alle gespannt sein.

Filmstill Stummfilms „Jewish Luck“, der beim Jüdischen Filmfestival in neuer Fassung gezeigt wird.

© National Center for Jewish Film

Im Mittelpunkt des Films steht der „ewige Optimist“ Menakhem Mendl. Gibt es andere Filmklassiker, die sich mit dieser Figur beschäftigt haben?
Menachem Mendel ist eine archetypische sympathische Verliererfigur des jiddischen Kinos, vielleicht der jiddischen Kultur. In ihm verbinden sich die Tragik des Verlierers mit der Komik und dem Optimismus des Lebenskünstlers. Er ist ein „Luftmensch“, der versucht auszubrechen aus der Armut des Schtetls. Der Film basiert auf dem Briefroman von Scholem Alechem „Menachem Mendel“, tatsächlich gab es noch weitere Verfilmungen dieses Stoffs und darüber hinaus zahlreiche Filme, die sich mit diesen archetypischen Figuren befasst haben.

Wo sehen Sie die Relevanz des Films für ein Publikum 2023?
Er bringt uns eine vergangene und für immer vernichtete jüdische Lebenswelt näher. 2008, während der Bankenkrise, erschien im amerikanischen Forward ein Artikel mit dem Titel „The Return of Menachem Mendel“ und vielleicht kann in der Haltung im Umgang mit Krisen und Rückschlägen, die der Film und sein Protagonist uns zeigen, auch eine Relevanz für die Gegenwart liegen, denen man individuell eben auch mit Humor und Optimismus begegnen kann. Heute würden wir vielleicht Resilienz sagen.

Der Film läuft in der Sektion „Kino Fermished“. Wie gliedert sich der Film ins sonstige Programm?
Im Zentrum unseres Festivals stehen der Dokumentar- und Spielfilmwettbewerb, in denen jeweils zehn aktuelle Filme aus sehr unterschiedlichen Produktionsländern laufen. Drumherum rankt sich aber ein sehr buntes Programm, das nicht nur ganz unterschiedliche Perspektiven, Erfahrungen und Lebenswelten zusammenbringt, sondern auch Gegenwart und Vergangenheit verbindet.

Was ist noch Thema bei der 29. Festivalausgabe?
Die Reihe 75 Jahre Israel zeigt Klassiker der israelischen Filmgeschichte, die Retrospektive zum Regisseur, Schauspiellehrer und Shoah-Überlebenden Jack Garfein verbindet seine Filme aus den späten 1950er, frühen 1960er Jahren mit einem aktuellen Dokumentarfilm über ihn. Da passt die Neuvertonung von „Jewish Luck“ auch rein: eine ganz gegenwärtige, aktuelle Perspektive, die aber um Vergangenheit und Geschichte weiß und auch zurückblickt.

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