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Kultur: Nicht immer nur eine Frage des Geldes

Was trotz finanzieller Begrenzung in Potsdam möglich ist oder nicht: Kultureller Rückblick auf 2011 – 2. Teil

Manches nimmt man dann doch persönlich, obwohl es einen im Grunde gar nicht persönlich betrifft, wenn es in Gesprächen etwa heißt, die Qualität des Programms im Nikolaisaal habe nachgelassen. Verwundert fragt man, wie es zu dieser Einschätzung kommt. Dann werden bestimmte Veranstaltungen aufgezählt, die alle unter die Rubrik „Vermietung“ fallen. Fremdveranstaltungen also, für die das Team der Musikfestspiele Sanssouci und Nikolaisaal Potsdam gGmbH nicht verantwortlich ist. Ja, heißt es dann aber, da zeige sich doch sehr deutlich, dass es nur ums Geld gehe.

Natürlich ging es auch in diesem Jahr wieder um das liebe Geld, beziehungsweise um das Geld, das der Potsdamer Kultur fehlt.

Aber das alte Lied von den geringen oder immer weniger werdenden Fördermitteln hat nicht mehr die schrille Tonlage, in der es allzu oft in den früheren Jahren vorgetragen wurde. Dieses Lied ist zu einem stillen Blues geworden, der nicht von Resignation oder Empörung, sondern von einem gewissen Galgenhumor getragen wird. Und von dieser unverwüstlichen Trotzhaltung, weiterzumachen, auch wenn die Begleitumstände – jetzt mal ganz diplomatisch – nicht immer ideal sind. Weil da diese Liebe ist für die Musik oder den Tanz, für das Theater oder die Literatur, die Malerei oder Bildhauerei. Und weil diese vielen in die Kultur Verliebten in dieser Stadt immer weiter damit machen, uns, die Besucher, davon zu begeistern, anzustecken und vielleicht sogar eine Verliebtheit in uns zu wecken. Hat man das erst einmal verstanden und ist Teil geworden in diesem Kreis dieser Kulturverliebten, kann es passieren, dass man es plötzlich auch persönlich nimmt, wenn es heißt, dass da angeblich Abstriche in der Qualität zu beobachten seien, nur weil die finanzielle Situation es notwendig macht, Geld durch mehr Vermietungen zu erwirtschaften. Aber man nimmt es auch persönlich, wenn Geld als Begründung für persönliches Scheitern vorgeschoben wird.

Was in diesem Jahr im Waschhaus in der Schiffbauergasse unter der Geschäftsführung von Wilfried Peinke passiert ist, lässt einen nicht einmal mehr den Kopf schütteln. Nach dem der vormalige Träger des Waschhauses, ein Verein unter Leitung von Michael Wegener, vor gut drei Jahren Insolvenz anmelden musste, übernahm Peinke Anfang 2009 die Leitung des bewährten Teams. Zwei Jahre reichten Peinke, um dem bekannten Waschhaus jegliches Profil zu nehmen. Meldete sich Peinke mal zu Wort, waren oft nur Klagen über fehlendes Geld zu hören. Und dass er auch neue Programminhalte beisteuern möchte.

Anfang dieses Jahres häuften sich dann die Stimmen, die auf die Schieflage im Waschhaus hinwiesen. Produktionen der hauseigenen Oxymoron Dance Company standen plötzlich zur Debatte, weil angeblich kein Geld dafür vorhanden sei. Stattdessen wurden lieber Tausende in eine Techno-Veranstaltung investiert, die sich wie eine hanebüchene Knallchargeninszenierung vom „Weißen Rössl“ als Flop erwiesen hat. Neben dieser vielsagenden Programmgestaltung hat es Peinke auch bei seiner Personalpolitik nicht an Eigensinn mangeln lassen. Hatte schon im vergangenen Jahr der langjährige Musikchef Ingo Bröcker-Wetzel das Waschhaus verlassen, folgten ihm in diesem Jahr – mehr oder weniger freiwillig oder als persönliche Konsequenz aufgrund der nicht enden wollenden Querelen – weitere langjährige und das Waschhaus prägende Mitarbeiter. Zuerst musste Robert Witsche gehen, dann entschloss sich Katja Dietrich-Kröck, unter anderem verantwortlich für die Galerie Kunstraum, für einen beruflichen Neuanfang. Und vor wenigen Tagen ist ihr mit Lisa Ritscher die Verantwortliche für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gefolgt.

Schon früh haben Stadt und Land als Fördergeber – das Waschhaus erhält jährlich 40 000 Euro seitens der Stadt und 110 000 Euro Landesförderung, weiterhin 129 000 Euro Mietzuschuss und 65 000 Euro Zuschuss für die Gebäudeinstandhaltung – auf diese Situation versucht zu reagieren. Aber erst im kommenden Sommer wird Peinke das Waschhaus als Geschäftsführer verlassen. Ob das mit Blick auf den angerichteten Schaden als Erfolg verbucht werden kann, wird sich zeigen.

Die kritische Berichterstattung über die Zustände im Waschhaus wurden gelegentlich als „Hetzkampagne“ bezeichnet und Peinke gern als Opfer der Umstände dargestellt, der aufgrund des finanziellen Zwangsrahmens keine anderen Möglichkeiten hatte. Andere, die jahrelange Erfahrungen in diesem Bereich haben, sagten, dass mit dem Geld sehr gut ein prägendes und für das Waschhaus typisches Programm möglich gewesen wäre. Sei es drum, in Potsdam, das hat das Jahr 2011 sehr oft gezeigt, gibt es genug Beispiele, wie im finanziellen Zwangsrahmen herausragende Kultur entstehen kann. Ob die Kammerakademie Potsdam unter der Leitung von Antonello Manacorda oder das Ensemble „Die kleine Cammer-Music“ unter der Leitung von Wolfgang Hasleder mit der Reihe „Harmonia Mundi – Musica Coelestis“, ob das Team der Ausstellungsreihe Red Wall im Waschhaus oder die Literaturenthusiasten vom Brandenburgischen Literaturbüro, ob das Team vom Nikolaisaal und den Musikfestspielen, Christiane Gerhardt und Tilman Muthesius vom Kammermusiksaal Havelschlösschen in Klein Glienicke oder Björn O. Wiede von den Potsdamer Bachtagen, sie alle schufen in diesem Jahr zahlreiche unvergessliche Kulturmomente. Dafür an dieser Stelle mal ein ganz persönliches Dankeschön!

Dirk Becker

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